VfL Bochum vs. 1899 Hoffenheim
Die starke Hand
und starke Nerven …
Über die Mechanismen des Marktes,
die Kraft der Marke und was es sonst noch so braucht …
Das zehnte Spiel in Folge ohne Sieg. Platz 14 in der Tabelle und es könnte, wenn Stuttgart morgen entsprechend gewinnt, auch Platz 15 werden, und nächste Woche geht es gegen Leverkusen. Keine guten Aussichten. Und keine guten Ausreden für die TSG, die Mechanismen des Marktes außer Kraft zu setzen.
Nur: Wer soll’s machen? Kai (Herdling) oder Klopp? Der verlor ja erneut und steht mit seinem Verein auf Platz 10 in der Premier League. Allerdings dürfte Letzterer eher Nationaltrainer Qatars werden wollen, als bei uns anzuheuern. Bleibt also …? Erstmal …
… pure Fassungslosigkeit …
Ja, man kann auch in Bochum verlieren. Auch 5:2. Aber so? So ganz ohne Ab- und/oder Gegenwehr? Der 3:0-Rückstand zur Pause war ausschließlich auf individuelle Fehler zurückzuführen. Und so war es auch kein Wunder, dass Andre Breitenreiter gleich vier Spieler in der Halbzeit auswechselte. Was sollte er auch sonst machen? Er ist die ärmste Sau in der Situation …
Nochmals: Er fuhr mit Mannschaft A ins Trainingslager und muss seit Wiederaufnahme des Spielbetriebs mit Mannschaft B spielen, die weitere Ausfälle zu beklagen hat, fast jeden Spieltag einen Neuzugang zu integrieren hat, in einer Phase, wo es nur englische Wochen gab. Die Phase ist nun vorbei. Und seine Zeit?
Natürlich spricht man in solchen Situationen gerne von den „Mechanismen des Marktes“.
Derer gibt es ja einige. Meist spricht man dabei in der Betriebswirtschaft von dem vermeintlichen Ideal eines vollkommenen Polypols, wo sich durch Angebot und Nachfrage die Preisbildung vollzieht und dieser Faktor der entscheidende Punkt für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sei. Das ist natürlich Quatsch.
Rein rational mag das logisch erscheinen, aber es gibt viel mehr Faktoren, die für den Erfolg eines Angebots im Markt von höchster Relevanz sind. Wäre dem nicht so, gäbe es keinen Grund, ein Apple-Produkt zu kaufen, einen Jaguar, Aston Martin, Ferrari etc. oder so manches Bio-Produkt.
Es geht um die Marke, das Image eines Angebots. Es geht nicht nur darum, dass ein Angebot einen elementaren Bedarf befriedigt, sondern auch Bedürfnisse – und dazu zählt auch das Geltungsbedürfnis.
Deshalb umgeben sich Menschen eben oftmals mit Insignien, die auf sie abstrahlen sollen:
-
-
- Im Wilden Westen legten die Männer ihre Handfeuerwaffen auf den Tisch im Saloon.
- In den 70ern und 80ern hatten „alle“ eine Packung Kippen in der Kneipe vor sich liegen, die ihren Freiheitsdrang („Marlboro“), ihre Individualität („Camel“) oder ihr Savoir vivre-Lebensgefühl („Gauloises Blondes“) zum Ausdruck bringen sollten.
- Männer schmissen auch gerne ihren Schlüsselbund vor sich, insbesondere wenn daran ein Schlüssel mit einem Extra war, z. B. einem Stern, einer symbolisierten bayrischen Flagge oder einem Pferd.
- Heute sind es eben Mobiltelefone, die den eigenen Status zum Ausdruck bringen sollen.
-
Hinzu kommen Zeichen an Autos. Auch wenn es heute weitaus weniger Aufkleber wie noch vor ein, zwei Jahrzehnten gibt, gibt es immer noch welche, die für die jeweiligen Personen eine Bedeutung haben – sei es die abgelaufene Vignette der Schweiz, „Corsica Ferries“ oder die Silhouette des Fischs oder von Sylt. Und oder der dezente Aufkleber seines Lieblingsvereins.
Derer viele von der TSG 1899 Hoffenheim sieht man auf Deutschlands Straßen und selbst auf dem Parkplatz vor dem Stadion nicht.
Da dies aber (im Gegensatz zu Vignette und Fähre) zu den Aufklebern zählt, die man freiwillig anbringt, ist das ein Indiz, das besorgniserregend sein sollte, denn zeigt ein solcher Aufkleber doch Identifikation.
Und darauf aufbauend kann man schon – auch so manchen Forenfan – fragen, wie sehr sich jede/r Einzelne – und eben nicht nur Spieler – mit dem Verein identifiziert?
Auch der Verein muss sich fragen lassen, wie er dazu beiträgt, dass dem so ist, wie es ist. Das muss ja nicht einmal eine Abkehr von den wirtschaftlichen Notwendigkeiten bedeuten, aber vielleicht in der Kommunikation. Im Ergebnis ändert das nichts, aber im Verständnis.
Das gilt sogar für die Nachrichten aus dem Frauenteam. Da hat man einmal eine erfolgreiche Saison mit Champions League-Teilnahme und was passiert? Die Spielerinnen wechseln. Natürlich hat das finanzielle Gründe – gerade im Frauen-Fußball.
Jede der Damen wäre mit der Muffe gepufft, wenn sie ein lukrativeres Angebot nicht annehmen würde, denn hier geht es ja noch um Beträge, die ein jeder Mensch nachvollziehen kann – und auch sie können diesen Beruf nur zeitlich begrenzt ausführen – zumal bei den Damen ja auch noch zwischenzeitlich immer ein temporärer oder verfrühter Karrierestopp in Form einer Schwangerschaft eintreten kann.
Die Kommunikation ist reine Information, keine Emotion.
Noch drastischer ist das natürlich bei den Herren: Wenn man einen Spieler wie Rutter für 30 Mio. € und mehr transferieren kann, ist das super. Aber nur darüber zu informieren, erreicht die Menschen emotional nicht – aber genau das unterscheidet ein Angebot/Produkt von einem Markenangebot/Markenprodukt.
Bei einer Blindverkostung liegen Pepsi und Coca-Cola meist gleichauf. Wenn man das Angebot aber sehen kann, entscheiden sich die meisten Menschen für Coca-Cola und das selbst dann, wenn Pepsi um einiges günstiger ist. „Schmeckt mir besser!“ wird dann als Grund dafür angegeben, was aber nicht stimmt, wie die Ergebnisse der Blindverkostung zeigen. Eine rein emotionale Entscheidung wird nachträglich rational rechtfertigt. Noch deutlicher ist es bei Tabakwaren, wobei es da weniger preislichen Spielraum gibt.
Und auch bei der TSG spricht man gerne von der Marke TSG. Das ist gut. Das ist richtig. Aber wie verkauft sie sich? Aus eigener, innerer Kraft?
Geneigte/r Leser/in,
ja, wir sind auch super sauer über das Auftreten der Mannschaft. Aber wie Alexander Rosen nach dem Spiel sagte, gilt es festzustellen, dass wir unter unterschiedlichen Trainern mit einem ähnlichen Kader dieselbe Scheißserie hingelegt haben, so dass die Ursache dafür nicht nur bei diesen Personen und nicht nur in deren Beinen und Köpfen liegen kann.
Wir möchten daher hier (erneut) nur ein Analyseangebot machen – und das ist nicht nur wesentlich günstiger, als wenn es von KMPG, Deloitte, EY et al. käme, sondern auch (selbst wenn das wer als Laie nicht vermuten will) klarer, verständlicher und definitiv unterhaltsamer.
Was also ist die Kraft der Marke?
Zuallererst geht es darum, etwas zu verkaufen. Die Frage ist „wie“. Das geht …
… direkt, im 1:1.
Du gehst auf eine Party und siehst eine attraktive Frau auf der anderen Seite des Raumes. Du gehst zu ihr und sagst: „Hallo, ich bin großartig im Bett. Wie wär‘s mit uns?“
Vorteil: Klares Nutzenversprechen.
Nachteil: Proof-of-concept fehlt, d.h. muss nicht stimmen.
Zudem ist das Angebot zumindest für eine nüchterne und nicht notleidende Kundschaft zu … äh … nüchtern.
… mit allgemeiner Werbung.
Du gehst auf eine Party und siehst eine attraktive Frau auf der anderen Seite des Raumes. Du gibst einer Freundin einen Hunderter. Sie steht auf und sagt: „Hallo, mein Freund dort hinten ist großartig im Bett. Wie wär‘s?“
Vorteil: Informativ.
Nachteil: Wird nicht geglaubt oder wahrgenommen oder überzeugt nicht im direkten Vergleich anderer Angebote.
… mit PR.
Du gehst auf eine Party und siehst eine attraktive Frau auf der anderen Seite des Raumes. Du gibst zwei Freundinnen von Dir einen Hunderter, damit sie sich in Hörweite der Frau stellen und darüber sprechen, wie großartig Du im Bett und überhaupt wie heiß du bist.
Vorteil: Sehr informativ und erhöhte Glaubwürdigkeit durch vermeintlichen proof of concept.
Nachteil: Wird nicht wahrgenommen oder die Masse an Information kann in der Kürze der Zeit des Bedürfnisses nicht verarbeitet werden.
… mit CRM ( – Kundenbindungsprogramme
(nicht zu verwechseln mit CSR – (Corporate Social Responsibility)))
Du gehst auf eine Party und siehst eine attraktive Frau auf der anderen Seite des Raumes. Du erkennst sie wieder. Du gehst zu ihr rüber, frischst ihre Erinnerung auf, bringst sie mehrfach zum Lachen und wirfst nach einer Weile ein: „Hallo, ich bin großartig im Bett. Wie wär‘s mit uns?“
Vorteil: Bekanntheit und Grundsympathie vorhanden. Erhöhte Glaubwürdigkeit auch ohne proof of concept.
Nachteil: Braucht viel Vorbereitung. Kontakt muss gepflegt werden und stets empfangsseitig gewollt sein. Zeitintensiv ohne Erfolgsgarantie.
… im Idealfall so:
Du gehst auf eine Party und siehst eine attraktive Frau auf der anderen Seite des Raumes. Sie (!) kommt herüber und sagt: „Hallo, ich habe gehört, dass Du großartig im Bett bist. Wie wär‘s mit uns?“
Vorteil: 🙂 – DAS (!) ist die Kraft der Marke.
Nachteil: Muss dauerhaft befriedigt werden.
(Aber nicht so schlimm, wenn es mal nicht klappt, Aufgrund vieler positiver Erfahrungen wird auch mal ein Hänger, Ausrutscher o. Ä. verziehen, vgl. Apple-Mouse, A-Klasse („Elch-Test“).
Zu erhöhten Schnelligkeit des Verständnisses wurde in den Beispielen auf Stereotype zurückgegriffen. Selbiges gälte natürlich auch bei vertauschten Geschlechtern und überhaupt Geschlechtern aller Art sowie Anbandelungsversuchen jedweder Form der sexuellen Neigung, wie bi-, homo; logischerweise nicht: sapio-.) 🙂
Seine Zeit bei uns ist …
- … vorbei (sagen die einen hier und beziehen sich dabei natürlich auf die letzten Ergebnisse sowie daraus folgend die ganz oben erwähnten „Mechanismen des Marktes“),
- … einfach verflucht (sagen die anderen und beziehen sich dabei auf alle anderen Fakten – ex Ergebnisse – und verweisen einerseits auf die Problematik der absoluten Notwendigkeit einer nachhaltigen Besserung, andererseits auf die langfristig positiven Beispiele bei den Vereinen, die die Marktmechanismen ignoriert haben, was ja ebenfalls zu einer Identifikation beitragen kann.)
Dabei schienen die Einwechslungen so etwas wie einen Ruck ausgelöst zu haben.
Kurz nach dem Wiederanpfiff fiel der Anschlusstreffer durch Baumgartner, wobei die Bochumer sich dankenswerterweise an unserem bisherigen Abwehrverhalten orientiert haben, und es keimte Hoffnung auf. Dann fiel Delaney durch Unterstützung des Gegenspielers durch Ziehen am Trikot im Zweikampf im eigenen Strafraum, was das Schiedsrichtergespann allerdings als regelkonform ansah, wodurch jener Spieler den Ball zum 4:1 einköpfen konnte.
Und selbst dann gab sich die Mannschaft nicht wirklich auf. Konnte man in der 1. Halbzeit durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Mannschaft gegen den Trainer spielte, war das so in der zweiten Halbzeit nicht erkennbar, denn wieder gelang ihr der Anschlusstreffer, wobei dabei nur eingewechselte Spieler beteiligt waren, doch leider folgte der Steigerung im Angriffsspiel und der totalen Chancenverwertung – immerhin schossen wir bis dahin nur zwei Mal aufs Tor und erzielten damit zwei Tore – keine Steigerung in der Defensive. Ein erneuter Riesenfehler sorgte dann zum Endstand – und der Erkenntnis … zumindest bei Spielern und Verantwortlichen nach dem Spiel, dass es eben nicht am Trainer liege, sondern an … etwas anderem.
Wie gesagt, aktuell sind die Aussichten für die TSG schlecht. Und für Ausreden ist jetzt auch keine Zeit. Aber dafür endlich mal zum Trainieren. Zum Etwasrunterkommen. Diesen Faktor des Trainingslagers mit Team A und den englischen Wochen mit ständig wechselnden B-Teams ist nicht von der Hand zu weisen.
Ob diese Hand aber stark genug ist, die Marktmechanismen außer Kraft zu setzen? Außer der Hoffnung, dass jetzt endlich mal Zeit zu trainieren ist und dass zumindest zwei weitere Vereine noch (!) hinter uns stehen, die auch nicht gerade vor Selbstbewusstsein und innerer Ruhe und Zuversicht nur so strotzen, gibt es aktuell wenig Anlass, daran zu glauben – zumal es am nächsten Wochenende mit Bayer Leverkusen eine Mannschaft bei uns gastiert, die eingespielt ist und zuletzt (bis auf gestern) erfolgreich gespielt hat.
Es braucht halt auch starke Nerven: Solange wir noch diesen Abstand auf die Abstiegsplätze haben und die Chance, uns selbst da rauszukämpfen, sollte man an diese Chance – und sei es nur aus Gründen der Identifikation (Wir erinnern nur an die Aktion am Ende der Saison 2012/13.) – glauben und sie auch nutzen.
Noch sind es sechs Spieltage bis zur Länderspielpause. Ja, unwahrscheinlich, dass wir gegen Leverkusen (H), Augsburg (A), Dortmund (H), Mainz (A), Freiburg (A) und Hertha (H) 18 Punkte holen. Aber die Hälfte? Zumindest das sollte der eigene Anspruch sein. Auch und gerade jetzt. Und sollte das dann daneben gehen, gibt es immer noch neun Spiele, d. h. 27 Punkte zu holen, allerdings gegen Gegner, die dann (fast) allesamt vor uns stehen würden. Jetzt stehen wir erstmal zu Team und Trainer.
Keine leichte Situation.
Aber wenn es leicht wäre, könnte es ja jeder.
—
P. S.: Und unsere Mannschaft zu trainieren und/oder unseren Verein (sportlich) zu führen, scheint, wie wir ja schon hier aufgeführt haben, eine echte Herkules-Aufgabe zu sein. Wir tippen auf das Ausmisten der Augias-Ställe.
Submit a Comment