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VfL Wolfsburg vs. 1899 Hoffenheim

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Frustration und Langeweile

Warten auf den großen Knall Furz

Frustration und Langweile sind zentrale Affekte im psychologischen Erleben moderner Subjekte.

Nach 15 Sekunden erlaubte sich Bülter einen Riesenbock. Leicht bedrängt verliert unsere Kampfmaschine seine Körperkoordination, dann den Ball. Der Gegner spielt ihn in den Strafraum, wo ihn ein Mitspieler dann nach innen passt, wo keiner der seinen steht, aber Östigard. Er trifft den Ball, der an Baumann am kurzen Pfosten vorbeiging und auch locker im gegenüberliegenden Seitenaus gelandet wäre, aber das „dank“ der Berührung unseres Innenverteidigers nach 19 Sekunden Spielzeit im Netz tat.

Die beste Bewertung dazu kam zu unserer eigenen großen Überraschung vom Kommentator des übertragenden Senders:

„Im 23. Spiel unter Ilzer das 19. Mal im Rückstand. Das ist schon eine ganz eigene Liga. Da willst du nicht dabei sein.“

Doch. Zumindest in der Liga wollen wir schon noch in der nächsten Saison sehr gerne dabei sein. Und wir hatten es ja selbst in der Hand. Diese Saison aber echt die Pest an den Hacken, den Ball wieder als erste Mannschaft im eigenen Tor.

Frustration pur.

Frustration und Langeweile sind insbesondere dann zentrale Affekte im psychologischen Erleben moderner Subjekte, wenn diese mit einer subjektiv empfundenen Stagnation des Lebenslaufs konfrontiert sind.

Beide Zustände stehen nicht selten am Beginn eines Zyklus wiederkehrenden Scheiterns, der das Individuum mit wachsender Intensität in einen Zustand emotionaler Erschöpfung, Selbstzweifel und regressiver Verhaltensmuster drängt.

Entsprechend invehement war auch die Reaktion unserer Elf auf diesen 19. Rückstand. Im klassischen Jargon der Fußballberichterstattung wird hier gerne von einem „Wirkungstreffer“ gesprochen.

Mannschaftsinterne Aufmunterungsgesten waren zwar zu sehen (Baumann), aber sie wirkten einstudiert. Uns erinnerte das Ganze mehr an Heidegger, genauer das, was er weit mehr als Abwesenheit äußerer Reize, sondern vielmehr als eine Leerstelle im eigenen Sinngefüge definierte: Langeweile.

Natürlich mühte sich unsere Mannschaft, ohne den Terminus „Moral“ allzu sehr bemühen zu wollen, aber es passierte nicht wirklich was. Es war ein langweiliges Spiel – und frustrierend.

Frustration, abgeleitet vom lateinischen frustra („vergeblich“), meint in der Psychologie ein Zustand, in dem Erwartungen, Motive oder Bedürfnisse dauerhaft nicht befriedigt werden. Im Kontext persönlicher Zielverfolgung wirkt sie als Katalysator für kognitive Dissonanz, das psychische Spannungsfeld zwischen Selbstanspruch und realer Handlungseffektivität.

Vielleicht einfacher, aber besser lässt sich nach unserem Dafürhalten die TSG in ihrem Jubiläumsjahr kaum beschreiben. Da machte man zu Anfang ein mords Bohei und am Ende rennt man nebst den Erwartungen erneut einem Rückstand hinterher.

Dabei hatte man das Gefühl, dass die Mannschaft durchaus die Vorstellungen des Trainers umsetzt: Sie kickte ordentlich und brachte eine große Energie auf den Platz. Nur als Fan des schönen Spiels wäre einem deutlich lieber gewesen, die Mannschaft hätte Fußball gespielt und auf dem Platz gezaubert. Nun denn, stattdessen holzte und bolzte sie. Und es war auch ein wahrliches Gehacke vor dem Ausgleich: Ein resoluter Kopfball von Stach, der zudem mit metaphorischem Köpfchen gespielt wurde, nämlich statt einfach wieder ins Zentrum, wo die Defensive der Abwehr massiv stand, nach links auf Bülter, der den Ball schon weit in den Rückraum spielte, wo Kaderabek ganz frei stand und so frei war, den Ball eben nicht mit Wucht und Spann zu dreschen, sondern fein mit Innenrist einzunetzen. Der Ausgleich.

Wohl verdient. Aber von Balance weit entfernt – und vor allem den Erwartungen an die Mannschaft.

Diese sowie überhaupt die narrative Struktur vieler Lebensentwürfe folgt einer teleologischen Vorstellung: Das Leben wird als gerichteter Prozess hin zu Zielen verstanden, sei es persönliche Reife, soziale Anerkennung sowie beruflicher respektive sportlicher Erfolg.

In diesem Zusammenhang spielt die sogenannte Selbstwirksamkeitserwartung eine entscheidende Rolle. Je häufiger jedoch Handlungen ins Leere laufen, desto brüchiger wird dieses Vertrauen in die eigene Agenda. Das Scheitern wird nicht mehr als einzelnes, überwindbares Ereignis gedeutet, sondern als strukturelle Konstante, die das Welt- und Selbstbild kontaminiert.

Entsprechend unsicher ging es auch in den 2. Durchgang, in dem wir erneut erst einmal strauchelten. Auch da hatten wir große Schwierigkeiten Ball, Gegner und Spiel zu kontrollieren. Auf dem Platz verloren wir massig Bälle im Spielaufbau – vor dem Fernseher die Nerven. Und das ganz besonders, als wir just dann erneut in Rückstand gerieten, als wir wieder so etwas wie Oberwasser hatten.

Eine simple Ecke war es – und ein noch simplerer Kopfball. Dabei konnte unser Verteidiger (Östigard) nicht näher am Mann sein, als er es war, denn er hing wie eine Klette an ihm. Nur sprang der dann irgendwann hoch. Das war’s. Und wieder hieß es, einen Rückstand aufzuholen. Und es ist der Co-Kommentatorin von DAZN zu verdanken, dass der Fernseher (und der Glauben) noch lebte, den sie sprach immer wieder von den Comeback-Qualitäten der TSG, nannte uns sogar die „Comeback-Könige“, was später von einer Statistik sogar mit Zahlen unterlegt wurde: 9x haben wir nach Rückstand gepunktet. Liga-Bestwert. Immerhin. Dennoch …

Der Prozess des „Hinfallens und Wiederaufstehens“ ist in der Psychologie vielfach thematisiert und auch etwas romantisiert worden – Stichwort: Resilienz. Doch Resilienz hat eine Grenze. Diese Grenze beginnt dort, wo das Wiederaufstehen kein Aufstieg mehr ist, sondern ein bloßer Reflex, leer an Perspektive und ohne jede Transformation.

Ganz so schlimm war es diesmal nicht, denn es gelang uns, den Schalter recht schnell umzulegen. Bülter, die alte Kampfmaschine zeigte ja bereits vor dem ersten Ausgleich, dass er nun besser geölt war und auf Hochtouren lief, und nun auch, dass ihm sein Maschinebaustudium was brachte. Darin geht es ja auch viel um Physik: Kräfte, Hebel, Winkel etc. Zwar traf sein Schuss nur den Innenpfosten, aber der hatte den richtigen Hebel, die nötige Kraft sowie den richtigen Winkel, so dass der Ball von da den Weg über die Linie ins Tor fand. Und Turid Knaak fühlte sich zu Recht bestätigt: „Comeback-Könige“.

Außer ihr hatte in dem Moment keiner wirklich daran geglaubt, was psychologisch leicht erklärbar ist – Stichwort: erlernte Hilflosigkeit, also die Erkenntnis, dass unabhängig vom eigenen Verhalten das Ergebnis gleich bleibt Das führt zu einem motivationalen Kollaps. Der Mensch verharrt im Aktivismus ohne Resultat, ein Hamsterrad der Willensanstrengung ohne Zielannäherung. Zum Glück war das gestern Abend bei unserer Mannschaft anders …

… und zum Glück hatten die Hausherren keinen wie Bülter in ihren Reihen. Sie trafen nämlich ganz zu Spielende ihrerseits den Innenpfosten, der auch erst seinen Weg über die Linie fand, aber eben nicht jenseits, sondern von da wieder zurück auf den Spielfeldrasen rotierte.

So blieb es beim 2:2 – und auch bei der TSG scheint alles außerhalb des Platzes so zu bleiben, fühlt man sich doch bestätigt in dem Glauben, dass diese Konstellation in der kommenden Saison Früchte tragen könnte.

Aus behavioristischer Sicht ließe sich dieses wiederholte Aufstehen trotz ausbleibender Belohnung als ein intermittentes Verstärkungsmuster deuten – eines, das paradoxerweise besonders hartnäckig Verhalten aufrechterhält, selbst wenn keine Erfolge sichtbar sind. Doch was sich empirisch erklären lässt, lässt sich existenziell nicht so einfach bewältigen. Das Subjekt, das erkennt, dass es trotz aller Bemühungen keinen Schritt vorangekommen ist, steht vor einer ernüchternden Bilanz: Anstrengung allein ist keine Garantie für Veränderung.

Aber Veränderung eo ipso ist kein Garant für Erfolg, wie diese Saison ja sehr eindrucksvoll zeigt, auch wenn dies oftmals damit „prä-assoziiert“ wird, also gehofft, schlimmer: erwartet, noch schlimmer: vorausgesetzt. Daraus aber den Umkehrschluss zu ziehen, dass „keine Veränderung“ Erfolg garantiert, wäre nicht minder minderwertig. Tja, wie man’s macht …

Wenn die Realität die Erwartung permanent konterkariert, resultiert alles Tun in einer fatalistischen Lethargie, und der Kreislauf der Geschehnisse in einem Gefühl tiefgreifender Erschöpfung. Selbstwahrnehmung, Lebenssinn und Handlungsmotivation drohen zu erodieren. Der Rückzug ins Passive erscheint weniger als Entscheidung denn als letzter noch verfügbarer Schutzmechanismus.

Was bleibt, ist die Hoffnung auf Hilfe (am besten schon heute Nachmittag) – und Veränderung.

Aber bei aller Liebe zu „per aspera ad astra“ („durch das Raue zu den Sternen“) per se, ist es eben nicht so, wie seit der 1. Runde im DFB-Pokal 2024/25 evident und oben dargelegt, dass man ausschließlich durch Mühe, Schwierigkeiten und Widrigkeiten zu einem gewünschten Ziel gelangt.

Nicht das „asperum“ allein ist entscheidend und auch nicht nur das Momentum, sondern der Spaß, wie er sich in einer weiteren lateinischen Redensart ausdrückt: „memento vivere“ („Denk daran zu leben.“).

Statt andauernd neues spaß- und zum Teil talentfreies Personal einzustellen, ist diese Einstellung ein höchst probates Mittel gegen Frustration und Langeweile.

Oder wie der Volksmund sagt:

„Aus einem verkniffenen Arsch kommt kein fröhlicher Furz!“

Und so einer ist wichtig, denn er nimmt den Druck raus. Ja, kann einem schomma stinken, aber das verflüchtigt sich und dann geht es ganz entspannt weiter …

Nur noch ein Spieltag …

 

 

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