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SC Freiburg vs. 1899 Hoffenheim

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Der Sieg der Geduld

Das etwas andere Spektakel

Das war Freude pur.

Das war eine Augenweide.

Nein, das Spiel nicht, aber das Tor, das zum hoch verdienten Unentschieden führte, das war es. Und obwohl es ein Mannschaftsspiel und eigentlich völlig egal ist, wer zuletzt den Ball vor dem Überqueren der Torlinie berührt, traf sowohl der Richtige als auch den Richtigen.

Anthony Modeste, zusammen mit Sven Schipplock, eingewechselt nach der sehr unglücklichen Führung der Heimmannschaft, erzielte sein erstes Tor in einem Ligaspiel seit September.

Damals war die Welt in Ordnung. Zu Beginn der Saison traf er regelmäßig und alle waren mit dem Einkauf sehr zufrieden. Doch irgendwann hatten sich die Gegenspieler auf ihn und seine Stärken eingestellt und die Schwächen seines Spiels wurden offenbar.

So verlor er erst seinen Stammplatz und nachvollziehbarerweise sein Selbstvertrauen. Mit jedem Einsatz als „Joker“ wurde der Druck höher, ein Tor zu erzielen. Es gelang ihm nicht. Schlimmer noch, die Chancen, die sich zum Teil für ihn ergaben, vergab er dann auch in sehr aussichtsreicher Situation, was sich wiederum alles andere als positiv auf sein ohnehin schon angeschlagenes Selbstbewusstsein auswirkte.

Gewiss wäre es theoretisch am besten gewesen, wenn man ihn dennoch immer wieder in die Startelf  gestellt hätte, aber es ist ein Mannschaftssport und der Erfolg des Ganzen ist wichtiger als individuelles Wohlgefühl. Und das gilt sowohl für Spieler als auch für Zuschauer und Medien.

Letztere fanden wenig lobende Worte für das Spiel, wofür man sogar Verständnis haben kann, schließlich verkauft sich ein Spektakel besser, bei dem das Spiel einen hohen Eishockey-Charakter hat: harte, schnell Pässe, Zweikämpfe, Positionswechsel, ein stetes Hin und Her sowie viele Torraum-Szenen.

Das bot das Spiel die meiste Zeit wahrlich nicht, was aber leicht zu erklären ist. Erstens: Es ist kein Eishockey. Zweitens ging es in diesem Spiel, bei der Tabellenkonstellation sowohl der beiden Mannschaften als auch der Gesamtsituation in der unteren Hälfte des Tableaus, in erster Linie darum, nicht zu verlieren.

Dass die Medien dafür kein Verständnis haben, muss man nicht gut finden, aber letztlich ist es ihnen ja egal, wer da spielt und worum es den Mannschaften geht, ihnen geht es um Quote und tolle Bilder. Auch dass der neutrale Zuschauer lieber einer traumhaften Show denn einem nüchternen Spiel beiwohnen möchte, ist nachvollziehbar. Verwirrend nach wie vor ist das Faszinosum namens Fan.

Von ihm müsste man doch erwarten können, dass er das Spiel in einen größeren Kontext stellt. Dass er berücksichtigt, dass Dauerregen und ein entsprechender Rasen unserem idealen Spiel nicht zuträglich ist, während es insgesamt dem doch eher kämpferischen als spielerischen Charakter der Heimmannschaft entgegenkommt, die ja an dieser Stelle gegen den alle und alles dominierenden Tabellenführer einen Punkt holte und gegen den aktuellen Tabellenzweiten gewann.

Dazu kommt, dass wir uns in der Vergangenheit, um es mal sehr euphemistisch auszudrücken, sehr schwer gegen Mannschaften taten, die primär auf Kampf setzten, und auch die Konzentrationsdauer der Mannschaft insgesamt nicht mit der Dauer des Spiels übereinstimmte, was zu entsprechend vielen Gegentoren führte.

Und bisher ließ die Rückrunde noch keinen wirklichen Schluss über den Zustand der Mannschaft zu. Das erste Spiel war ein Konzentrat der Defizite der Hinrunde, das zweite erheblich besser, allerdings gegen einen schwachen Gegner mit einem großen Namen.

Das war gestern genau umgekehrt. Die Gastgeber stehen nach wie vor im Ruf des Underdogs, was beweist, wie gering der Einfluss von relevanten Fakten auf die Reputation ist: kleine Stadt, kleines Stadion, auch schon mal mal ab- und wieder aufgestiegen, fertig. Ignoriert wird, dass sich das Team aber auch schon mehrfach für europäische Wettbewerb qualifiziert hat, wie auch im Vorjahr. Zudem die bereits oben erwähnten Ergebnisse gegen die aktuell Besten der Liga in dieser Spielzeit zeigen, dass sie definitiv kein „Unterhund“ sind.

Das mag dem Selbstverständnis des ein oder anderen Fans missfallen, aber das sind die Fakten. Zudem haben sie eine positive Bundesliga-Bilanz gegen uns. All das gilt es zu berücksichtigen und zu respektieren, bevor man das Spiel in einer Art bewertet, gegen die der Frust von kleinen Kindern, denen der Weihnachtsmann nicht alle ihre Wünsche erfüllt hat, fast schon intelligent wirkt.

Es war kein Augenschmaus. Es war kein Fußballfest. Es war ein Fußballspiel, bei dem es um viel ging und in dem unserer Mannschaft viel gelang, was sich sehr schön an der Anzahl der Torschüsse der Gastgeber in der ersten Halbzeit dokumentiert: einer.

Offiziell brachten wir es auf sieben oder acht, von denen nur einer wirklich gut war und auch derart knapp, dass nicht wenige glaubten, da der Ball auch von der Tornetzhaltestange hinters Netz sprang, der Ball wäre drin gewesen. (Und klar kam dann kurzzeitig noch einmal das Thema „Phantomtor“ auf und der Spruch der „ausgleichenden Gerechtigkeit“, aber dass der Quatsch ist, hatten wir ja bereits letzte Woche dargelegt.)

So standen sich in der ersten Halbzeit zwei Mannschaften gegenüber, die hohen Respekt voreinander hatten und eine klare taktische Vorgabe, die sehr zum Unbill der Medien aufging. Keine Mannschaft war so doof, blindlings anzulaufen und dann in einen Konter zu rennen. Und die Gefahr war bei den Mannschaften und vor allem dem Boden ja jederzeit gegeben.

So ging spielerisch im Grunde fast nichts. Oft versuchten wir es mit längeren Bällen, aber nur 10% dieser hohen Bälle kamen in der Offensive an, da die Gäste sehr eng verteidigten. Die einzige Chance, den Abwehrriegel der Gastgeber zu knacken, wäre schnelles und präzises Passspiel gewesen, aber jeder, der schon einmal Fußball auf einem nassen Rasen gespielt hat, weiß, das dies sehr, sehr schwer und konditionsraubend ist.

Aber wir versuchten es, auch wenn Rudy und Salihovic alles andere als schnell spielten, und schon gar nicht nach vorne, aber immerhin konnten sie ihn meist behaupten, was man ja auch schon schlechter sah in der Saison bei besseren äußeren Rahmenbedingungen.

In der zweiten Halbzeit ging es peu à peu besser. Auch wenn das Spiel von seiner ganzen Anlage schon früh auf ein 0:0 hindeutete, kam dann so langsam die Hoffnung auf, dass wenn wer in dieser Partie ein Tor schießt, dann wird das unsere Mannschaft sein.

Sie war es nicht. Ein langer Ball genügte und der Angreifer der Gäste entwischte Strobl, lief allein auf Casteels zu, der stehenblieb und die kurze Ecke zumachte, was auf dem Boden und der tendenziellen Neigung von Stürmern in solchen Situationen, einen Elfmeter und evtl. einen Platzverweis zu provozieren, so doof nicht war. So kam sein Pass nach innen, der ansonsten wirklich nicht nur körperlich überragende Süle und der ruhig und solide spielende Beck zu spät, die Gastgeber führten.

Strobl hatte sich verschätzt. Und wahrscheinlich wäre dieser Treffer auf trockenem Grund nicht gefallen, doch dadurch, dass er aufdopste, nahm er Fahrt auf, wie auch Strobls Gegenspieler – und dann hatte unser Verteidiger natürlich keine Chance mehr.

Diese Szene zeigt die Richtigkeit der beliebten Plattitüde, dass auf diesem Niveau im Fußball, auch wenn das den Akteuren in diesem Spiel immer wieder abgesprochen wurde, jeder Fehler sofort bestraft wird.

Bis dahin hatten die Gäste keine echte Torchance. Dann aber gleich mehrere, denn das Tor brachte Bewegung ins Korsett der Taktik. Gisdol vollzog den eingangs erwähnten Doppelwechsel, wofür Rudy, der sich die 5. gelbe Karte abholte, und der überzeugende Herdling den Platz verlassen mussten.

Dieser Wechsel brachte zuerst einmal außer Unordnung gar nichts. In dieser Phase der Umstellung hatten die Gastgeber ihre besten Chancen. So vergaben sie aus zum Teil extrem aussichtsreicher Position kläglich, trafen einmal den Pfosten und scheiterten in einer erneuten 1:1-Szene an Casteels, der mit einem sagenhaften Reflex einen größeren Rückstand verhinderte und damit die Mannschaft im Spiel hielt.

Vorne ging bei uns auch erst weniger. Firmino, der oft allein auf weiter Flur stand, Volland, der fast die ganze Zeit gut abgeschirmt wurde, Schipplock mit seinem kraftaufwändigen Stoßspiel sowie Modeste, der doch eher über den Raum kommt, hatten auch große Probleme in der Zuordnung.

Vielleicht war es das oder die Angst vor der Niederlage, was Gisdol bewog, auch noch Verstergaard gegen Abraham einzuwechseln. Auch wenn der Argentinier schon souveränere Spiele gezeigt hat, kam der Wechsel doch überraschend. Polanski hatte zwar auch ein ordentliches Spiel gemacht, aber das Abräumen hätten wir auch unserem Dänenhünen zugetraut, wenn er ihn denn unbedingt bringen wollte. Stichwort: Eckball. Und Salihovic ließ er wohl für die anderen beiden Standardsituationen auf dem Platz.

Einen Eckball gab es nicht mehr, aber dennoch großen Grund zum Jubel. Wie schon so oft in dieser Saison war es eine dieser Ballstaffetten, wo der Ball von einer Seite mit einer Passfolge von drei vier kurzen, direkten Zuspielen zur anderen Seite gespielt wird. Eigentlich ein Klassiker aus dem Handball, mit dem man versucht, am Kreis einen Angreifer freizuspielen.

So kam der Ball dann letztlich über Schipplock auf Modeste, der aber alles andere als frei, dafür zumindest mal nicht im Abseits stand, dafür zwei, drei Gegenspieler in seiner Nähe. Das Zuspiel war nicht megapräzise, aber Modeste kam mit seinem rechten Bein an den Ball, von wo aus er eher zurücksprang. Mit langen Beinen versuchten die Gegenspieler den Ball zu blockieren, doch Modeste fuddelte nicht, sondern schoss sofort mit links lang ins linke Eck, wofür der Lange auch groß gefeiert wurde.

Ein schönes Tor und eine große Szene, zeigt sie doch den Charakter der Mannschaft, die Freude, die Gemeinsamkeit. Nicht nur, dass, sondern vor allem, wie sie ihn umarmt und geherzt haben, tat dem Mann, bei dem der Name ja geradezu Programm ist, gewiss gut.

Es wird ihn so schnell nicht technisch besser machen, es wird wohl nicht dafür sorgen, dass er den Ball besser annehmen und weiterspielen wird können, dass er weniger schnell hinfällt und weniger oft im Abseits steht, aber dass er sich einfach besser fühlt und dadurch eine weniger modeste Spielweise an den Tag legt und wieder souveräner und selbstbewusster wird.

Natürlich wäre es noch schöner gewesen, die Mannschaft hätte in den letzten paar Minuten das Spiel noch drehen können. Und sie wollte es auch, aber blieb ruhig genug dabei, nicht erneut in einen blöden Konter zu laufen.

1:1 am Ende. Den Abstand gegen einen Tabellennachbarn gewahrt und vor ihm geblieben. Die Nerven behalten. Geduldig gespielt. Funktional.

Auch das ist Jugendstil: die Ablehnung der Nachahmung historisch überlieferter Formvorbilder. Seine eigenen Weg gehen. Idealerweise mit Schwung und Witz, aber immer mit der Forderung nach Funktionalität, wobei aber die Funktionen einer Konstruktion ihre Gestaltung sichtbar bestimmen sollten. Nicht die Symmetrie bestimmt das Erscheinungsbild, sondern die sich aus dem Grundriss entwickelten Raumvorstellung.

Tjaha, wer hätte gedacht, dass Kunstgeschichte und Fußball so viel miteinander zu tun hätten, wenn man den Begriff richtig zu nutzen weiß?

Das aber kann man wohl von Sportmoderatoren nicht unbedingt erwarten. Lieber nehmen sie das ihnen bekannte Wort, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass hier die beiden Mannschaften mit dem niedrigsten Altersdurchschnitt gegeneinander spielten.

Wahlweise nutzen sie ja auch gerne „junge Wilde“, auch unwissend, dass dieser Begriff vor allem durch die Kunstgeschichte bekannt wurde, wenngleich er eigentlich auf eine Gruppe junger Physiker zurückgeht, die sich der Quantenmechanik widmeten, womit wir bei noch einem seltsamen Wort wären, was in einem an sich seltsamen Zusammenhang gebraucht wird: Quantensprung.

Oft gemeint im Sinne eines riesigen Fortschritts, wobei es ja eigentlich nichts gibt, was eine kürzere Distanz zurücklegt als der Übergang von einem quantenmechanischen Zustand in den anderen.

Immerhin so gesehen war das Spiel ein Quantensprung: eine etwas bessere Ordnung, eine etwas bessere Abwehrleistung, eine bessere Einstellung zum Kampf, etwas mehr Geduld.

Mögen die Fans diese auch mal mitbringen und weitere Quantensprünge folgen.

Wir sind und bleiben da gerade nach diesem wahrlich nicht schönen, aber unter realistischer, fairer Berücksichtigung aller Faktoren guten Fußballspiel sehr zuversichtlich, dass wir in Zukunft auch wieder über mehr als ein Tor und einen Punkt und auch so manche Augenweide werden jubeln können.

(Bildquelle)

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