Bayer 04 Leverkusen vs. 1899 Hoffenheim
Der Erfolg ohne Lohn
Wie man auch ohne Sieg gewinnen kann
Auf die unvorstellbare „Leistung“ beim DFB-Pokal und dem verdienten Ausscheiden aus diesem Wettbewerb folgte eine unvorstellbare Leistungssteigerung beim Auftaktspiel gegen Bayer 04 Leverkusen, das zwar unser „Angstgegner“ letztlich verdient gewann, aber bei weitem nicht so klar, wie man nach dem debakolösen Auftritt in der Vorwoche hat befürchten müssen – und mit ein bisschen mehr Glück und etwas weniger Hektik wäre da durchaus mehr drin gewesen.
In München schoss unsere Mannschaft nur ein Mal aufs Tor, dafür so manchen Bock. Kein Wunder, dass niemand auch nur einen Rehling (cantharellus cibarius), sprich: Pfifferling auf unsere Mannschaft im Vorfeld des Spiels gegeben hätte.
Dann aber keimte Hoffnung auf – lange vor dem Anpfiff – und diese Hoffnung, die den Glauben an eine Überraschung nährte, hatte einen Namen: Bibiana Steinhaus. Ohne es jetzt bis ins letzte recherchiert zu haben, hatten wir noch kein Spiel verloren, an dem Frau Steinhaus in offizieller Funktion eingesetzt ward.
Das ist natürlich logischer Humbug, Aberglauben, aber dieser wiederum ist ja fester Bestandteil im Leben von Fußballern (mehr dazu hier und hier) und Fans (mehr hier)
Dieses Schimmern von Hoffnung wurde mit einem Blick auf die unseren mit und ohne Leibchen noch stärker. Polanski, Zuber, Kim, Kuranyi in der Startelf, Rudy auf der Bank, Elyounoussi und Szalai auf der Tribüne. Das sah gut aus, das sah mutig aus, da sah man dem Anpfiff mit noch mehr Vorfreude entgegen – und wurde wider Erwarten nicht enttäuscht.
Das Team hatte wieder einen Unterleib: Beine (schnelle, lange), Eier und auch Arsch in der Hose. Von Anpfiff an wurde der Zweikampf gesucht und zu dem Zeitpunkt auch zumeist gewonnen.
Kaderabeks Grätsche in der 5. Minute war es dann auch, die die völlig unerwartete, aber alles andere als unverdiente Führung von Zuber einleitete, denn nach dem Ballgewinn wurde der Ball schnell, flach, mit dem richtigen Speed und Timing in den Lauf von Zuber gespielt, der Übersicht und Nerven behielt und einschob.
Zu dem Zeitpunkt wusste man nicht, was größer war: Jubel über die Führung oder Überraschung ob des sehr engagierten Auftretens der eigenen Mannschaft. Die Partie wurde zu einer Party. Das Spiel entwickelte sich wahrlich zu einem Duell der Pressing-Maschinen, das die unsere in der ersten halben Stunde für sich entschied.
Dabei waren es aber weit weniger die spielerische Raffinesse, mit der unsere Mannschaft überzeugte, sondern die Bereitschaft und diesmal auch Umsetzung von großem Kampfeswillen und Leidenschaft. Dabei kam uns sehr zupass, dass der Gegner sein Passspiel nicht aufziehen konnte, was natürlich auch an der Bissigkeit unserer Elf lag. Allerdings ist
Bayer 04 Leverkusen keine Mannschaft für Frutarier,
sprich: Fallobst. Die Werkself brauchte ihre Zeit, um ins Spiel zu kommen, aber die hatte sie ja und so kam es dann auch, was der Güte des Spiels eher zuträglich war, zumal unser Team weiter bravourös dagegenhielt.
Und wer weiß, was passiert wäre, hätten wir den einen Elfer zugesprochen bekommen. Wer weiß, was passiert wäre, wenn wir in der 40. Minute etwas enger am Mann gestanden hätten oder Baumann den Schuss hätte festhalten können? Niemand. So aber gab es kurz vor der Halbzeit doch noch den Ausgleich durch Kießlings Abstauber, der so schade, wie verdient, aber auch unnötig war, denn so gut das Kollektiv zuvor funktionierte, so wenig tat es in dieser Szene. Dem Schuss ging eine Stafette mit mehreren Kurzzuspielen via Hacke und Sohlenrücklagen voraus, aber keiner unserer Abwehrspieler richtig dazwischen.
Dennoch: Das 1:1 zur Halbzeit bei einem der wenigen Top-Favoriten auf die Vize-Meisterschaft nach dem sang- und klang-, leb- und mutlosen Ausscheiden aus dem DFB-Pokal war nicht nur vom Ergebnis her weit mehr und weit besser, als was man halbwegs realistisch erwarten konnte.
Auch die zweite Halbzeit begann mit einer Großchance für die TSG. Leider ballerte Volland den Ball recht freistehend über das Gehäuse – und wieder könnte man ein Konjunktivstakkato starten, aber wie sprach der Dichterfürst Goethe so wahr:
„Getretener Quark
wird breit,
nicht stark.“
Nun spielte unsere Mannschaft kein aus der Milch durch Zugabe von Lab ausgefälltes Milcheiweiß, sondern schlicht am Limit ihrer insbesondere spielerischen Möglichkeiten.
Der Gegner erspielte sich mehr und mehr Spielanteile, Chancen, Großchancen und gewann mehr und mehr die Oberhand und letztlich durch einen individuellen Fehler das Spiel, weil der sonst stark spielende Süle dieses eine Mal den Ball nicht mehr abblocken konnte und der kurz zuvor eingewechselte Brandt den Ball (leider) perfekt traf, so dass auch Baumann nicht mehr rankommen konnte.
Überhaupt spielten die beiden zusammen mit Schär sehr solide, auch wenn deren Vorstellung von Spielaufbau immer noch etwas retro ist. Diesmal schien dies Gisdol aber nicht zu gefallen. Immer wieder ermahnte er die Verteidiger den Ball flach zu spielen. Er erreichte sie mit seinen Mahnungen so wenig wie deren Bälle den Mitspieler. Letztlich sorgte das über das ganze Spiel gesehen zu einer
Fehlpassquote, wie sie wohl nur noch in einem Flüchtlingsheim getoppt wird,
von 47%, was schon arg schwach ist – und eine Erklärung dafür, dass wir in der zweiten Halbzeit nach Vollands Intro nur noch ein, zwei weitere Torchancen hatten.
Volland und Kuranyi spielten schwach. Das hing natürlich damit zusammen, dass sie nur mit wenigen (verwertbaren) Bällen gefüttert wurden, aber auch sonst wussten sie mit Ball wenig zu überzeugen. Dennoch, und auch das gehört dazu, banden sie die gegnerische Abwehr, so wurde Volland von Papadopoulos in Manndeckung genommen.
Schär nutzte dies einmal zu einem Alleingang fast schon in bester Beckenbauer’scher Manier vom eigenen Sechzehner bis Mitte der gegnerischen Hälfte, ohne angegriffen zu werden … aber auch sein Zuspiel landete dann letztlich beim Gegner.
Kim und Kaderabek haben noch Luft nach oben. Ihnen merkte man das Bemühen an, alles richtig zu machen, was ihnen zwar nie souverän, aber oft gut und zusammen mit den zurückeilenden Polanski und Schwegler bis auf den Führungstreffer immer erfolgreich gelang.
Auch Zuber spielte nach hinten mit, was als Fortschritt zu werten ist. Dennoch zeigten sich beim ihm, Schmid wie auch den später für ihn eingewechselten Uth, dass sie zwar ganz großartige Veranlagungen haben, aber ihnen gegen eine Abwehr wie die der Leverkusener zumindest an dem Tag die Mittel fehlten.
Zuvor ersetzte Strobl Kuranyi, was von einigen als Wechsel in Richtung Ergebnisverwaltung ausgelegt wurde, was uns freut, denn es scheint Menschen zu geben, die noch weniger Ahnung von Fußball und Taktik haben als wir.
Kuranyi war platt, Leverkusen am Drücker, was die Chancen auf Konter erhöhte, wo man einen weiteren Abnehmer im Mittelfeld zur Weiterleitung auf den letzten verbliebenen Stürmer brauchte. Das war sehr nachvollziehbar. Auch die Einwechslung des jungen Offensiven Ochs in den letzten zehn Minuten für Polanski war nachvollziehbar, denn da lagen wir ja bereits zurück und ob nun 1:2 oder 1:3 ist recht wurscht, aber ob nun 1:2 oder 2:2 nicht.
Doch er bekam keine Chance mehr, sich in Szene zu setzen. Die Leverkusener spielten das sehr abgeklärt runter und retteten das Ergebnis über die Zeit. So hatten wir unser Eröffnungsspiel wie erwartet verloren, aber das unerwartet knapp. So siegte also die Heimmannschaft, aber
unsere Mannschaft gewann
nach dem Spiel die Fans, die ohnehin sehr zufrieden waren mit dem Auftreten ihrer Mannschaft. Zuerst kam Süle in Richtung Kurve, applaudierte artig hin und die Fans zurück. Er drehte sich wie (früher / unter Beck) üblich rund zehn Meter vor der Eckfahne um, ging zurück, wurde aber dann wie die anderen zwei, drei, die dieses Ritual bereits für sich als beendet wähnten, vom neuen Kapitän Pirmin Schwegler aufgefordert, ganz an den Zaun zu gehen und die Fans abzuklatschen – alle Spieler folgten und alle Fans waren begeistert.
An sich nichts Großes, aber für die TSG etwas ganz Besonderes. Das gab es bisher, vor allem nach Niederlagen, nie. Allein dafür hat sich die Nominierung Schweglers als Kapitän schon gelohnt.
Sollte sich dies bei der Mannschaft durchsetzen, wäre das ebenso begrüßenswert, wie eine Fortsetzung dieser Spielweise, wobei man natürlich endlich diese miserable Zuspielquote verbessern muss.
Denn mit einem solchen Verhalten sowohl nach dem Spiel als auch auf dem Spielfeld zeigt die Mannschaft etwas, was auch ohne Sieg immer ein Gewinn ist:
Herz!
Möge es weiter stark schlagen – und wir dann den nächsten Gegner … oder den übernächsten 🙂
-
Hallo nach Hoffenheim!
Ich denke auch, dass ihr mit der Leistung eurer Jungs echt zufrieden sein könnt. Gerade in der ersten Halbzeit haben sie super gepresst und irgendwie „unser“ Spiel gespielt. Aber am Ende doch zu wenig Gefahr für unser Tor. Geht definitiv in Ordnung, der Dreier für Bayer, aber eure Elf hat sicher noch Potenzial!
Alles Gute für die Saison aus der Farbenstadt
Klaus
Comments