Sporting Braga vs. 1899 Hoffenheim
Die Unknall-Theorie
Singularität und Antrieb
Nun ist es, wie es ist. Und natürlich weiß man, dass es weitergeht. Und dank unseres Wissens und Möglichkeiten auch eine Vorstellung, wie, aber wirklich beeinflussen können wir das nicht. Wir können nur hoffen und beten, dass es so kommt, aber eine Garantie gibt es keine. Aber trotzdem lohnt es sich bei der Erstellung von Prognosen, also Vorhersagen über das Kommende, ganz genaue Analysen, also Aufarbeitung des Vergangenen, zu betreiben. Und wenn wir wirklich konsequent sind, reicht es nicht, sich die jüngste Vergangenheit zu Gemüte zu führen, was einem ja auch aufgrund der auch emotionalen Nähe gar nicht mal so leicht fällt, sondern es richtig von Anfang an zu betrachten. Wann also nahm das alles seinen Lauf?
13,8 Milliarden Jahre ist das nun her. Da tat es keinen Schlag, wie uns das Wort „Urknall“ suggerieren möchte, vielmehr entstanden Materie, Raum und Zeit aus einer ursprünglichen Singularität, also einem Zustand, bei dem die betrachteten Raumzeiten (u. a. deren Metrik) in einem einzigen Punkt oder einer komplizierteren Mannigfaltigkeit nicht mehr definiert werden können..
Nun hat die TSG bei Sporting Braga 3:1 verloren. Damit ist das Kapitel Europa beendet. Zwar gibt es in zwei Wochen noch den Epilog gegen Rasgrad, aber am Ausgang der Geschichte wird das nichts mehr ändern: Aus! Wir sind raus! … und das ist auch gut so.
Nicht, weil wir es an sich verdient hätten. Nicht, weil wir zu schlecht waren, auch wenn wir diese Begegnung völlig zu Recht verloren haben. Sondern im Hinblick auf die Zukunft des Vereins, denn dieses Ausscheiden hat zum einen allen (hoffentlich) wieder Demut gelehrt, denn es bewies die Richtigkeit des großmütterlichen Hinweises „Hochmut kommt vor dem Fall“ – und hochmütig waren nicht wenige vor einem halben Jahr, als nach der Partie gegen Augsburg am 20. Mai feststand, dass sich unser sympathischer Dorfklub #DasErsteMal für die Play-Offs zur UEFA Champions League qualifiziert hat.
Das war natürlich ein schöner Erfolg, aber letztlich war das schon ein Scheitern, denn nicht nur gewannen wir dieses Spiel nicht, was wir hätten mindestens tun müssen, um uns direkt mit Schützenhilfe für die Königsklasse zu qualifizieren. Auch aus eigener Kraft wäre es möglich gewesen. Wir hätten den Saisonabschluss halt nur mit 6:0 gewinnen müssen, was nicht wirklich zu erwarten war – ebenso wenig wie das letztliche Endergebnis 0:0.
Und auch, dass es eines solchen Kantersieges bedurft hätte, war unsere Schuld, denn in der Woche zuvor fehlte uns zwischenzeitlich nur ein Tor, um auf Platz 3 vorzurücken, doch statt unsere 5:0-Führung in Bremen nach 51 Minuten weiter auszubauen, ließen wir noch drei Gegentreffer zu.
Und wiederum eine Woche davor verloren wir, wenngleich begünstigt durch gravierende Fehlentscheidungen des Schiedsrichters, das Duell beim direkten Konkurrenten um Platz 3 mit 1:2.
Wir haben es uns also schon zum Ende der letzten Saison selbst schwer gemacht für den Verlauf dieser Saison, auch wenn die Qualifikation an sich etwas sehr Erfreuliches war. Aber … ein wirklich gutes Omen war ihr Zustandekommen – im Nachhinein betrachtet – nicht. Auch das dürfte erklären, warum die Feierlichkeiten über das Erreichen der besten Endplatzierung unseres Vereins und damit die Ausscheidungsrunde für die Champions League weitaus weniger enthusiastisch ausfielen als bei Mannschaften, die sich gerade mal so direkt für die weitaus auch finanziell unattraktivere Europa League qualifizierten.
Als dann die Play-Off-Auslosung an- und jeder mögliche Gegner feststand, begann die Hoffenheimer Hybris. Angetrieben von diesem Impuls des „Wenn schon, denn schon“ konnte es nur einen geben – und der lautete nicht FC Sevilla, ZSKA Moskau, SSC Neapel oder Sporting Lissabon, sondern es musste gleich der renommierteste sein: der Liverpool FC – was dem Fußballgott in bester „Willsch, kriggsch“-Manier gar keine andere Wahl ließ, als uns genau diesem Gegner zuzulosen – und das auch noch mit Heimspiel beim Hinspiel. Auch wenn an sich supergeil, auch nicht gerade ein super Omen, um dieses Endspiel um die UEFA-Millionen letztlich zu gewinnen…
Doch das war den meisten TSG’lern inkl. Fans egal. Sie berauschten sich am Namen des Gegners, der sie so groß machte, wie sie sich selbst sehen – und suhlten sich in nicht unähnlichem Wahn, obgleich tief drin die absolute Überzeugung fehlte – und was brachte das besser zum Ausdruck als Kramarics so überheb- wie kläglicher Kick gen Keeper.
Nicht nur das Spiel am 15. August, sondern noch präziser jener Elfmeter um 20.58 Uhr ist unsere Singularität, aus der sich alles weitere ergab. Kramaric hatte Raum, Zeit und kennt die Materie, aber es tat halt wie vor 13,8 Milliarden exakt vor 100 Tagen keinen Schlag. Es gab auch da keinen Ur-, sondern einen Unknall.
Überhaupt lieferte dieses Spiel die Blaupause für die Begegnungen der TSG in der Europa League. Optisch sehr ge-, hinten anfällig und am Ende zu wenig Zählbares, meist, wie in dem Spiel: eine Niederlage.
Zugegeben, in Braga war das anders, denn da lagen wir nach nicht einmal einer Minute mit 1:0 zurück, was aber in Anbetracht der Restspielzeit und der zweifelsfrei vorhandenen spielerischen Klasse unserer Mannschaft keine Katastrophe hätte sein müssen. Aber die Hybris kennt bei aller Verleugnung und Verdrängung keinen größeren Gegner als die grausame Wirklichkeit.
Gut, so sagte man sich, gegen den Traditionsklub von der Insel kann man mal ausscheiden – und das taten wir trotz einer phasenweise völlig missratenen ersten Halbzeit beim Rückspiel an der Anfield Road doch recht respektabel, dennoch werden wir in unserer europäischen Premierensaison Furore machen, schließlich wurden uns in der Wahrnehmung geradezu grotesk lächerliche (unattraktive) Gegner zugelost.
Wer bitte um in alles in der Welt ist denn schon Ludogorets Rasgrad oder Basaksehir Istanbul? Zugegeben, diese Teams sind vor allem zusammengekauft, aber das trifft bis auf uns und vielleicht noch den FC Bilbao, so ziemlich auf jede Mannschaft im Spitzenfußball zu, schlechter macht es sie nicht: Erstere sind seit sechs Jahren ununterbrochen bulgarischer Meister geworden und heuer erst in der 3. Runde in der Qualifikation zur UEFA Champions League ausgeschieden und letztere sogar, wie wir, in den Play-Offs (gegen den FC Sevilla), aber das alles, in der subjektiven Wahrnehmung, nichts gegen uns, zumal diese Vereine ja, ganz anders als wir, Vereine ohne Renommee, die ihre Existenz einem großen Förderer zu verdanken haben. Und Braga? Auch zusammengekauft, aber halt auch nicht schlecht: 2011 standen sie im Finale des UEFA-Pokals und letztes Jahr wurden sie portugiesischer Pokalsieger. Aber all diese Fakten, auch dass nur Basaksehir einen noch schlechteren Klub-Koeffizienten als wir hat, kümmerten die TSG/Fans nicht, waren wir doch in unserer Selbstwahrnehmung aka –überschätzung, ergo: Hybris der beste jener Clubs.
Daher war auch jedem klar, dass wir, auch wenn es bisher nicht so gut lief, dieses entscheidende Spiel gegen die Portugiesen gewinnen würden, zumal wir ja das Hinspiel wirklich höchst unverdient verloren hatten. Der Fußballgott (oder wer auch immer) wird es schon richten. Wenn er aber etwas richtet, dann eben jene, die nicht de-, sondern hochmütig sind. Und das waren wir.
Es ist nichts dagegen zu sagen, dass Julian Nagelsmann vor dem Spiel Zuversicht ausstrahlte und die der Fans nährt, indem er von seinem Top-Bauchgefühl sprach. Wir plädieren auch nicht dafür, dass er in Zukunft sich gastroenterologisch untersuchen lässt, bevor er an die Mikros tritt. Aber (musste ja kommen) wie bereits vor dem Spiel beim FC Liverpool hat er es vielleicht vor diesem entscheidenden Spiel damit etwas übertrieben. Und wie bereits ehedem war er auch diesmal mehr als sonst üblich angefressen und reagierte nach dem Spiel, als er trotz aller Vollmundigkeit mit leeren Händen dastand. (Jetzt, wo es so da steht, eigentlich fingerfood-buffetlogisch.) wie damals im August ungewöhnlich dünnhäutig auf Kritik an seiner Taktik und Aufstellung
Für unsere/seine Hater war das wohl eher ein Fest. Er, den man vor Wochen noch als sicheren Trainer beim FC Bayern ab der nächsten Saison sah, ist, aus deren Wahrnehmung, krachend gescheitert, was in mehr oder weniger deutlicher Häme zum Ausdruck gebracht wird, was aber vor allem auch Ausdruck der Angst derer ist, dass sie diese Marginalie heranziehen, um sich in ihrer Einschätzung – entweder, dass der Typ über- bzw. ihr Typ unterbewertet ist – bestätigt zu fühlen. Denn so wahr es ist, dass wir ein mieses Spiel hingelegt haben, bei dem aber mal bis auf die 15 Minuten vor dem zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer, so gar nichts funktionierte, so wahr ist es aber auch, dass wir in der Liga trotz der vielen Verletzten und englischen Wochen absolut top platziert sind. Spätestens wenn man sich anschaut, wie es in der Vergangenheit anderen Mannschaften erging – und auch in dieser Saison ergeht –, die in der EuropaLeague kicken, spricht nicht nur der aktuelle Platz 6 für uns, sondern vor allem der Fakt, dass uns gerade mal drei Punkte von Platz 2 trennen.
So gesehen hält sich also der Schaden durch das nun sichere Ausscheiden aus dem Wettbewerb sehr in Grenzen. Stand jetzt. Welche Nachwirkungen das auf die kommenden Begegnungen in der Bundesliga haben wird, werden wir alle sehen. Aber bisher ging es bei allem Mangel an Brillanz gut.
Außerdem werden wir so auch nie wieder spielen. Das von uns als 2-2-6 wahrgenommene System, mit dem wir einen Großteil der 2. Halbzeit bestritten, war einfach dem Umstand geschuldet, dass wir unbedingt ein Tor brauchten. Dass wir es dann auch erzielten, belohnte den Mut. Dass wir nach dem Ausgleich aber so weiterspielten, wurde nur wenige Minuten später bestraft, wo letztlich ein dämlicher, naiver Spielfreude geschuldeter Ballverlust am Strafraum der Hausherren, an welchem wir mit acht Spielern standen, den Konter zum erneuten Führungstreffer einleitete.
Dass danach die Portugiesen wieder von extremer Gravitionitis befallen wurden, dürfte niemanden überrascht haben. Natürlich war da dann auch kaum mehr an einen erneuten Ausgleich zu denken, schließlich braucht unser Spiel Lauf, Rhythmus, Routine.
Mit (Zeit-)Druck hingegen tun wir uns schwer. Die Folge (das 3. Tor der Gastgeber sowie die (nicht gerechtfertigte) Rote Karte gegen Szalai) waren eher galgenhumoresker Natur.
Doch immerhin: Wir haben uns bei unserer Europapremierensaison nicht lächerlich gemacht. Und die Mannschaft sollte sie auch unbedingt ernsthaft zu Ende bringen, d.h. das letzte Spiel gewinnen wollen. Da wird dann vielleicht Kobel im Tor stehen, aber sonst dürfte/sollte es keine gravierenden Änderungen im Kader geben, wobei das nicht einmal unbedingt auffallen würde, mussten wir doch in der relativ jungen Spielzeit bereits in den unterschiedlichsten Aufstellungen antreten. Doch die Aufstellung ist egal, wenn die Einstellung stimmt. In der letzten Partie in Europa in dieser Saison sowie in der nächsten in der Bundesliga, denn so ist ja alles andere als ausgeschlossen, dass in der nächsten Saison weitere Spiele in Europa folgen werden – auch wenn sich die Mannschaft aktuell noch im Kaum-Zeit-Kontinuum bewegt.
Überhaupt ist der (sogenannte) Urknall der beste Beweis dafür, dass wir an Dynamik gewinnen werden, nimmt die Expansion mit immer höherer Geschwindigkeit zu. Das vergrößert zwar das die einzelnen Sonnen, Planeten und Meteoriten umgebenden Nichts, aber andererseits rückt die Gefahr, in eine Schwarzes Loch zu geraten, in immer weitere Ferne.
Es gibt noch viel zu erreichen. Mit dem richtigen Antrieb (besser Warp als Wahn!!!) ist das aber kein Problem!
Energie!
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