Hertha BSC vs. 1899 Hoffenheim
Sackgedicht.
Der Herbst – die Hoch-Zeit Hoffenheims
Der Sack.
Wen meinen wir wohl damit?
Ibisevic, der ständig gallig und giftig auf dem Spielfeld agierte und mit seinen Provokationen versuchte, Aktionen und Reaktionen unserer Spieler zu triggern, um ihm und seinem neuen Team einen Vorteil gegenüber dem Team zu bringen, dem er überhaupt seine Bekanntheit zu verdanken hat?
Nein.
Den Capo der Berliner Ostkurve, der (wohl) verantwortlich war für die mehrfach erschallenden Beleidigungen gegenüber Herrn Hopp, die wohl auch und vor allem in der Anzeige Herrn Hopps gegenüber einigen wohl aus diesem Milieu entstammenden Personen wegen Beleidigungen mitbegründet war, was in mehrfacher Hinsicht dümmlich zu nennen ist, denn das führt….
- … schlimmstenfalls zu weiteren Anzeigen und im Falle einer Verurteilung zu Geldstrafen von mehreren tausend Euro für die einzelnen Personen sowie einen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis, was ja dann von Nachteil ist, wenn man einen normalen Job haben oder gar solide, legal Karriere machen will.
- … mit Sicherheit zu einer Geldstrafe durch den DFB gegen den Verein (auch wenn in der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB, Punkt 9 in dem Strafzulassungsleitfaden der Richtlinie für die Arbeit des DFB-Kontrollausschusses in sportgerichtlichen Verfahren gegen Vereine und Kapitalgesellschaften lediglich „Unsportliche Botschaften (je Banner, Transparent o. Ä.“ aufgeführt sind. (Sie schlagen bei bis 3 qm mit 2.000 €, größere mit 8.000 qm zu Buche.)
- … zu einem Verständnisproblem – zumindest bei uns, denn war es nicht die Hertha, die 2014 mit dem New Yorker Investor (wahlweise: eine „Heuschrecke“) KKR ins Boot holte (Gesamtvolumen 61,2 Mio. €), deren Anteile sie jetzt zurückkaufte und nun einen Deal mit Lars Windhorst abschloss, dessen Firma Tennor für 37,5% der Anteile dem Verein 125 Mio. zukommen ließ und noch diese Saison weitere 100 Millionen Euro fließen sollen, womit sein Anteil auf 49,9% steigen würde? (Quelle)
Andererseits ist auch die Hertha ein Verein, wo es seitens jener „Fans“ mehr als nur Widerstand in puncto Offenheit gegen Investoren gibt. Kaum hatte sich Paul Keuter, Mitglied der Geschäftsleitung bei Hertha BSC, gegen traditionelles Denken von Fußball-Fans unter anderem in der Diskussion um die 50+1-Regel ausgesprochen, wurde sein Haus beschmiert. Sogar das LKA ermittelte. Die Ermittlungen gingen gegen „Unbekannt“ – das entspricht auch unserer Kenntnis des Ausgangs der Emittlungen. Natürlich hatten seine Kollegen diese Tat verurteilt, die Schmähungen gegen Dietmar Hopp hat Herr Preetz immerhin gerügt: «Ich hätte mir gewünscht, dass wir da andere Szenen gesehen hätten in der Kurve. Ich finde, dass das da nicht hingehört», zitiert ihn welt.de.
Auch nicht. (Also den Capo.)
Den Schiedsrichter? Zu ihm hatte sich Herr Preetz auch geäußert: „Ich hätte mir für dieses hochklassige Spiel auch eine dementsprechende Schiedsrichterleistung gewünscht. Er hat für meinen Geschmack über 90 Minuten überhaupt kein Gefühl für die Bewertung von Zweikampfszenen gefunden und zentrale Fehler gemacht.“ Nun wird Fußball oft mit Essen verglichen („fades Spiel“, „Hausmannskost“, „schwer im Magen“) und natürlich ist vieles Geschmackssache, aber ein Schiedsrichter sollte nicht nach gusto entscheiden – und das hat er nicht.
Also wieder „Nein!“
Den/Die Sky-Kommentatoren, der/die wirklich zeigte/n, dass es nur noch einen Bereich im kompletten Business Bundesliga gibt, die noch ewiggestriger ist als jene „Fans“ – und das sind (Sky-)Sportkommentatoren? Während sich ganz ohne Quote und Gedönse eine neue Generation Spieler wie auch Trainer entwickelt hat, die ohne Grasfresserrhetorik oder Schulhofschlägervokabular, dafür sachlich und fachlich zu Sachen Stellung nehmen, die ihnen missfallen (wie z. B. Herr Preetz (s.o.)), ist bei jenen Menschen die Lust an der Agitation zur Eskalation weitaus größer als die der Information. Diese nicht selten sehr einseitige Emotionalität in ihrer Berichterstattung, ihrem Vokabular ist schon beängstigend, zum Teil. Natürlich muss man das Rad nicht so weit zurückdrehen wie zu der Zeit, in denen die Menschen am Mikrofon wenig und dann auch meist nur den Namen des Spielers nannte, der gerade am Ball war, aber es wäre allemal besser, als unsachliche und sich über einen nicht allzu langen Zeitraum widersprechendem Geschwätz zuzuhören. So wird von ihnen prinzipiell „Schauspielerei“ verurteilt, auch aus jeder Kleinstberührung machen sie ein „grenzwertiges Foul“, proklamieren irgendwas mit „Männersport“ (wobei sich Fußball ja längst zu einem Schwiegersöhneschaulaufen entwickelt hat), aber springen aus dem Sessel und sprachlich zwei Oktaven höher, wenn sie feststellen „Da gab es einen Körperkontakt. Zudem legen sie mit super Zeitlupen und Standbildern und Einzeichnungen einen Maßstab an Präzision zugrunde, den man sonst bestenfalls im CERN findet, während sie selbst sprachlich höchst ungenau ag(it)ieren. Und last but not least propagieren sie ein möglichst wildes Spiel („Spektakel“, „mit offenem Visier“, „frei von taktischen Vorgaben“), fangen aber nach zwei Niederlagen in Serie an, den Trainer in Frage zu stellen. Das alles hat weit mehr mit Agitation zum Wohle der Eskalation als schlicht mit Information zum Wohle der Information zu tun.
Also wäre es auch da mehr als nachvollziehbar, wenn der ihn/sie als „Sack“ meinen würden, aber auch da: „Nö!“.
Es ist ganz einfach, wir meinen es wörtlich. Genauer nämlich. Ganz genau:
Wir meinen den Sack…
Gustav Sack.
Denn er, der deutsche Schriftsteller, Dramatiker, Lyriker lebte von 1885-1916. Sein Werk wurde aber (der ein oder andere kennt das von Frank Kafka) erst nach seinem Tode bekannt. Gustav Sacks Max Brod war seine Frau Paula.
Kurzer Einschub:
Max Brod war der Freund, den Franz Kafka in seinem Testament anwies:
„Liebster Max, meine letzte Bitte: alles was sich in meinem Nachlass (also im Bücherkasten, Wäscheschrank, Schreibtisch zuhause und im Bureau, oder wohin sonst irgendetwas vertragen worden sein sollte und Dir auffällt) an Tagebüchern, Manuscripten, Briefen, fremden und eigenen, Gezeichnetem u.s.w. findet restlos und ungelesen zu verbrennen, ebenso alles Geschriebene oder Gezeichnete, das Du oder andere, die Du in meinem Namen darum bitten sollst, haben. Briefe, die man Dir nicht übergeben will, soll man wenigstens selbst zu verbrennen sich verpflichten.“
Gewiss gibt es einige, die finden, das hätte er ruhig mal beachten sollen. Wir zählen nicht dazu, dafür Kafkas zu den ganz großen Werken deutscher Sprache.
Gustav Sacks Werke wurden also ebenfalls alle erst posthum veröffentlicht, aber erlangten nie den Rang von Kafkas Schaffen, auch wenn sie von den ganz großen Namen damals hoch gelobt wurde: Erich Maria Remarque, Thomas Mann, Theodor W. Adorno fanden großen Gefallen an seinem Werk, das ihm immerhin den Ruf einbrachte, einer der wichtigsten Vertreter der expressionistischen Literatur in der Frühphase des 20. Jahrhunderts gewesen zu sein.
Doch allein an der Unkenntnis des Namens erkennt man, dass ihm das alles nichts gebracht hat. Liegt vielleicht aber auch am Genre. Natürlich steht im (ehedemen) Land der Dichter und Denker Literatur hoch im Kurs, aber Expressionismus ???
Expressionismus – das ist nicht gefällig, würde aber thematisch ganz gut in die Zeit passen, denn die Themen, mit denen sich der Expressionismus in der Literatur befasste waren Krieg, Großstadt, Zerfall, Angst, Ich-Verlust und Weltuntergang sowie Wahnisnn, Liebe, Rausch und die Natur.
Klingt nach heute – ist aber über 100 Jahre her.
Und die Form war anders. Damals wurde die bürgerliche Ästhetik durch eine ‚Ästhetik des Hässlichen‘ zurückgewiesen; wie keine andere literarische Bewegung zuvor machen die Expressionisten das Hässliche, Kranke, Wahnsinnige zum Gegenstand ihrer Darstellungen – schreibt wikipedia.
Und was schreibt Sack? Das vielleicht beste Gedicht zu der fast schon traditionsgemäß besten Zeit der TSG in der Bundesliga …
Der Herbst
3 Siege in Folge. Erst bei den Bayern, dann gegen Schalke und nun gegen die Hertha. Wahnsinn! Wahnsinn! Wahnsinn! Hatten wir das schon mal?
Ja, und nicht nur einmal. Unser Rekord liegt in der Saison 2007/08. In der 2. Bundesliga brachten wir es auf sieben Siege am Stück:
- 18. Spieltag bei SV Wehen Wiesbaden (2:0)
- 19. Spieltag gegen Borussia Mönchengladbach (4:2)
- 20. Spieltag bei 1860 München (1:0)
- 21. Spieltag gegen den SC Freiburg (2:0)
- 22. Spieltag beim VfL Osnabrück (3:0)
- 23. Spieltag gegen den SC Paderborn (1:0)
- 24. Spieltag gegen Erzgebirge Aue (1:0)
Und in der Bundesliga sogar liegt unser Rekord bei zwei Handvoll mit maximaler Punktausbeute. Zuerst gelang uns dies in unserer Sensationshinrunde nach dem Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse 2008/09.
Diese Serie begann am Samstag nach der legendären 5:4-Niederlage in Bremen am 4. Oktober (Wenn jemand Lust hat, wikipedia auf das falsche Datum hinzuweisen? Dort steht es nämlich falsch.)
- 7. Spieltag gegen Eintracht Frankfurt (2:1)
- 8. Spieltag bei Hannover 96 (5:2)
- 9. Spieltag gegen den HSV (3:0)
- 10. Spieltag beim VfL Bochum (3:1)
- 11. Spieltag gegen den KSC (4:1)
und endete am 9. November mit einer 1:0-Niederlage bei der Hertha aus Berlin.
Und auch 2016/17 gingen wir fast ein halbes Dutzend Mal hintereinander siegreich vom Platz:
- 5. Spieltag gegen Schalke 04 (2:1)
- 6. Spieltag beim FC Ingolstadt (2:1)
- 7. Spieltag gegen den SC Freiburg (2:1)
- 8. Spieltag bei Bayer 04 Leverkusen (3:0)
- 9. Spieltag gegen Hertha BSC (1:0)
Danach „riss der“ Faden – 1:1 in München 🙂 Auch hier fällt der Zeitraum auf: 25. September – 5. November – und genau da stehen wir jetzt auch – und auf Platz 10, was nicht toll klingt, aber nur 5 Punkte hinter Platz 1, was klasse klingt und einen in Anbetracht der kommenden Gegner (Paderborn und Köln) nicht übermütig werden lässt, aber hoffnungsfroh stimmt, dass es punktemäßig mehr und tabellenplatzmäßig weniger wird.
Aber ist es nicht irre auffällig, dass, just in jene Jahreszeit, in der die Blätter fallen, wir wachsen, zum Teil sogar über uns hinaus.
Wenden wir uns also nun endlich dem Sack-Gedicht zu:
So komm, du wilder West,
und sing geheimnisvoll und runenkundig
in meinen Kiefern und Wacholderbüschen
das uralt düstere Jahreslied des Todes!
Damit kann er doch nur prophetisch Alfred Schreuder gemeint haben. Er kommt aus dem Westen und er spricht eine Sprache, die uns fremd anmutet. Waren wir zuvor Aussagen mit süd-östlichem Beiklang und starker Stimme gewohnt, so kam nun Ruhe in die Räume, die er betrat (und anfangs auch jene, die er bespielen lassen wollte), Ruhe und sanfte Ironie, denn wie oben dargelegt, wenn der Herbst was für Hoffenheim ist, dann nicht der Tod.
Und die Ironie wird noch größer, als das Wehklagen am stärksten schien und der nächste Gegner als unüberwindbar galt
Und reiß aus meinem Herz des Sommers Freuden,
reiß sie gleich müd gewordenen Blättern ab,
auf daß mein Fuß sie raschelnd von sich stoße.So wie von jenem Ahorn taumelnd dort
die schwarzgefleckten Blätter landwärts wirbeln,
laß all des Sommers gaukelnde Gestalten
zu krausen Scharen windgewiegt
ins graue Land Vergessenheit hinflattern!
Das ist ganz großes Drama. Gewiss fühlte sich so so mancher Facebook-Experte. Weil er halt nicht zuhört. Weil er nur sehen und hören will, was er zu sehen und hören in der Lage ist. Damit spricht ja aus den letzten drei Zeilen geradezu der Zwang zu Neuem, zur steten Veränderung, bei Fokussierung auf das Wesentliche: nicht auf das „gaukelnden Gestalten“ des Sommers achten (Transferperiode), nicht auf die „krausen Scharen“, die es dahin bläst, wohin es externe Kräfte wollen (“windgewiegt“) – wohl aus einem Mangel an Rückgrat, weil es dann einfach besser wird:
Und dann, oh West, oh wilder West,
saug aus des Weltmeers weitgeebbten Brüsten
dir Sturmeskräfte hoch und schleudere mich
hohnlachend jenen Spukgestalten nach
und brause, laut aus vollen Lungen tobend,
über das Sommerglück, das du zerstört!
Oh, welch kräftige Bilder, welch wunderbarer Witz. Denn nichts ist zerstört, außer dem Glaube ans eigene Unheil. Vielmehr werden die Sturmeskräfte hochgezogen (Adamyan gegen die Bayern, Kramaric und Bebou gegen Schalke und nun Jüüüüüürgäääään gegen Hertha), die ihre Kraft hohnlachend und frohlockend ein- und uns in Führung respektive nach vorne bringen.
Hätten wir Schreuder nicht schon das letzte Mal so gelobt, wir würden es jetzt tun.
Ja, die ersten 20 Minuten waren schlecht, aber danach zeigten wir doch wieder ein Höchstmaß an Effizienz. Und es wäre wohl ein Debakel für Hertha geworden, hätte Rupp gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit das 3:0 markiert.
So aber wurde es durch einen vorgezogenen Sonntagsschuss noch mal eng, durch die Verletzung von Vogt, Verwirrung und wirklich Pech in der Abfolge sogar noch enger, aber dann befreiten wir uns – aus vollen Lungen tobend. Dies vor allem nach der erneuten Führung durch Hübner – und fanseitig nach Schlusspfiff, weil …
3 Punkte.
Im Sack.
…,wohingegen die Spieler verwirrenderweise zuerst einmal nicht ihre Arme hochrissen, sondern sich auf den Rasen fallen ließen.
Welch ein Bild für einen Sieg.
Es zeigt die Demut, die die Mannschaft spürt, aus der sie hoffentlich die Kraft schöpft für die nächsten Spiele – und den unbedingten, aber eben nicht selbstzerfleischenden Siegeswillen. Das natürlich nicht nur in der Liga. Mit einem Sieg am Dienstag könnten wir endlich mal wieder im DFB-Pokal überwintern. Das wäre etwas, was seinem Vorgänger als Cheftrainer bei uns nie gelang.
Die Schönheit des Sommers löst sich ab.
Sie fällt.
Sie legt sich in den Weg, den du gehst.
Es raschelt laut im Blätterwald.
Schritt für Schritt Zerfall mit Zeit.
Der Rahmen aus Holz ist die Stärke der Nacktheit, aus der Zukunft entsteht.
Es ist Herbst.
Die Hoch-Zeit Hoffenheims.
-
oder einfach nur:
https://www.youtube.com/watch?v=AyLXExom_P8
– wer hätte das gedacht!?
Comments