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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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2 Comments

Bayer 04 Leverkusen vs. 1899 Hoffenheim

Das beste Rezept

Nicht nur die Dosis macht das Gift

Was war das für ein Spiel von Hoffenheim! Bombastisch!

Naheliegend, zumal gegen den Gegner, sich da an Theophrastus Bombast von Hohenheim zu erinnern. Ja, von Hohen-, nicht Hoffenheim. Aber egal, denn der Arzt und Alchemist (und vieles mehr) Theophrastus Bombast, besser bekannt unter dem Namen Paracelsus vertrat bereits Anfang des 16. Jahrhunderts die Auffassung, dass zum Verständnis der Dinge und damit auch der Krankheiten und ihrer richtigen Behandlung einerseits empirische Befunde, andererseits – und weitaus wichtiger – die Betrachtung des Großen und Ganzen notwendig seien.

Dazu ging er von drei fundamentalen, den Körper ausmachenden Grundsubstanzen aus: Schwefel (Sulphur), Quecksilber (Merkurius) und Salz (Sal). Wenn diese Substanzen im Ungleichgewicht waren, sei der Mensch krank, und jede Krankheit ließ sich seiner Ansicht nach vor allem auf fünf Einflüsse zurückführen:

  • Ens Astrorum oder Ens Astrale (die Gestirnseinflüsse),
  • Ens Veneni (durch den Körper aufgenommenes Gift),
  • Ens Naturale (Vorherbestimmung; Konstitution),
  • Ens Spirituale (Einfluss der „Geister“),
  • Ens Dei (unmittelbarer Einfluss Gottes).

Damit der Körper wieder gesundet, sei es die Aufgabe des Arztes, die Gesamtheit aller fünf Einflüsse (entia) zu berücksichtigen, um eine korrekte Diagnose zu stellen und daraufhin das bzw. die Mittel zu verabreichen, die die Balance der Grundsubstanzen wiederherstellen. Dabei stellte er fest, dass alle Dinge Gift sind und nichts ohne Gift ist, sondern es allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.

Nun sind die Parallelen zum Fußball offensichtlich. Auch den Mannschaftskörper machen drei Grundsubstanzen aus: Defensive, Mittelfeld und Offensive. Und auch hier ist es wichtig, die perfekte Balance zu finden, damit es nicht zum Beispiel zu Krankheiten, beispielsweise in Form von (Punkte-)Mangelerscheinungen kommt – und sie unterscheiden sich kaum von denen von ehedem:

  • Ens Astrorum oder Ens Astrale (Schließlich sagt man doch nicht selten, ein Spiel stehe unter einem schlechten Stern.),
  • Ens Veneni (Weshalb sonst achtet man bei Fußballern inzwischen so auf gesundes Essen?)
  • Ens Naturale (Laktat- und sonstige Fitnesswerte),
  • Ens Spirituale (Unterscheidet sich das so sehr von intrinsischer Motivation?),
  • Ens Dei (unmittelbarer Einfluss des Fußballgottes).

Nun hatte Julian Nagelsmann keine Zeit für eine langwierige Bachblütentherapie, um den offensichtlich angeschlagenen TSG-Körper vom Mittwoch ins Gleichgewicht zu bringen, weshalb er ihn zur Beseitigung des Missstands einer Behandlung mit drastischen Mitteln unterzog, sprich: einer Rosskur.

Dieser Begriff entspringt ebenfalls der Zeit des Paracelsus, wo ein Hufschmied auch für die Behandlung kranker Pferde zuständig war. Als Bader (also als Betreiber einer Badestube) konnte er zudem Methoden der so genannten einfachen Chirurgie an Menschen vornehmen, weshalb man ihn auch den „Arzt der kleinen Leute“ nannte. Da der Hufschmied die Gebisse kranker Pferde behandelte, wurde er (wenn er auch ein Bader war) bei Zahnschmerzen häufig auch von Menschen herangezogen. Der Begriff „Rosskur“ geht auf deren rabiates Zahnziehen zurück.

Um nun den Gastgebern den Zahn zu ziehen (eine geradezu Delling’sche Überleitung mit einem Wortspiel für kleine Geister) stellte unser Bader Julian sehr drastisch um: Von denen, die in der Startelf gegen die Pillendreher antraten, standen nur Vogt, Schulz und Adams vergangenen Mittwoch zum Anpfiff auf dem Platz.

Doch die Um- in der Auf- zeigte zuerst kaum Wirkung auf die Einstellung. Im Gegenteil: Der Körper schien wie gelähmt. Das Neukompositum schien eine Art Sedativum zu sein mit fast halluzinogenen Nebenwirkungen insbesondere in der Defensive: Ob Nuhu, Vogt oder Akpoguma, alle drei schienen etwas benebelt und Letzterer sogar komplett neben sich zu stehen.

Die Abwehrkräfte insbesondere unserer linken Verteidigungsseite waren extrem schwach. So verwunderte es wenig, dass schon recht früh der Ball in unserem Netz zappelte und bezeichnenderweise auch noch vom eigenen Mann dort auf groteskeste Art und Weise hinbefördert, was aber wegen zuvorigem Abseits keine negativen Nebenwirkungen für uns hatte.

Positive schon, denn offensichtlich wurden dadurch die vorgelagerten Abwehrzellen aktiviert, die eine größere Galligkeit entwickelte, was der Werkself eines der weltgrößten Pharmaunternehmen nicht nur sauer aufstieß, sondern auch dafür sorgte, dass sie ihr Gift nicht mehr so einfach in unsere größte Wunde injizieren konnte.

Statt dessen kamen wir dazu, unsererseits Nadelstiche zu setzen; und Nelson sorgte dann auch mit einem goldenen Schuss ins Herz…äh…Netz für maximalen Dopaminausstoß bei den Spielern, Betreuern und Fans auf Seiten der TSG.

Wer aber nun dachte, dass Bayer erstarren würde, sah sich getäuscht. Reine Fußballfans führen das gewiss auf die zuletzt sehr starken Ergebnisse der Mannschaft in Liga und Pokal zurück,

Menschen wie wir aber, die ganz im Sinne Paracelsus die Betrachtung des Großen und Ganzen für essenziell erachten, ziehen dabei auch die Möglichkeit in Betracht, dass es an Xarelto liegt. (Das ist kein Spieler, sondern der Name des Arzneistoffes Rivaroxaban, dem Hauptertragsbringer der Vereinsmutter, der die Blutgerinnung hemmt.)

So trugen die Gastgeber ihre Angriffe weiter sehr flüssig vor, während wir durch das Tor vollgepumpt mit natürlichem Adrenalin diese bekämpften. So entwickelte sich ein sehr pulsierendes Spiel, allerdings immer wieder mit Aussetzern in der Defensive, die geradezu einen Bellarabikomplex entwickelt hat, gegen den jegliche Resistenz fehlte. Akpoguma schien geradezu zweikampfallergisch zu sein und Baumann litt dann nach rund einer halben Stunde wie bereits gegen Lyon wohl unter Orientierungsschwierigkeiten, als er die kurze Ecke nicht zu und es damit jenem Spieler leicht machte, den Ausgleich zu erzielen.

Doch glücklicherweise für uns macht ab und zu auch ein Muskel zu, sodass Bayer Bellarabi aussetzen, also auswechseln musste. Der für ihn eingewechselte Bailey war bestenfalls ein Generikum, während wir plötzlich aus einer Kombination verschiedener Präparate (Kurzpass, Kopfballzuspiel und Flanke) in der Lage waren, ein Wundermittel gegen Effizienzineffienz zu entwickeln.

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Der Brasilianer vollendete die wunderbare Stafette von Grillitsch und Kaderabek mit einem lehrbuchreifen Kopfball kurz vor der Pause zur erneuten Führung und konnte kurz nach der Pause nur durch ein Foul im Strafraum von seinem zweiten Treffer abgehalten werden.

Den fälligen Strafstoß verwandelte Grifo zum 3:1, der dann rund zwanzig Minuten später zeigte, dass er einen Ball auch über mehr als elf Meter sehr platziert dahin spielen kann, wo er hin muss. In dem Fall in den Lauf von (wem auch sonst) Joelinton, der den Konter so eigensinnig wie erfolgreich abschloss und damit Bayer dann endgültig abschoss. Vier zu eins.

Auch wenn die Gastgeber in der zweiten Halbzeit viel Ballbesitz hatten, sorgte das in keinster Phase zu hypertonischen Anfällen. Je länger das Spiel andauerte, desto stärker merkte man den Kräfteschwund auf ihrer Seite, so dass unsere Defensive, obgleich nie so wirklich super stattelfest, nie wirklich in Bedrängnis geriet. Nagelsmanns Rosskur hat also gewirkt. Zudem kamen unsere Treffer immer im richtigen Moment, so dass man nun in den Chefetagen des Gegners von heute weiß, dass es eben nicht nur die Dosis ist, die das Gift macht, sondern, wie bei vielen Medikamenten auch, das Timing.

(A propos Rosskur und Timing: Erinnerst du dich, geneigte/r Leser/in, noch daran, woher der Begriff der „Rosskur“ kommt? Die klassische Fußballzeit ist Studien zu Folge der beste Zeitpunkt für einen Zahnarztbesuch, da zwischen 15:00 und 18:00 Uhr das Schmerzempfinden des Menschen zu diesem Zeitpunkt am geringsten sei, weshalb lokale Betäubungen nachmittags drei Mal länger als am Morgen wirken würden.)

Die Mannschaft hatte jedenfalls richtig Biss. Ein souveräner Sieg. Das perfekte Doping für das Champions League-Spiel am Mittwoch. Allerdings lässt die Leistung heute keine Prognosen für die Partie in Lyon zu. Das hat viele Gründe: Auswärts, ein anderer Gegner und auch wir werden mit einer anderen Startelf loslegen. Außerdem sagte Paracelsus:

„Wer glaubt, alle Früchte werden mit den Erdbeeren reif, der versteht nichts von den Trauben.“

P.S.: Das ist auch wegen des Beaujolais Primeur/Nouveau interessant und (zeitlich) passend, denn der Wein stammt nicht nur aus dem Anbaugebiet nördlich von Lyon, er kommt auch klassischerweise am dritten Donnerstag im November des Erntejahres, also tags drauf in den Handel.

Comments

  1. Boris Menrath

    Den Bogen vom Paracelsus zu Nagelsmann zu schlagen ist ein echtes Unterfangen. Da kann manchmal auch was schiefgehen. Dem Gift das Giftige über die Dosis zu entziehen ist schon allerhand. Da fragt man sich, wieviel Tonnen Kirschen ich essen muss, um an der Kirschvergiftung zu sterben. Oder Erdbeeren. Am besten passt der Bezug zu Nagelsmann über die Bachblüte: Hier die Bachblüte, und dort EPO – es kommt nur auf die Menge an.

    Leider bietet der Spielbericht diese Vorlage, und da kann man sich nicht wehren. Tut mir leid, sonst ist alles gut. Ich meine es nicht böse.

    Herzliche Grüße
    Boris

    • Die Beiträge sind wie Schulzsprints. Die meisten lassen sich ganz gut an und einige werden auch gut abgeschlossen. 🙂

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