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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. SC Freiburg

Zeichen der Zeit

Alles eine Frage, woran man dreht …

Das Problem des Menschen ist seine Annahme, dass er alles versteht. Das liegt daran – und wir sind dafür gewiss eines der beredtesten Beispiele –, dass er für alles Worte hat. Die wiederum versteht er, was ihm eine Vorstellung von dem gibt, worüber er spricht. Aber, und das hat man nicht nur in der ersten Halbzeit gestern sehr gut gesehen, manche Vorstellungen entsprechen so gar nicht dem, wie es dann ist.

Das bekannteste Beispiel dafür ist sicherlich, dass die Erde der Mittelpunkt der Welt sei. Inzwischen wissen wir längst, dass wir es nicht sind, sondern lediglich ein nicht leuchtender Himmelskörper, der sich auf einer Umlaufbahn um einen Fixstern bewegt und über eine so große Masse verfügt, dass er sich in einem hydrostatischen, also mechanischen Gleichgewicht befindet zwischen der Gravitation, die einen festen Körper nach unten zieht sowie einem statischen Auftrieb, der diesen Körper nach oben zu heben versucht, was ihm seine kugelähnliche Gestalt gibt, und der er sein eigenes Gravitationsfeld verschafft, was ihm zum dominierenden Objekt in seiner Umlaufbahn macht, so dass sich andere Himmelskörper konstant ihn seiner Umlaufbahn bewegen, sprich: Wir sind nur einer von acht Planeten – und davon auch nur der fünftgrößte – in einer von Milliarden Galaxien, die wiederum definiert sind als durch Gravitation gebundene Ansammlungen von Sternen, Planetensystemen, Gasnebeln, Staubwolken, Dunkler Materie und sonstigen astronomischen Objekten mit einer Gesamtmasse von typischerweise 109 bis 1013 Sonnenmassen (M), deren Durchmesser mehrere hunderttausend Lichtjahre betragen kann.

Viele Worte, die uns eine Vorstellung geben, die wir aber nicht wirklich verstehen können. Das sind Dimensionen, dagegen wirken die Räume, die wir unseren Gegnern bei deren Angriffen immer und immer wieder geben, geradezu grotesk klein.

Hinzu kommen noch so ganz andere Fragen, die man sich stellen muss, wenn man alles verstehen will, aber auf die es niemals eine Antwort geben kann: Wie entstand das alles? Wie kam es dazu? Und selbst, wenn man das wüsste, drängt sich die Frage auf: Woher kam dann das?

Plus die Frage, die über Länge, Höhe, Breite hinausgeht, denn neben diesen Dimensionen gibt es auch noch jene der Zeit. Diese ist definiert als eine Abfolge von Ereignissen in nur eine Richtung: weg von ihrem Anfang.

Sie hat also eine eindeutige, aller Science Fiction-Geschichten und -Märchen zum Trotz unumkehrbare Richtung. Und selbst wenn man es schafft, diese Abfolge bis zum Nullpunkt zurückzugehen, muss man sich zwangsläufig die Frage stellen: „Äh, und was war davor?“

Es ist noch viel, viel unvorstellbarer als der Verlauf des Geschehens dieser Partie, das von dessen Urknall, also Anpfiff an eine höchst seltsame Dynamik entwickelte, wobei sich diese schon zuvor ankündigte, als Kramaric beim Aufwärmen behandelt werden musste.

Deshalb erfindet der Mensch Dinge, die ihm beim Verständnis helfen. Das Wort „Lichtjahr“ ist so eines, denn obgleich es sprachlich den Aspekt „Zeit“ thematisiert, geht es inhaltlich um Raum, denn es definiert die Strecke, die das Licht im Vakuum während eines julianischen Jahres zurücklegt. Das sind 9,46 Billionen Kilometer (9,46 · 1012 km).

Wer sich das nicht vorstellen kann: Man nehme die Flugleistung aller seit Dezember 1969 jemals gebauten Jumbo Jets (ca. 1.500), addiere die Strecken der rund 20 Millionen Flüge einer Boeing 747 dieses halben Jahrhunderts auf und multipliziere das alles dann mit 100. Also alle Flüge aller Boeing für 5000 Jahre. Das entspricht ungefähr einem Lichtjahr.

So ein Fußballplatz hat andere Dimensionen als der Weltraum. Und obwohl alles so viel kleiner und überschaubarer ist, ward es nicht minder unvorstellbar, zumal die Partie ja auch mit ganz anderen Vorstellungen begleitet war, was ebenfalls mit dem Faktor Zeit zu tun hatte und der Erfindungsgabe des Menschen, Dinge/Worte zu erfinden, die ihm bei der Einordnung / Strukturierung dessen helfen, was um ihn herum geschieht.

Während „Lichtjahr“ eine absolute, objektive Größe ist, ist es „Neujahr“ nicht. Wäre es das, wäre es das seit Anbeginn der Zeit ja überall auf der Welt für alle Menschen gleich. Dem ist aber nicht so, auch wenn es heute weltweite Konvention ist, den 1. Januar als Beginn eines neuen Jahres zu sehen. Das aber hat ebenso wie die Einteilung des Jahres in 12 Monate mit ihren jeweiligen Längen vor allem wirtschaftliche Gründe. So gibt es parallel dazu in vielen Ländern und Kulturen weitere Neujahrsfeste, die sich meist an den Verläufen und Sonne und/oder Mond orientieren.

So fällt in China, Korea, Mongolei und Vietnam das Neujahrsfest auf den Neumond zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar, der jüdische Neujahrstag auf das Tagesende des 29. Tages des jüdischen Monats Elul, der nach unserer Zeitrechnung Ende September/Anfang Oktober ist (In der Nacht vom 19. auf den 20. September 2020 unserer Zeitrechnung begann dort das Jahr 5781). Im Islam feiert man Neujahr am ersten Tag des Muharram. Da der islamische Kalender sich aber am Mond orientiert „wandert“ er durch unseren Kalender. Das letzte islamische Neujahrsfest fand nach unserer Zeitrechnung am 20. August 2020 statt. Dort schreibt man das Jahr 1442.

Und während bei den letztgenannten offensichtlich ist, welchen Einfluss die Religionen auf die Jahreszahlen hat, schließlich schreiben wir ja weltweit (!) das Jahr 2021 nach Christus – während die anderen sich (wohl) eher an Abraham, Mohammed und halt eben dem Mond orientieren – ist das Neujahrsfest bei den Chinesen das Fest der Freude über die Vertreibung eines menschenfressenden Monsters, das jährlich aus den Bergen (oder, je nach Quelle, aus dem Meer) kam, um seinen Hunger nach dem Tiefschlaf zu stillen. Da das Monster aber sensibel auf Lärm sowie die Farben Rot und Gold reagiert, machten die Leute eben Radau sowie Feuer, um das Monster zu verjagen. Daher haben wir unser Feuerwerk. Das nächste Neujahrsfest findet dort am 12. Februar statt. Dann beginnt das 38. Jahr des 60-Jahreszyklus, mit dem 61. Regierungsjahr von Huáng Dì („Gelber Kaiser“), dem mythischen Kaiser, der 2660 v. Chr. am Anfang der chinesischen Kultur gestanden haben soll, sprich: das Jahr 4681.

Und während in den anderen Kulturen der Mond sozusagen die Herrscher über den Anfang sind, sind es in unserer Kultur die Herrscher, die den Anfang bestimmen, denn unser Kalenderstil wird bestimmt durch den Beginn der Amtszeit der Konsuln im antiken Rom – und das bereits seit 153 VOR Christus. Der war am 1. März. Allerdings wurden mit der Einführung des Julianischen Kalenders (der ja bereits bei der Bestimmung des Lichtjahres eine Rolle spielt (s.o.)) die bis dahin angehängten Monate Januar und Februar im Jahre 45 VOR Christus an den Anfang des Kalenders gestellt. Das erklärt auch, warum der 7., 8., 9. und 10. Monat (September (7 = lat. „septem“), Oktober (8 = lat. „octo“), November (9 = „novem“), Dezember (10 = „decem“), bei uns der 9., 10., 11. beziehungsweise 12. Monat ist.

Dieser Kalender gilt bekanntlich heute nicht mehr, jedoch spielt er noch bei einigen christlich-orthodoxen Gruppen eine wichtige Rolle. Heute nutzen wir den gregorianischen Kalender, der 1582 von Papst Gregor VIII eingeführt wurde. Dabei blieb es beim 1. Januar (lat. ianua bedeutet „Tür“), allerdings wurde es mit der Beschneidung Christi am 8. Tag begründet, weshalb man auch bei unserem Kalenderstil vom „Circumcisionsstil“ spricht.

Dieser Kalenderwechsel hatte den Verlust von zehn Tagen zur Folge. Offiziell gab es den 5.-14. Oktober 1582 also nie.

Den 2. Januar 2021 allerdings schon – und erstmalig wurde in Deutschland so früh im Jahr Bundesligafußball gespielt. Und obgleich man früher ein wenig neidvoll nach England und deren pickepackevolles Spieltagsprogramm zwischen den Jahren schaute und sich wünschte, dass es so etwas auch bei uns geben möge, merkte man schon im Vorfeld, dass es das nicht ist. Es wollte keine rechte Spannung, keine rechte Vorfreude aufkommen. In der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr bis hin zu den Heiligen Drei Königen (mindestens) scheint der/die Deutsche prädisponiert. Da ist man fixiert auf „Stirb langsam“, „Skispringen“, ggfs. „Darts“. Jogginghose, Sofa, so was halt. Dazu kam noch die Ausgangssperre im Ländle, die ja auch alles andere als Party- oder Aufbruchsstimmung verbreitete, so dass man noch stärker im Weihnachtsmodus verharrte.

Bei der TSG war der Modus sogar so sehr ausgeprägt, dass sie in einer Tour Geschenke machte. Der erste Schuss der Freiburger, der auch nur durch zufällige Kontakte bei deren Stürmer landete, auf unser Tor bedeutete das 0:1, aus einer harmlosen Ecke wurde durch einen abgefälschten Ball und eine sehr merkwürdige Elfmeterentscheidung das 0:2 und am Ende eines lethargischen Zweikampfs kam es dann via einem möglicher Übermotivation geschuldetem Eigentor zum 0:3.

Keine dieser Situationen war zwingend. In keiner der Szenen waren die Gäste dominant. Aber wir liegen nicht nur hinten und nicht nur metaphorisch, sondern zumindest in Form von Rudy und Akpoguma physisch am Boden – und beide landeten da sehr unelegant.

Das war alles unschön und auch sehr, sehr unglücklich, aber der jeweils fehlende Telemark der beiden war gar nicht das Problem. Es war der Mangel an Dynamik im gesamten Team. Da stimmte der gesamte Ablauf nicht. Irgendwie kam sie einfach nicht so recht in die Spur, konnte keine Fahrt aufnehmen und fand auch keinen Chancentisch zum Abheben. Und einen Gabentisch gab es von den Gästen auch nicht.

Sie spielten einfach körperlicher, mit viel mehr Dynamik, viel mehr Körpereinsatz, viel mehr Willen. Gut spielten sie beileibe nicht. Und wer das Gesicht ihres Trainers während der Partie sah, erkannte, dass auch er nicht zufrieden war mit der spielerischen Leistung seiner Mannschaft. Selbst nach dem Eigentor und der mehr als sicheren Führung für seine Mannschaft wirkte er alles andere als entspannt. Und da dieser Mann ein guter ist, ein Fachmann, konnte man als TSG-Fan daraus Hoffnung schöpfen.

Der Anschlusstreffer nach etwas mehr als zehn Minuten nach Wiederanpfiff nährte diese Hoffnung auf eine Vier-Chancen-Tournee in Halbzeit 2. Der knapp verzogene Kopfball Kramarics kurz darauf noch mehr.

Es gab dann insgesamt mehr spielerische Momente mit so etwas wie Halbchancen, aber einfach viel zu wenig Zug zum Tor, viel zu wenig Spielwitz, Doppelpässe, 1:1-Situationen, dafür wie bereits im letzten Jahr sehr viele Fehlpässe und Missverständnisse.

Das Problem der Mannschaft ist der Umstand, dass sie den Ernst der Lage wohl nicht ver-, sondern nach wie vor zu viel steht. Und wenn man sich mal anschaut, was jetzt ansteht, wird es Zeit, dass sie aufsteht und aufersteht und in den kommenden Spielen besteht, weil da doch einiges bevorsteht; nicht, dass sie dann doof dasteht und was ganz Doofes entsteht, wobei allerdings jetzt schon feststeht, dass sie für ihre fehlende Laufbereitschaft geradesteht und sich gesteht, dass sie zu viel herumsteht, zu inkonsequent hochsteht, und sie die Situation übersteht, wenn sie sich untersteht, so etwas noch einmal abzuliefern, sondern dem Druck widersteht, sich auch mal einen (!) Fehler zugesteht, aber ansonsten enger zusammensteht, damit sie auch mal auf das Ergebnis kommt, was ihr zusteht.

Dass sie das nicht tut, verstehen wir nicht. Sie ist ja keine Lichtjahre von ihrer Bestleistung entfernt. Aber halt leider viel zu oft einen Schritt zu spät und schon befindet sie sich am Rande eines Schwarzen Lochs. Noch kann man dem Strudel aus und mit eigenem Antrieb entkommen, aber den braucht es halt. Und Zeit. Aber so viel wie jetzt hatten wir seit September nicht mehr, um als Team kontinuierlich zu trainieren und an einer Vorstellung zu arbeiten, die unseren Vorstellungen einer Mannschaft entspricht, die die Zeichen der Zeit erkannt hat.

Aber bevor man am Rad dreht oder gar das Karusell in Schwung bringt, sollte man vielleicht einfach mal den Kreisel befragen. Kennt man ja aus dem Film „Inception“ (Anfang).

TSGSCF_2021 Vielleicht war/ist ja alles nur ein schlechter Traum ….

 

Comments

  1. Lupo

    Grandios abschweifend! Happy New Year!

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