FBI vs. FIFA?
Jetzt wollen wir mal ganz stark sein und zugeben, dass wir etwas nicht wissen.
Gestern gab es also diese #FIFAarrests. Und natürlich gab es instinktiv das Gefühl, endlich geht es Blatter und Konsorten an den Kragen und der Korruptionssumpf wird endlich, endlich trockengelegt.
Dann aber muss man sich fragen, wie das vonstatten ging – und wer es initiierte.
Ausgangspunkt war es Auslieferungsgesuchen der USA, da die Festgenommenen gegen deren Gesetze verstoßen habe. Ein nicht unerheblicher Aspekt, schließlich ist Korruption nicht gleich Korruption. Da hat jedes Land seine eigenen Regeln. Bis vor wenigen Jahren war es beispielsweise in Deutschland möglich, Bestechungsgelder, also eingesetzte Mittel zur Erlangung von Aufträgen, steuerlich abzusetzen. Und gewiss haben Länder wie Liechtenstein, Italien, Griechenland, Spanien, Türkei, Russland, Saudi-Arabien, Oman, St. Kitts and Nevis, Gabun, Cayman Islands etc. etc. ganz andere diesbezügliche Regeln als die USA, auch wenn es da regionale Steuerparadiese gibt. Aber sie waren es nun einmal, die das Ganze initiiert haben, also kann es nur darum gehen, dass die Verdächtigen gegen deren, und ausschließlich deren Gesetze verstoßen haben.
Aber auch hierbei muss einen Geschädigten geben. Meistens ist das auch derjenige, der klagt, aber bisher las man nur, dass es das US-amerikanische Justizministerium war, was darauf schließen lässt, dass es der Staat selbst war, der durch das (Fehl-)Verhalten der Angeklagten geschädigt wurde. Oder aber das US-Justizministerium wird instrumentalisiert – sei es durch ein US-amerikanischen Unternehmen oder eben, nur mal so, durch die FIFA selbst.
Denn um einen geht es nicht: die FIFA – oder gar Sepp Blatter (auf die das FBI keinen Zugriff hätte (weil beide „Schweizer“ sind)). Seine Argumentation, wonach er sich sogar über die Festnahmen freue, ist da durchaus stringent – und sogar glaubwürdig, denn er wird durch das FBI Leute los, die er allein gar nicht losbekäme, ohne sein Gesicht innerhalb des Systems zu verlieren.
Wer den Paten von Mario Puzo kennt, weiß, wie das funktioniert. Lapidar nennt man das oftmals „Bauernopfer“. Wer aber die Hydra aus der griechischen Mythologie kennt (wannimmer dieses schlangenköpfige Wesen einen Kopf verlor, wuchsen an dessen Stelle zwei neue, zudem war der Kopf in der Mitte unsterblich.), weiß auch, was passieren wird: bestenfalls nichts.
Nicht jetzt, nicht so, auch wenn es weltweit größte Schlagzeilen macht, wobei es auch hier größte Unterschiede gibt, die in der westlichen Welt mehr oder weniger einheitlich sind. Russland sieht das anders, was zum einen wenig erstaunt, schließlich geht es ja auch um „Unregelmäßigkiten“ bei der Vergabe der WM in ihrem Land, zum anderen dürfen sie auch eine andere Meinung haben – und diese kundtun. Deren Außenministerium findet das Verhalten des FBI übergriffig, was es ja auch wäre, ginge es der USA wirklich um die FIFA und damit womöglich um eine Neuvergabe der Spiele. Diesen Einfluss aber haben die Ermittler in Washington nicht. Das FBI steht nicht für „FootBall-Investigations“ (wäre dort ja auch eine andere Sportart).
Fußball ist ein ursprünglich europäisches Spiel, das weltweit gespielt wird. Die FIFA hat ihren Sitz in Europa, ist aber weltweit aktiv und nur dafür zuständig, dass der Sport dort populärer wird. Die FIFA wacht auch über die Einhaltung der Regeln des Spiels, die sie aber nicht einmal selbst erstellt.
Die Regeln des Fußballs werden in dem International Football Association Board (IFAB) festgesetzt. Dieses Board setzt sich aus acht Mitgliedern zusammen: vier FIFA-Delegierte sowie jeweils ein Vertreter der Ur-Fußballverände aus England, Schottland, Wales und Nordirland.
Was diese acht Menschen mehrheitlich beschließen, gilt auf den Plätzen. (Drumherum gibt es Unterschiede, z. B. Torlinientechnik (FIFA), Torlinienschiedsrichter (UEFA), nichts dergleichen (CAF).
Bevor man jetzt schon wieder Pawlow’sche Reflexe bekommt, der sei auf eine andere, urenglische Sportart hingewiesen: Cricket. Auch da gibt es einen Weltverband, den International Cricket Council (ICC). Er hat gar keinen Einfluss auf die Regeln. Sie werden einzig und allein von einem Verein, dem Marylebone Cricket Club (MCC) aus London festgelegt, ein Verein übrigens, dessen Wartelisten auf Mitgliedschaft um ein Vielfaches länger ist als die auf Dauerkarte so mancher Traditions-Fußballmannschaften.
Man stelle sich das mal vor, dass der FC Sheffield und nur der FC Sheffield, weil der älteste heute noch existierende Fußballclub der Welt ist, allein die Regeln festlegen würde.
Nun, der Unterschied ist nur marginal. Ob nun ein Verein die Regeln festlegt oder ein Gremium, das keiner wirklich kennt und nur hinter verschlossenen Türen tagt, so groß ist der Unterschied nicht. Plötzlich gibt es neue Regeln, z. B. Schuhpflicht (1950), gelbe/rote Karte (1970), Möglichkeit der Einwechslung eines Mitspielers (1967), zwei Mitspieler (1968), 3 Mitspieler (1995), Rückpassregel (1992) sowie neue Auslegungen von Handspiel und (passivem) Abseits, an die sich alle halten müssen, weil sie es so vereinbart haben, denn das darf man auch nicht vergessen:
Die FIFA ist kein Verband von Gottes Gnaden, sondern ist von Menschen gemacht – und diese könnten ihn auch ändern, wenn sie denn wollten. Aber sollten sie das wollen?
Die Regeln der FIFA sind sehr fair. Jedes Mitglied hat eine Stimme. Es gibt keine Privilegien für die Großen. Zudem bemüht man sich, um die Stärkung des Sports überall auf der Welt, was bedeutet, dass die FIFA gerade die kleineren Verbände finanziell unterstützt, um den Sport vor Ort auszubauen.
Man darf sehr wohl bezweifeln, dass diese Verbandsvertreter das Geld wirklich ausschließlich zum Wohle und Ausbaus des Fußballs dort Verwendung findet, aber falls dem so ist, ist das nicht Sache der USA oder des FBI, sondern nur der FIFA, weil es ja deren Geld ist, das zweckentfremdet worden wäre.
Warum sie das nicht tat, ist auch ihre Sache. (Und wer weiß, ob sie es wirklich nicht tat, nur eben weniger so, wie wir das machen würden, sondern eher nach der Buchvorlage Mario Puzos.)
Die FIFA ist eine Organisation von Organisationen. Sie sind die Mitglieder. Sie können das ändern. Sie könnten auch austreten und einen eigenen Verband gründen. Sie ist ein freiwilliger Zusammenschluss – ähnlich wie die Formel 1, wo die Großen ja auch schon mit der Schaffung einer eigenen Serie gedroht haben, wenn der Überverband Dinge beschließt, die den Eigeninteressen zuwider laufen. Dergleichen hörte man aber von FA, DFB, den spanischen, italienischen, französischen, brasilianischen Fußballverbänden nie.
Wenn sie es wirklich ernst meinen würden mit der Veränderung, hätte man damit schon lange drohen können. Zudem dürfte es aufgrund ihrer Größe auch kein Problem sein, wenn die Drohung nicht gefruchtet hätte, dies auch in die Tat umzusetzen. Die Verbände sind reich und alle großen Spieler spielen in ihren Ländern. Es wäre also ein Einfaches, auch schnell entsprechend Sponsoren zu finden, die ja nicht einmal groß Mehrausgaben hätten. Sie müssten ja nur ihr Budget von der Rest-FIFA abziehen.
Also es ist schon nicht uninteressant, dass es nicht die Mitglieder selbst sind, wobei Ihnen das doch hätte ein Leichtes sein müssen, die für ein solches Beben bei der FIFA am Züricher See sorgen, sondern das FBI, eine Behörde jenseits des großen Teichs.
Wie gesagt: (Zumindest rechtlich) Verstehen tun wir das nicht.
Kann wer mit Fakten helfen?
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