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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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Schalke 04 vs. 1899 Hoffenheim

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Schatten und Dasein

Eine Reise in die Vergangenheit

Vor wenigen Wochen waren wir bereits ja schon mal da, aber da war vieles anders. Es war dunkel, kalt, nass. Es war unter der Woche und wir kamen auf den letzten Drücker, aber halt gerade rechtzeitig, um den nicht wirklich knappen Sieg im DFB-Pokal genießen zu können. Bei diesem Spiel war nun einiges anders, nicht nur wegen der Knappen Sieg.

Früh reisten wir an und das Wetter war herrlich. Strahlender Sonnenschein begleitete uns auf unserer Fahrt aus einer von Europas stärksten Wirtschaftsregionen der Gegenwart in eine der stärksten Wirtschaftsregionen der Vergangenheit. Dass diese Region das mal war, muss man allerdings wissen. Sehen kann man das nicht.

Wer sich für mehr als Fußball interessiert und so eine Auswärtsfahrt nicht nur unternimmt, um seinen Beitrag zu leisten, damit Tank&Rast und SaniFair prosperieren oder um die Hecken und Sträucher auf Autobahn-Parkplätzen durch Urinieren zu ruinieren, kann, sofern man dazu bereit ist, durch Hinsehen viel erkennen und daraus viel für sich selbst mitnehmen – an Erkenntnis. Punkte gab es ja keine. Was stehen wir gut da … (Und das ist nicht sportlich gemeint.)

Wir fuhren durch Straßen, die schlimmste Vorurteile über den abgewrackten Osten übertrafen, halt im Westen. Nun ist es ja nicht so, dass man das nicht weiß. Aber es ist schon etwas anderes, ob man es vor Ort oder vom Sofa aus sieht. Und aussehen, das sei ohne Häme, Wertung oder gar Überheblichkeit angemerkt, tat es nicht gut: „Industriegebiet XY“ ist in regelmäßigen Abständen auf großen Tafeln an großen Straßen mit großen Lettern zu lesen, viel mehr aber nicht, denn entweder befindet sich darunter nur ein kleines Schild, das auf ein dort aktuell ansässiges Unternehmen verweisen soll, oder die Verwitterung der Schilder lässt einen stark an der Nochexistenz der darauf genannten Unternehmen zweifeln.

Aber wenn man die Leute der Region kennen lernt, kommen einem auch berechtigte Zweifel an der deutschen Sprache auf bzw. an denen, die mit wohlfeilen Worten versuchen, die Wirklichkeit einer Wunschwelt anzupassen, denn was die Region nicht ist, ist das, wie man sie in Medien so gern wie falsch nennt: sozial schwach.

Das Gegenteil ist der Fall. Zweifelsohne ist die Region „wirtschaftlich schwach“, aber das mit „sozialer Armut“ gleichzusetzen, ist sehr überheblich und sehr perfide, denn es wird ein Zusammenhang zwischen Geld und Herz in einer Art hergestellt, als ob das eine das andere bedinge. Dabei ist es doch eher so, dass sehr, sehr oft das eine das andere auszuschließen scheint.

Selbstverständlich gibt es auch bei uns Menschen, deren finanzielle Mittel beschränkt sind, die arm sind, große Not leiden und nichtsdestotrotz (oder halt gerade deswegen) ein großes Herz haben und es geht hier auch nicht darum, eine Art Wettstreit um die Höhe der Bedauernswertigkeit des Einzelnen zu initiieren, sondern einen Beitrag zur „Faszination Fußball“ zu leisten: Wird diese bei uns doch eher theoretisch und segmentiert erfahren, wird sie dort gelebt, ohne dass es hierfür ein Schlagwort braucht.

Natürlich hängt es auch damit zusammen, dass dieser Sport so ziemlich das einzige ist, was den Menschen dort außer der Luft zum Leben geblieben ist, wobei sich die Situation der Luft im Gegensatz zu der der dortigen Vereine in den letzten Jahren erheblich verbessert hat, was ebenfalls beides in Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Region insbesondere dem enorm starken Rückgang der Schwerindustrie steht.

So ist es auch kein Wunder, dass das Spiel ausverkauft war, obwohl es nur gegen den Verein ging, der das Mittelfeld der Liga verkörpert, der aber einen Lauf zu haben schien und zuletzt sehr beeindruckende Heimsiege einfuhr (3:0, 4:1, 6:2) und auswärts zweimal nach einem Rückstand noch ein Unentschieden geholt hat, während die eigene Mannschaft die letzten beiden Spiele mit einem Torverhältnis von 2:11 verlor.

Es war also nicht ausgeschlossen, dass es kein erfreulicher Tag für die eigene Mannschaft (und damit verbunden: das eigene Seelenheil) werden würde, und dennoch war die Spielstätte, die in der Tat was von Parkhaus hat, was ja okay ist, passt das Gefühl doch zum Namen ihres Vorgängers, dem Parkstadion, voll.

Solidarität ist hier ein Wort, dort eine Selbstverständlichkeit.

Man stelle sich das umgekehrt vor: Wir hätten die beiden letzten Spiele mit 2:11 verloren, wir würden gegen eine Mannschaft spielen, von der für uns keine wie auch immer geartete Attraktivität u/o Brisanz ausgeht, die aber so gut spielt, dass sie der eigenen, durchaus mit großem Wohlwollen begleiteten Mannschaft die dritte deutliche Niederlage in Folge beibringen könnte, zumal sie das nur wenige Wochen zuvor ja auch in einem anderen Wettbewerb tat und man müsste die ganze Zeit fast im Dunkeln sitzen bei einer Akustik, als ob man in einem Flugzeugmotorentestlabor säße, 20, 30 € und noch mehr Euro dafür zahlen, während draußen kostenlos die Frühsommersonne scheint und die Vöglein ihre Frühlingslieder gratis tiriliieren. 20.000? 15?

Auch das, kein Vorwurf an irgendwen. Es soll nur verdeutlichen (vielleicht erkennt der ein oder andere nun den Sinn und Zweck der zugegebenermaßen etwas elegisch geratenen Einleitung), wie unterschiedlich ein Ergebnis bei sonst recht identischen Rahmenbedingungen sein kann.

Das war ja dann auch um 17.20 Uhr so.

0:4 verloren wir das Spiel, das wir wie im Dezember in Gelb bestritten. Aber sonst waren wir weder im Vergleich zu jenem Spiel noch zu denen der Vorwoche wiederzuerkennen: Wir waren lahm, wir hatten ein miserables Lauf- und Passspiel und es dem Gegner wirklich leicht gemacht.

Jedes Tor war ein Geschenk und hätten wir nicht den sonst dauergescholtenen Casteels im Kasten gehabt, es hätte auch doppelt so hoch ausfallen können.

Was hat der Mann alles gehalten? Das war wirklich höchst beeindruckend. Aber er war leider der einzige im Team, der an seine guten Leistungen der letzten Wochen anknüpfen konnte oder bei dem sogar eine Steigerung zu erkennen war, doch alle anderen bis auf Süle waren im Schatten des Arenendaches ein Schatten ihrer selbst.

Als das 0:1 fiel, waren beide Mannschaften noch im Einspielmodus. Alles ging doch sehr gemächlich und es hatte den Anschein, jedes Team versucht, ein paar Spielzüge zu testen, die in der Folge dann mit Herz und Tempo vorgetragen würden.

Auch das, was vor dem 0:1 passierte, war alles andere als gefährlich und eigentlich hatten wir den Ball auch wieder, so dass wir dran waren, jetzt unsere nächste Variante mal zu testen. So klärten wir den Ball, der allerdings sofort wieder zurückkam in einer Art, die die Vermutung nahelegte, der Gegner wollte uns den Ball zurückgeben, sodass wir unsere Variante noch einmal aufsetzen könnten.

Dieser Eindruck wurde durch die gegnerischen Stürmer noch verstärkt, die noch allesamt im Abseits standen und sich auch nicht wirklich beeilten, da raus zu kommen. Aber dummerweise geriet dieses „Zuspiel“ etwas zu hoch, zwar kam unser Verteidiger noch an den Ball, aber nicht dahinter. So rutschte er ihm über den Scheitel und so war es dann einfach für den Gegner, den Ball wieder vor unser Tor zu bringen, wo deren Mittelstürmer dann frei vor unserem Torwart stand, der fast noch an den Ball gekommen wäre, aber halt leider nur fast.

Willkommen im Spiel.

Die Mannschaft versuchte, auf diesen dämlichen Treffer zu reagieren und kam auch umgehend zu einer Chance, doch Modeste platzierte den Ball aus nächster Nähe, aber halt auch schwierigem Winkel neben die Maschen – und schon war das Spiel wieder im Antitranspirationsmodus.

Vielleicht war es diese Tse-Tse-Taktik der Hausherren, die keine Dynamik bei uns aufkommen ließ. Vielleicht war es auch die vor dem Spiel festgelegte Taktik seitens des Trainers, jedenfalls lief nach vorne gar nichts und nach hinten keiner.

Beim 2:0 nur kurze Zeit später reichte ein Stellungsfehler und die Klasse des Mittelstürmers der Gäste, der den Ball klasse traf, woraufhin jener nicht, wie in wohl 80% der Fälle knapp am langen Pfosten vorbei im Aus landet, sondern diesmal drin im Tor.

Als der Schiedsrichter dann gefühlte zehn Sekunden später Strafstoß für den Gegner pfiff und der doppelte Torschütze sich den Ball zurechtlegte, ertappte man sich plötzlich dabei, wie man darüber nachdachte, ob es nicht weiser wäre, nun aufzustehen, loszugehen, und sich etwas zu beeilen, dabei müsste man ja nur auf der Autobahn so agieren wie die Spieler auf dem Spielfeld bis dahin („Bleifuß“), und sich den Rest besser zu Hause in der Sportschau anzuschauen.

Doch dann kam es wieder zum Aufeinandertreffen von Hoch- und Demut. Der Mann, der wie die gerade abgeebbten Schallwellen des Stadionsprechers richtigerweise kundtaten, aus der 2. Chance den 2. Treffer markierte, glaubte, das Ganze mit links, genauer: fast aus dem Stand mit rechts machen zu können, was ihm aber nicht gelang, denn unser Keeper tat ihm nicht den Gefallen, sich für eine Ecke zu entscheiden. So blieb er stehen und der Elfmeterschütze im Grunde auch, obwohl er das nach den Regeln nicht darf, was Letzterem nur noch ein Schüsschen erlaubte, den unser Torwart locker abfing.

Spätestens jetzt, so war die Hoffnung, nach diesem so höchstarroganten wie höchstmisslungenen Versuch des Düpierens, wird die Mannschaft aufwachen, sich an das Spiel von vor zwei Wochen erinnern, und endlich anfangen, Fußball zu spielen. Und in der Tat hatten wir da auch eine Phase, in der man ernsthafte Bemühungen sah, Fußball zu spielen, aber ein jeder kann den „Hat sich bemüht“-Euphemismus dekodieren. Außerdem kamen die Hausherren noch zu einer weiteren 100%-und-mehr-Chance, die aber unser Torwart ebenso abwehrte wie die aus seiner Abwehr erwachsenen 100%-und-noch-mehr-Chance.

Noch so ein Wachrüttler hoffte man, zumal es jetzt mit der Sportschau eh nicht mehr klappen würde.

Im Grunde blieb es aber bei Krampf. Statt Mittelfeldspiel gab es lange Bälle vorn auf den langen Kerl, der damit aber nichts anfangen konnte oder falls doch, stand er im Abseits.

Kampf gab es nur in einer Szene in der ersten Halbzeit und die gegeneinander. Sieger durch technischen K.O. bei diesem Aufeinanderprall war Polanski. Strobl kam zwar nochmal aufs Spielfeld, aber blieb in der 2. Halbzeit in der Kabine wegen Gehirnerschütterung. Das ist natürlich nicht lustig, dass es den jungen Mann und dann auch noch vom eigenen so erwischt hat, aber wir tippten schon zu Mitte der ersten Halbzeit darauf, dass er zur zweiten eh nicht kommen würde.

Dabei gab es natürlich nur weitere Spieler, die noch weiter von ihrer zuletzt gezeigten Form entfernt waren als Strobl, aber er spielte nun mal gegen den besten Angreifer der Gastgeber, so dass sich seine Fehler einfach dramatischer auswirkten, als Becks Einwürfe zum Gegner, Rudys D-Jugend-Pässe, Johnsons Fehlpässe, Modestes Stolperaktionen. Volland hielt auch kaum einen Ball länger als drei Sekunden am Fuß und Firmino hatte mit dem Spielgerät auch ein echtes Beziehungsproblem an diesem Tag, was man über Polanski nicht sagen konnte, denn er und der Ball hatten gar keine Beziehung. Außer den beiden Körpereinsätzen, die einmal den Elfmeter und dann die Gehirnerschütterung zur Folge hatten, fiel er gar nicht auf, so dass wir uns fragten, ob jetzt er oder der Schiedsrichter nach 90 Minuten mehr Ballkontakte hatte. Gewettet hätte darauf keiner …

… auf ein neues Auftreten der Mannschaft nach dem Seitenwechsel schon und so kam es dann auch: Vestergaard für den weniger angeschlagenen, als angesprungenen Strobl sowie für Herdling Salihovic, der zur großen Verwunderung nicht in der Startelf stand, was aber zur noch größeren Verwunderung nicht der Trainer, sondern er so wollte, da er sich nach dem Länderspiel am Mittwoch für sein Heimatland nicht fit fühlte. Das muss man respektieren, aber es kann einen auch verwundern und frohlocken lassen, dass wir hochwahrscheinlich nach dieser Kleinklatsche auch in der nächsten Saison donnerstags nicht irgendeinen subalternen Privatsender einschalten und den alten Diercke-Atlas rauskramen müssen, um zu erfahren, wo unsere Mannschaft überhaupt spielt.

„Da geht noch was“, war denn dann auch der Tenor in der Halbzeit und fand gute Beispiele zur Unterstützung dieser Prognose, die aber in die Hose ging, denn wir kamen im Pott einfach nicht in die Pötte.

Auch wenn es nicht lange so stand, hatten wir ja beim 0:0 große Probleme, das Spiel zu machen, was wohl die Trainertaktik war. Gegen ein 0:2 wurde das aber gerade in Kombination mit der Tse-Tse-Taktik der Gastgeber ein Ding der Unmöglichkeit.

Natürlich ist es im Nachhinein immer einfach, pseudoklug daherzuschwadronieren, aber uns erschloss sich nicht, warum wir nicht bieder in 4 – 4 – 2 oder 4 – 1 – 4 – 1 angetreten sind. Die Gastgeber hatten was gut zu machen, sie mussten kommen, statt dessen konnten sie kontern und das taten sie auch weiterhin und dann auch das 0:3 durch einen Ex-Hoffenheimer, über den zwar schon in der ersten Halbzeit viel lief, aber kaum was bei rauskam, so dass man ihn eigentlich so gar nicht auf der Rechnung hatte, aber dann halt den dritten Gegentreffer.

Von da an wurde es noch zäher. Wer schon einmal eine Wand gestrichen hat und dabei zusah, wie die Farbe trocknete, bekommt ein Gefühl fürs Spiel.

Zwischendurch gab es erneute Großchancen für die Gastgeber, die Casteels allesamt grandios hielt, nur noch mal zum Ende hin, als man sich seitens unserer Defensive, besser: Passive wohl dachte, hier an gleicher Stätte gibt es im Winter  Biathlon, warum nicht im Frühling Slalom, und der Gegner durch die Stangen, unsere Langen, wedelte, halt mit Ball anstatt mit Brett unterm Fuß, hatte er dann ebenso wenig Chance, den Ball zu halten, wie der Gegner Mühe, den Ball zum für ihn dritten, insgesamt zum vierten Mal über die 8-Yard-Linie zu bringen.

Fairerweise holten die Gastgeber in der zweiten Halbzeit jeden vom Feld, der noch ein Tor schoss, was an dem Tag auch gewiss half, dass es bei einer Kleinklatsche blieb.

Der Vollständigkeit halber: Früh in der 2. Halbzeit wurde auch Schipplock für Modeste eingewechselt, aber auch das brachte nichts für dieses, nur fürs nächste Spiel. Schipplock bekam seine 5. gelbe Karte in der Saison und hat damit nächsten Samstag frei.

Als Schluss war, war man froh. Raus aus diesem Schattendasein. Raus in die Sonne, wieder ans Licht. Wieder 0:4, wieder war die Stimmung gedrückt. Allerdings nicht so schlimm wie zu Beginn der Rückrunde, obwohl das Ergebnis identisch ist mit dem des ersten Rückrundenspiels. Waren wir Ende Januar eher Opfer unserer eigenen Überheblichkeit, waren wir in den Iden des März zwar bemüht (siehe oben), aber schlicht schlecht, was verzeihlich ist, denn das kann immer mal passieren und außerdem folgte meist auf ein solches Spiel ein tolles Spiel, was wiederum Hoffnung macht.

Bleibt zu hoffen, dass dies auch die Menschen in der Region so sehen und das fußballerisch schwache Handeln der Mannschaft an diesem Wochenende durch sozial schwaches Nichthandeln (= Fernbleiben) nächste Woche quittiert, sondern sie durch ihre Präsenz der Mannschaft genau jenes Gefühl geben, das die Fans der Hausherren ihrer Mannschaft nach viel schlimmeren Ergebnissen mit zum Teil übleren Konsequenzen gaben:

Wir glauben an euch!

Und es hat ja funktioniert. Also all das möge nun Ansporn genug sein, jetzt schon die Vorhänge zu waschen, die Begonien zu pflanzen, und die Wasserkästen heute schon hochzutragen, so dass es Samstag keine Ausrede gibt.

(Bildquelle: Uwe Grün, Kraichgaufoto)

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