VfB Stuttgart vs. 1899 Hoffenheim
Ein bahnsinniger Tag
Eine kleine Reisereportage
über unsere kleine Ausflugsreise
Wir wollten ein Jahresendspiel – und wir bekamen es. Es war ein Erlebnis, auch wenn das Spiel selbst nicht wirklich eines war und wir den dramatischsten Moment zum Glück verpasst haben.
Wir verpassten auch keinen Zug, was angesichts der neuen Pünktlichkeit der Bahn auch kein Problem war, schließlich hatte der gebuchte Zug über 60 Minuten Verspätung.
Zugbindung aufgehoben, also hurtig eine Alternative gefunden, die sogar eine Minute vor dem eigentlich gebuchten Zug abfuhr, allerdings über Mannheim, dafür mit Upgrade. Doch in der Quadratestadt angekommen, erfuhren wir, dass auch dieser Zug „ca. 15 Minuten“ (exakt: 23 Minuten) Verspätung hatte. Das führte dazu, dass wir auf dem Bahnsteig in Monnem die Qual der Wahl hatten, denn dort fuhren beide Züge gleichzeitig ein – der eine halt über Heidelberg, der andere direkt.
Wir entschieden uns fürs Upgrade – und den direkten Weg zum Ziel. Ganz im Stillen hatten wir die Hoffnung, dass unser Agieren auch den taktischen Vorgaben des Trainers und damit dem Agieren der Mannschaft entsprächen.
Und wir waren wohl nicht die einzigen mit dieser Taktik. „Bitte verteilen Sie sich auf alle Waggons. Nutzen Sie dazu bitte auch den Bahnsteig. Das geht gerade mit Koffern schneller als im Zug. Wir können erst losfahren, wenn sich das Fahrgastaufkommen verteilt hat. Wir bitten um Ihre Mitarbeit. Ansonsten müssen wir die GSG 9 rufen!“
Zugegeben, Letzteres drohte…äh…dröhnte eher sinngemäß aus den Lautsprechern, irgendwas von Sicherheitsdient und Bundespolizei war zu vernehmen. Das war doch schon mal ein verheißungsvoll dramatischer Start zum Kick in der Landesmetropole.
Dort angekommen hatten wir noch genug Zeit zum Aufwärmen: Wurst und Glühwein – musste trotz der eher frühlingshaften Temperaturen natürlich sein. Zum einen: Dezembertradition, zum anderen eingedenk des -19 °C-Kicks an selbigem Ort.
Und auch die Fanszene der Hoffenheimer war bestens auf Niedrigtemperaturen vorbereitet und versorgte den kompletten Block mit blauen Weihnachtsmützen. So ward uns warm um Herz und Hirn, und wir waren heiß aufs Spiel.
Mit diesem an sich lustigen Versprechen an die Hausherren – inklusive einem blauen Grinch mit Mittelfinger begann das Spiel. Allerdings vermieste man uns erst einmal die Stimmung, denn das Riesenbanner ward direkt vor uns platziert, so dass die ersten 90 Sekunden des Spiels für uns nichts weiter war als ein Blick ins Blaue. Wir sahen rein gar nichts, dennoch wurde dahinter gesungen und gehüpft. Das Positive daran war, dass wir dadurch auch nichts von den Rauchschwaden im Heim der Schwaben abbekamen.
Doch auch als das Banner dann eingepackt wurde, war die Sicht „dank“ der Fahnen mehr als eingeschränkt.
Die Cannstatter Kurve hatte zwar noch mehr Fahnen, aber dort wurde die Schwenkerei immer wieder mal eingestellt, so dass alle mal für ein paar Minuten zumindest freie Sicht hatten. Die blieb uns das ganze Spiel über aber verwehrt. Vielleicht mal eine Anregung für die eigenen Reihen.
Doch unsere Arthrose ist noch nicht so weit fortgeschritten, so dass wir durch leichte Beugbewegungen nach oben und unten sowie von links und rechts immer wieder einen ganz guten Blick auf Passagen des Spiels erhaschen konnten. Und so entstand da eine Parallelität: Wir sahen dasselbe, was auf dem Platz in puncto Fußballbrillanz geboten wurde: nicht wirklich viel.
Was aber klar zu erkennen war, war eine weitere Parallelität: die der Taktik der beiden Mannschaften. Ziel war es nicht, ein Tor zu schießen, Ziel war es, ein Tor zu verhindern, indem der Spielfluss der jeweils anderen Mannschaft verhindert werden sollte.
Es wurde viel bis ständig gepresst, es gab kaum Phasen für einen Spieler, wo er sich ungestört ums Spielgerät kümmern konnte, geschweige denn, ungestört passen – und so passierte zwar viel auf dem Platz, aber wenig vor den Toren. Beiden Teams schien klar: Das Team, dem der erste Fehler passiert, verliert. Also hieß es vor allem, weder die Kontrolle noch die Nerven zu verlieren, wenn ein Ball verloren ging – und das tat es zuhauf. Bei beiden Teams. Die einzige wirklich brenzlige Situation – außer den Bengalos vor/zu Spielbeginn – vereitelte der eine Gast unserer Weihnachtsfeier in der 43. Minute.
Aber das Spiel hatte was. Es lebte von der (An-)Spannung. Einerseits wurde stets versucht, unsere Stürmer in Szene zu setzen, andererseits blieb es in 99,5% der Fälle beim Versuch. Aber das war nie wirklich deutlich. Es bestand zu jeder Zeit die Möglichkeit, dass ein Ball mal durchwitschen würde.
Doch das passierte nicht. Ja, die Hausherren hatten insgesamt mehr Torabschlüsse, aber wir hatten Oliver Baumann, der hielt, was er halten konnte: alles.
Vor ihm hatten wir Hranac und Hajdari, die wir persönlich uns auch gerne in unserer Kurve als Feuerwehr wünschen würden – wegen der Bengalos. Nicht, weil sie sie sofort löschen würden. Nein, noch besser: Sie ließen erst gar nichts anbrennen.
Sie waren schon geil resolut in der Innenverteidigung – und dass Hajdari einer der wenigen der unseren war, der einen halbwegs gefährlichen Schuss aufs gegnerische Tor … „abfeuerte“ wäre jetzt übertrieben … abgab, zeigt aber auch den Mut der Mannschaft, auch bei dieser sehr heimstarken Mannschaft sehr offensiv zu verteidigen – auch noch tief in der 2. Halbzeit.
Außen sorgte Bernardo für Stillstand – beim Gegner. Er ist nicht mehr der Jüngste, nicht der Schnellste, und hat auch nicht die Vergangenheit als Abwehrlegende, aber er arbeitet – auch daran. Er steht einfach immer richtig und auch so richtig unter Dampf. Im Grunde eine Tenderlokolotive, obwohl sein Umgang mit seinen Gegenspielern alles andere als tender (engl., dt.: zärtlich) ist.
Coufal war wie immer „Maschine“ (Baumann über Coufal), der gewiss auch (wie sein tschechischer Vorgänger auf der Position, der ja auch den Beinamen „Lok“ hatte) Potenzial hätte, bei der Bahn zu arbeiten, wenngleich er nur einen Teil der Lösung ihrer Probleme beheben könnte: Er ist zwar ein höchst zuverlässiger Schienenspieler, aber mit den Anschlüssen klappt es nicht. Also er flankte schon, aber mehr so Assistassisthereingaben – und wenn es mal schnell und direkt ging, kam die Stellwerkproblematik hinzu, genauer: verhinderte ein Stuttgarter Bein den An…äh…Abschluss.
Sein Pendant auf der anderen Seite, Prass, machte seine Sache auch sehr gut. Er ersetzte den zum Afrika-Cup abgereisten Touré, und im Vergleich zu ihm kackte er natürlich ab, aber so unfair es wäre, einen ICE mit einem Shinkansen zu vergleichen, ist es, ihn in puncto Geschwindigkeit mit dem Usain Bolt der Bundesliga zu messen. Vergleicht man den Ösi aber anhand dessen, was er in den Partien im letzten Jahr als Startspieler bot, war das sehr gut.
Und er war ein ebenso wesentlicher Teil wie unser Mittelfeld. Ihm war immer wieder anzumerken, dass sie einen Offensivtrieb wagen wollten, aber das Mittelfeld war ein Rangierbahnhof: Da war alles zugestellt – und gerade Prömel und Burger stellten sich da oft quer bzw. den Gegnern in den Weg, während Avdullahu dafür sorgte, dass jedwedes Chaos durch geschicktes Manövrieren ausblieb: Mal nahm er durch Rückpass einen Gang raus, mal beschleunigte er das Spiel in die Spitze, wo allerdings Asllani selten den Platz fand, den er brauchte, um die entsprechenden Weichen in Richtung freie Bahn zu stellen und auch Lemperle war sie immer wieder versperrt, wobei es schon sehr beeindruckend war, wie er immer wieder die komplette Defensive sowohl beim Verteidigen wie beim Spielaufbau beschäftigte. Und als ihm die Puste ausging, wurde er ausgewechselt: in der 89. Minute (für Hlosek), ebenso wie Prass (für Gendrey).
Und waren die Auswechslungen unserer Ansicht nach immer ein Knackpunkt im Ablauf unseres Spiels (vgl. Fahrplanwechsel), integrierten sich Kramaric (für Asllani (65.)) und Kabak (für Hajdari (gelbverwarnt, 73.)) problemlos in das System.
Nein, sie konnten keine neuen Impulse nach vorne setzen, aber sie sorgten auf ihre Art und auf ihren Positionen für Sicherheit, denn gerade zum Zeitpunkt ihrer Einwechslungen war klar, dass die Mannschaft das Spiel verliert, der der erste Fehler passiert.
Und in der ersten Minute der Nachspielzeit passierte es dann: Der Ball lag in unserem Netz. Es war die einzige Abseitsstellung der Stuttgarter in diesem Spiel.
Torlos, aber nicht ideenlos und vor allem nicht erfolglos. Ein ganz klarer Punktgewinn zum Jahresende – und ein schönes Geschenk der Mannschaft. Ja, die Verpackung war nichts, aber der Inhalt kann sich doch mehr als sehen lassen:
- Dezember 2025: 15 Spiele. 8 – 3 – 4 = 27 Punkte. 29:20 (+ 9) Tore. Platz 5.
Willst du wissen …/ Erinnerst du dich, geneigte/r Leser/in, wo wir zu Jahresanfang standen?
Na?
Na?
Na?
Die letzte Partie 2024 verloren wir zuhause (1:2) gegen das Team, gegen das wir das erste Heimspiel 2026 austragen werden. Nur mal so …
- Januar 2025: 15 Spiele. 3 – 5 – 7 = 14 Punkte. 20:28 (- 8) Tore. Platz 15.
Also bei allem Groll gegen das gestrige Gekicke, man muss auch mal das Ganze sehen und dankbar sein.
Auch unser Start in den Spieltag war ja holprig – mit Verspätung und überfüllt und einem Bordchef der mit exekutiver Gewalt droht, aber dafür war das Ende mehr als versöhnlich.
Zwar standen wir auch ewig in der S-Bahn, bis sie losfuhr, hatten aber einen sehr launigen Fahrer, der uns mit sehr spaßigen Durchsagen über den Grund des Stehens bei Laune hielt („Wir stehen hier noch ein Weilchen. Nutzen Sie die Zeit und lernen Sie Ihren Nebenmann kennen. Irgendwann geht‘s sicher weiter, und wer weiß, was der Abend dann noch so für Sie bringt …“) Und Puffer für die Rückfahrt hatten wir genug eingeplant, so dass wir auch ganz entspannt blieben. Der Zug konnte auch keine große Verspätung haben, denn er startete in Stuttgart. Er fuhr trotzdem drei Minuten zu spät los. Aber immer noch sehr rechtzeitig.
Etwas mehr als eine halbe Stunde später hätte das Ganze ganz anders für uns ausgesehn, denn da wurde der Stuttgarter Hauptbahnhof evakuiert.
Aber davon bekamen wir auf unseren reservierten Plätzen im fast leeren Waggon nichts mit und beendeten unseren kleinen Fanclubausflug so, wie wir uns, euch, allen das Weihnachtsfest wünschen: stressfrei – und irgendwie auch mit
Genuss in einem Zug.

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