Eintracht Frankfurt vs. 1899 Hoffenheim
Hexit
Wahrnehmungen. Wahrheiten. Wunder.
Natürlich sind alle sauer. Auf die Mannschaft. Auf die Leistung derselben. Und das gilt als aufrichtig. Vor der eigenen Türe kehren. Nicht die Schuld bei anderen suchen. Aber ist das richtig? Ist das nicht eher ein Anzeichen dafür, wie groß der Einfluss von Esoterik und Psychotherapeuten auf Sprache und Wahrnehmung (auch und gerade im Fußball) ist? Wäre es nicht besser, Analytik, Mathematik, und Juristen (statt z. B. Journalisten) wären maßgeblich?
Aber im Fußball geht es nur bedingt um Wahrheit. Es geht letztlich um Tore, und wie die fallen, ist egal, solange sie zählen. Bestes Beispiel dafür ist ja die Einstellung der meisten zum Videobeweis. Oder das Wembley-Tor.
Die Wahrheit ist das Ergebnis.
3:1 verloren wir gegen die zuvor in sechs Spielen sieglose Eintracht. Doch es ist nicht so sehr das Ergebnis, was für große Verärgerung sorgt, sondern das Auftreten der Mannschaft. Wie bereits zu Beginn der Rückrunde verschlief sie die erste Halbzeit völlig und lag auch „dank“ einer hocheffizienten Chancenverwertung der Frankfurter nach 45 Minuten mit 3:0 zurück – und „dank“ des Schiedsrichters.
- Wahr ist nämlich auch, dass dem Freistoß, der zum 1:0 führte, kein Foulspiel vorausging.
- Wahr ist nämlich auch, dass dem 2:0 eine Abseitsstellung vorausging.
Natürlich setzt man sich durch die bloße Erwähnung dieser Tatsachen dem Vorwurf aus, Ausreden suchen zu wollen, etwas schönreden zu wollen, von etwas ablenken zu wollen. Wollen wir nicht. Wir wollen nur bei der Wahrheit bleiben. Und zu der zählen auch diese Fakten. Sie ändern nichts an dem Ergebnis, aber relativieren vielleicht etwas von dem, was für die meisten Menschen am wahrsten ist: ihre Wahrnehmung.
Die Fehlentscheidungen waren durchaus knifflig und weitaus weniger evident als das Spiel der Mannschaft, das zumindest zu Anfang sehr deutlich geprägt war von dem Willen, dieses Spiel zu gewinnen, der aber leider nicht ständig zwischen unbändig und unfähig hin und her pendelte, sondern geradezu magnetisch im weiteren Verlauf von Letzterem angezogen wurde, was leider völlig von beiden Fehlentscheidungen ablenkte, die natürlich ihrerseits allein aufgrund ihrer Bedeutung auch nicht zu mehr Sicherheit im Spiel unserer Mannschaft führte.
Dabei ließen sich die ersten zehn Minuten noch ganz gut an, aber während es da noch halbwegs mit dem Spielaufbau im Ansatz klappte, fehlte bereits hier die Präzision beim zweiten Ball und der entscheidende Pass kam gar nie.
Dabei spielte die Eintracht auch einen gehörigen Mist zusammen. Auch ihr Spiel zeichnete sich nicht gerade durch Geradlinigkeit, Schnelligkeit oder gar Präzision aus, aber wir unterboten sogar das – und das war ganz schlicht erschreckend.
„Ernüchtert, enttäuscht und verständnislos“
… waren die Worte, die unser Sportdirektor Alexander Rosen für die erste Hälfte fand.
Den Fans ging es nicht anders. Noch Mitte der Woche wurde Michael Pisot, der Fanbeauftragte der TSG, auf heute.de mit den Worten zitiert:
„Ich hoffe, dass uns die Mannschaft am Samstag für den ganzen Stress entschädigt.”
Damit bezog er sich auf das Tohuwabohu, was durch den Bahnstreik entstand, denn der Fanverband hatte für dieses Spiel einen Sonderzug gebucht, der dann seitens der Bahn abgesagt wurde, so dass in kürzester Zeit Alternativen organisiert werden mussten.
Das gelang dem Fanverband gemeinsam mit dem Fanbeauftragten sehr gut – und das, obwohl das de facto etwas komplizierter war, als es „Der Postillon“ darstellte. Aber das war immerhin lustig. Das, was unsere Mannschaft tat, war es nicht – und weit davon entfernt, als „Stress-Entschädigung“ durchzugehen.
Es bewirkte eher das Gegenteil und sorgte für sehr verhaltene Stimmung unter den zahlreich Mitgereisten zur Halbzeit sowie das Auftauchen eines Krankenwagens im Fanblock der Hoffenheimer. Eine Fanin musste wegen akuten Bluthochdrucks abtransportiert und versorgt werden. (Die gute Nachricht: Sie ist inzwischen wieder zu Hause und es geht ihr gut. „Schabb misch halt so iwwa die Mannschaft uffreege misse“.)
Sehr nachvollziehbar, denn es schien ja gerade in den letzten Spielen wieder etwas aufwärts zu gehen, was ja bei den Gastgebern gerade nicht der Fall war – und dann das. Von wegen der alten Börsenregel „The trend is your friend.“ Eher gilt hier im Fußball wie auch beim Aktienkauf das Kleingedruckte:
„Ergebnisse in der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung zu.“
Diesem Irrtum sitzt man aber halt immer wieder auf. Und bekanntlich ist bei Nichteintritt des erwarteten Ergebnisses der Frust umso größer, je höher die Erwartungen waren. Und die Erwartungen waren sehr hoch. Aber Wilhelm Busch bewahrheitet sich halt immer wieder:
„Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.“
Denn während seit Jahren in den Zeitungen über den „Grexit“ (der Austritt Griechenlands aus der Eurozone) oder den „Brexit“ (der Austritt der Briten aus der EU) diskutiert wird, ist nach dem Spiel der „Hexit“ Fakt – der Austritt Hoffenheims aus dem (Schnecken-)Rennen um einen Platz in der Europa League.
Die Trainer versuchten diesen noch durch eine Radikalmaßnahme abzuwenden. Zur Halbzeit, wo wir bereits durch ein weiteres, diesmal dann aber völlig korrektes Tor, 3:0 zurücklagen, schöpfte Gisdol alle seine Möglichkeiten zur Einflussnahme auf das Spiel aus und wechselte dreimal. Eine echte Rarität in der Fußball-Bundesliga.
Anfänglich wurde dann das Spiel von unserer Seite aus auch etwas ansehnlicher. Manche Kombination und Ballstafette funktionierte sogar, aber der letzte Pass kam auch dann nie an – und so war es wenig überraschend eine Standardsituation, die zum Anschlusstreffer führte. Doch der wunderschöne Hammerfreistoß Vollands blieb nicht nur das einzig Zählbare, er war auch der einzig gefährliche Schuss aufs Frankfurter Tor.
Der Hexit ist mit der Leistung sportlich auch völlig in Ordnung. Mit so etwas hat man in der Europa League nichts zu suchen – und eigentlich auch wenig im Mittelfeld der wohl insgesamt stärksten 1. Liga der Welt. Und so ist es dann auch nicht verwunderlich, dass wir nun auf Platz 9 und damit so schlecht in der Tabelle stehen, wie die ganze Saison über noch nicht – und sie ist noch nicht vorbei.
Es kann also noch weiter abwärts gehen, zumal wir nächste Woche ein sehr schweres Auswärtsspiel in Leverkusen haben, wo wir ohne Firmino antreten müssen, was die Zahl derer zusätzlich reduzieren dürfte, die bei dem Spiel mit einem Punktgewinn oder gar Sieg rechnen. (Andererseits tat dies letztes Jahr auch niemand – und da gelang bekanntlich der 1. Ligasieg unseres Dorfklubs gegen die Werkself.)
Vielleicht aber hat Wilhelm Busch wieder Recht – und Alexander Rosen, der auf der Suche nach Erklärungen für diese desaströse Leistung der Mannschaft, deren „Charakter … absolut einwandfrei“ sei, als Möglichkeit in Betracht zog, dass die Spieler mental scheitern, wenn es um die Europa League-Plätze geht. Demnach müssten wir ja nächsten Samstag richtig (einwand-)frei aufspielen können. 🙂
Und plötzlich könnte es dann sogar wieder sein, je nachdem, wie die anderen Ergebnisse ausgehen, dass sich auch das Kleingedruckte wieder bewahrheitet und es erst am 34. Spieltag endgültig zum „Hexit“ kommt – oder ganz, ganz anders und es gelingt das nicht nur esoterisch, sondern auch mathematisch mögliche Wunder des „Hentrance“ 🙂
In diesem Sinne … (und nur in diesem) … freuen wir uns auf nächste Woche.
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