Borussia Mönchengladbach vs. 1899 Hoffenheim
Falsche Fehler
Die TSG zwischen Chaos und Harmonie
Wer in der Ferne vier Tore schießt, aber dennoch nicht gewinnt, wird wenig überraschend nicht Deutscher Meister. Dass man dennoch immer noch absteigen kann, ist mehr als ein Kuriosum in dieser an Kuriosa nicht armen Saison.
Wir könnten uns jetzt aufregen, was wir wissen, geneigte/r Leser/in, dass du das selbst am besten kannst und hierbei keinerlei Zuspruch, Unterstützung oder gar Nachhilfe von uns brauchst.
Aber a propos Nachhilfe: Vielleicht können wir deinen verständlichen Ärger ob der Gegentore dadurch mildern, dass wir sie nutzen, um dir zu zeigen, dass sie vielleicht die Grundlage sind für unsere Champions League-Teilnahme in der Saison 2026/27. Schließlich wird man aus Fehlern klug – vorausgesetzt, man macht die richtigen Fehler und/oder zieht aus den falschen die richtigen Schlüsse.
Wir starteten laut Spielberichtsbogen diesmal mit Philipp im Tor, defensiv mit Kaderabek, Chaves, Östigaard und Nsoki; Stach, Bischof, Hlozek, Kramaric, Touré im Mittelfeld sowie Bülter als einzige Spitze.
Auch eine Kombination, die so noch nie in ein Spiel ging, was auch ein Grund dafür sein kann, dass es bei uns – chemisch gesehen – zu ganz seltsamen Reaktionen und Lösungen kommt, weil einfach die Mischung nicht stimmt.
Kein anderes Bundesliga-Team hat in dieser Spielzeit mehr Spieler eingesetzt als die TSG (34). Und bis auf ein Mal bot Ilzer immer wieder elf anders zusammengestellte Spieler zu Beginn einer Partie an.
Für alle, die denken, dies sei auch eine Kunst: Ist es zumindest mathematisch nicht, denn es gibt genau 286.097.760 Möglichkeiten, um aus einer Gruppe von 34 Variablen eine Gruppe aus elf Variablen zusammenzustellen. Kombinationsformel:
C(n,k)=n!/k!(n−k)!
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- n = die Gesamtzahl der Variablen (34)
- k = die Anzahl der auszuwählenden Variablen (11)
- n! (n Fakultät) = das Produkt aller Zahlen von 1 bis n
- k! und (n – k)! = die Fakultäten von k und n – k.
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Da es sich bei den Variablen um physische Massen handelt (Menschen), wirken nicht nur zahlreiche Kräfte von außen auf die jeweilige Gruppe ein, sondern auch innerhalb der Gruppen wirken zahlreiche Kräfte, die zu hochgradig instabilen -verhältnissen und Schwingungen führen können bzw. es seine Zeit dauert, bis sich die Kräfte von selbst harmonisieren.
Beispielvideo (in Ergänzung zu dem, welches wir unserem Spiel-Film (s.o.) präsentieren):
Aber es schien mehr so, als ob sich unser Team in der Partie wie folgt aufgestellt hätte (Fleming, Perignon, Spencer, Hofmann, Röntgen, Silver, Fry, Coover, Plunkett, Greatbatch, Kellogg), nimmt man die Gegentore als Maßstab …
0:1 – oder: Wie Penicillin, Brustimplantate und Champagner entstanden.
Ob nun in der Forschung oder auf dem Feld, gerade in standardisierten Verfahren, sei es nun ein Eckball oder Experiment, sollte es immer eine klare Zuordnung und Kontrolle der einzelnen Parameter, Faktoren geben, z. B. Ball und Gegenspieler. Wenn es diese nicht gibt, passieren Fehler bzw. Gegentore. So verlor Nsoki die Kontrolle über seinen Gegenspieler bzw. ihn aus dem Auge. Dem fiel der Ball mehr oder weniger ohne großes eigenes Zutun auf den Kopf und schon lagen wir wieder einmal zurück. Das war schlecht. Ist es so schwer aufzupassen? Da kann ja nichts Gescheites bei rauskommen …
Ausnahmen:
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- Dasselbe Verhalten von Alexander Fleming leitete den Beginn des Antibiotikazeitalters ein. Er fuhr in den Urlaub, ließ aber eine Petrischale mit Staphylokokken-Kulturen offen. Die vermehrten sich völlig unkontrolliert. Als er zurückkam, hatte sich ein Schimmelpilz (Penicillium notatum) auf der Schale ausgebreitet – und rund um ihn waren die Bakterien abgestorben.
- Der unsachgemäßen Handhabung, sprich: der Ignoranz der Basis verdankt die Welt auch Brustimplantate. Während der Entwicklung von Kunststoffprodukten ließ man gelartiges Silikon für andere Zwecke offen stehen. Dieses veränderte sich und Mediziner entdeckten, dass dieses neue Material sehr gewebefreundlich und formstabil ist.
- Dom Pérignon war auch im Grunde unfähig, eine Reaktion zu vermeiden. Er sowie seine Kollegen Winzer aus seiner Region füllten den Wein zu früh ab bzw. taten dies, bevor er stabil genug vergoren war. Dadurch kam es einer zweiten Gärung, die wiederum Kohlensäure in der Flasche erzeugte, die manchmal sogar zu Explosionen führte. Die bekam man in den Griff, man erfand die Agraffe, die dem Druck standhielt. Dann probierte man diesen perligen Wein und benannte ihn nach der Gegend, in der diese Winzer diesen vermeintlichen Fehler begingen: Champagne.
Da waren noch keine fünf Minuten gespielt und der Puls schon auf 180. Nur auf dem Rasen war kein Rasen unserer Jungs zu erkennen. Zwar mühte man sich um Spiel und Kontrolle, verlor aber immer wieder sehr schnell Letzteres und wahrscheinlich, so unsere evidenzbasierte Arbeitshypothese auch Ersteres. Diese wurde durch den nächsten Treffer der Gastgeber verifiziert, aber dieser durch den VAR revidiert.
Oder war es der Fußballgott? Denn wir erkannten hier ebenso wenig eine Abseitsstellung, wie wir letzte Woche eine sahen, der Treffer aber dennoch gegeben wurde.
Es dauerte aber nicht lang und es gab mit Vehemenz die Evidenz der Inkompe…naja, zumindest Insuffizienz:
0:2 – oder: Wie man „heiße Höschen“, „Bewusstseinserweiterung“ und „Durchblick“ entdeckte.
Die Gastgeber drangen erneut gefährlich in unseren Strafraum ein, und unsere Defensive ließen sie gewähren. Unser Keeper wehrte den Schuss hervorragend ab, doch Bischof klärte den Ball nicht nur halbherzig, sondern auch nur so semiweit und das auch mittig, wo wir ihn in einem Zweikampf gleich wieder verloren. Der Stürmer nahm ihn an und dann Fahrt auf und rannte einfach mal durch unsere Abwehr hindurch, die mehr oder weniger nur artig Spalier stand und staunte. Nicht schlecht – objektiv gesehen, aber hätte man anders agiert, hätte man es vermeiden können. Und im Fall des Spiels wäre das wünschenswert gewesen.
Foodies, Drogies und injuries verdanken genau diesem Handeln ein besseres Leben.
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- Der Radaringenieur Percy Spencer bemerkte, dass ein Schokoriegel in seiner Tasche schmolz, während er an einem Radargerät arbeitete. Er hätte den Vorfall ignorieren oder die Ursache „wegerforschen“ können, aber er ließ es „geschehen“ und probierte es mit anderen Lebensmitteln. Die wurden ebenfalls warm. Und dieser Entdeckung verdankt die Welt den Mikrowellenherd.
- 1938 suchte Albert Hofmann ein Kreislaufmittel. Dafür synthetisierte er auf der Suche nach Kreislaufmitteln mehrfach Lysergsäurediethylamid. Dessen 25. Versuch nahm er 1943 noch einmal zur Hand – wahrscheinlich wortwörtlich, denn er nahm dabei auch unabsichtlich eine winzige Menge auf. Er kümmerte sich nicht groß drum, bemerkte dann aber später starke Bewusstseinsveränderungen. Daraufhin ließ er das kontrolliert geschehen und notierte sich dafür einfach den Stoff in seiner Kurzform, womit der Trip um die Hippie-Welt von LSD seinen Anfang nahm.
- Ähnlich unsauber agierte auch Wilhelm Conrad Röntgen. Als er mit Kathodenstrahlen experimentierte, vergaß er, das Gerät vollständig abzuschließen. Erst war das alles in Ordnung, schließlich sah er nichts, bis er plötzlich leuchtende Platinplatten bemerkte. Dankenswerterweise war er neugierig genug, herausfinden zu wollen, was dieses Leuchten verursachte (Da sie ihm unbekannt waren, benannte er sie „X-Strahlen“.), statt dieses „Störlicht“ zu beseitigen, das wir heute ihm zu Ehren „Röntgenstrahlen“ nennen.
Was folgte, war ein Beweis der Richtigkeit der Darstellungen der obigen Beispiele in den Videos über die Harmonisierung der Kräfte: unser Schwung hat sich synchronisiert. Kaum klappte es mal mit dem fließenden Übergang aus einer Standardsituation erhielten wir auch das gewünschte Ergebnis: Anschluss durch Chavez kurz vor der Halbzeit.
Und kurz nach der Halbzeit war die Ausgangssituation eine andere, aber die Dynamik gleich. Dadurch gab es keinen Kraftverlust, sondern den Ausgleich durch Bülter. Also offensiv war das Team jetzt ein Fest für alle Forschenden: klare Prozesse, klare Ergebnisse. So konnte es weitergehen. Tat es aber nicht, denn defensiv gab es immer wieder Überraschungen.
2:3 – oder: Das passiert, wenn einem das Herz in die Hose rutscht, das Objekt der Begierde nicht hart wird oder man sofort wissen will, wo die Musik spielt.
Die TSG war in der 2. Halbzeit die klar dominierende Mannschaft, und es war nur eine Frage der Zeit, bis wir in Führung gehen würden. Die Hausherren hauten eigentlich nur noch die Bälle hinten raus und hofften darauf, dass wir in der verbleibenden Zeit keine weitere unserer definitiv funktionierenden Experimentreihen starten würden.
Rund eine halbe Stunde vor dem Schlusspfiff droschen sie mal wieder den Ball in unsere Hälfte, wo erst Chaves den Ball unfreiwillig weiter nach hinten bugsierte und sich dann Östigard mehr darauf fokussierte, den Gegenspieler zu Boden als den Ball ins Aus zu bringen. So aber fiel er zu Boden und der Ball seinem Gegenspieler vor die Füße, der ihn nach innen passte, wo ihn sein erster Mitspieler nicht traf, dafür dann der zweite.
Völlig unverständlich, wie unsere Defensive in so einer eigentlich völlig sicheren Situation so die Kontrolle über die Dosierung verlieren kann.
Das dachten sich wohl auch einige Verantwortliche bei Pfizer und 3M und ärgerten sich gewiss auch erst, bis sie dann erkannten, welches Potenzial in dem Fehler steckte:
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- Pfizer testete den Wirkstoff Sildenafil zur Behandlung von Angina pectoris. Brachte nur nichts. Die Dosierung hatte keine nennenswerte Wirkung auf das Herz. Dafür meldeten viele männliche Probanden eine „geradewegs“ bemerkenswerte Nebenwirkung, die heute unter dem Markennamen der lateinischen Übersetzung von „Der gerade Weg“ („via gradus“) bekannt ist: Viagra.
- Bei der Firma 3M gab es gleich zwei Entdeckungen aufgrund falscher Dosierung. Zum einen sollte aus Cyanoacrylat ein durchsichtiges Visiermaterial für Gewehre werden. Doch anstatt nur noch der Mensch an dem Gewehr ein Auge zusammendrücken musste, klebte das Zeug selbst alles zusammen. Und so schossen die Umsatzzahlen nicht wegen eines super Fokus in die Höhe, sondern das Unternehmen landete einen Volltreffer mit dem weltweit ersten Superkleber.
- Bei derselben Firma war aber mit der Entwicklung ein gewisser Spencer Silver beauftragt. Der bekam das aber nicht hin. Eher das Gegenteil: Er „erfand“ einen extrem schwachen Kleber. Der haftete nicht wirklich, dafür mehrfach. Jahre später nutzte ein Kollege die Idee für Lesezeichen in seinem Gesangbuch – und daraus entstanden die Post-its.
Einen solchen hätte man gerne jedem auf die Stirn gepappt – mit einem Hinweis, worum es geht, …
… zumal es zumindest uns mehr gefreut hätte, hätte Pfizer mehr Erfolg mit der Entwicklung von Sildenafil in seiner ursprünglichen Idee gehabt.
Unsere Herzen schlugen mindestens so sehr, wie wir gerne auf unsere Umgebung eingedroschen hätten. Wir waren verzweifelt. Aber dann doch wiederum entzückt, denn wir ließen nicht nach.
Bitte, geneigte/r Leser/in, schau dir wirklich die Videos oben an. Auch wenn sie nach heutigen Sehgewohnheiten sehr lange dauern, sind die Details interessant, wie aus Chaos Harmonie entsteht, die wieder in ein Chaos führt, eine neue Harmonie schafft, wieder Chaos, wieder Harmonie und jetzt war wieder Chaos, aber das Video … äh … das Spiel noch nicht zu Ende – und wie sich die Harmonien in dem Video wiederholen, wiederholte sich auf dem Platz unsere Experimentanordnung „Kramaric“.
Fast ein Abbild des 2:2 war das 3:3, denn wieder bereitete es Kramaric vor, wieder landete der Ball auf links, wieder zog unser Stürmer, diesmal Hlozek, nach innen und ab – und drin. Was ein Strahl! Was für eine Freude! Was war das verdient. Und dann gelang es uns sogar, endlich, in Führung zu gehen. Wieder eine Standardsituation. Wieder Kramaric, der diesmal eine Ecke direkt auf den kurzen Pfosten schlug, wo Tabakovics Schädel dem Ball die nötige Richtungsänderung in Richtung Tor verschaffte, wobei uns Klein- mit seinem Schädel einen großen Dienst erwies.
In der 81. Minute waren wir sicher nicht abgestiegen! Wir waren aber auch nicht so dreist, davon auszugehen, dass dies passieren würde, weswegen wir auch keine Flasche dieser französischen Fehlgärung im Kühlschrank hatten. Immer demütig bleiben. Und wachsam. Aber was bringt’s, wenn nur wir das wissen?
4:4 – oder: Was bleibt, wenn was verschwindet, wer das Gegenteil dessen tut, was er soll und was zerbröselt.
Die Nachspielzeit wurde angezeigt, und eigentlich lag nichts Gefährliches in der Luft – nur stand genau da genau mittig der Top-Stürmer der Gastgeber und wie bereits bei unserer Führung kam er mit seinem Kopf an den Ball und wieder war er drin und wir aus dem Häuschen vor Frust. Statt das Spiel cool über die Zeit zu bringen, verzocken wir es vorn und verbocken es hinten. Ausgleich. Unerklärlich.
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- So ging es wohl auch Roy Plunkett, der auch nicht verstand, was da los war. Er stellte nur fest, es war weg – sein Gasgemisch, mit dem er ein neues Kühlmittel entwickeln wollte. Er lagerte es in einer Gasflasche, wollte damit weiter experimentieren, aber es war verschwunden. Stattdessen hatte sich ein weißer, wachsförmiger Feststoff gebildet: Polytetrafluorethylen (PTFE), sprich: Teflon. Ein Zufallsprodukt wie der Ausgleich.
- Wilson Greatbatch arbeitete an einem Gerät zur Messung von Herzrhythmen. Er setzte versehentlich einen falschen Transistor ein. Das Gerät maß nicht mehr, was es tun sollte. Er glaubte , es sei kaputt, bis er plötzlich bemerkte, dass das Gerät rhythmische Impulse sendete. Damit konnte das „kaputte“ Gerät ein Herz antreiben. So entstand die Idee des Produkts, das wir in der Situation befürchteten, in Bälde haben zu müssen: der implantierbare Herzschrittmacher.
- Die Kellogg-Brüder ließen aus Versehen gekochten Weizen stehen. Der wurde hart und zerbröselte beim Walzen zu Flocken. Diese Weizenflocken röstete man und brachte sie so auf den heimischen Markt. Und da der in den USA nannte man die Weizenflocken eben Cornflakes.
Schlusspfiff.
Es blieb bei 5 Punkten Vorsprung bei noch zwei ausstehenden Spielen. Sicher ist da noch gar nichts, außer dass es nichts bringt, wenn man einerseits (vorn) strukturiert experimentiert, aber andererseits (hinten) keinerlei Kontrolle über Abläufe hat.
Dazu sollte man vielleicht bei allem Reiz allein ob der schieren Anzahl der Möglichkeiten mit dem Experimentieren bei der Komposition der Zutaten aufhören. Wie oben gezeigt, können natürlich auch Fehler zu Erfolgen führen, aber in unserem Fall waren es falsche Fehler – und die führten zu Gegentoren
Und so schön unsere vier Tore waren, uns würde nächsten Freitag ein hässliches reichen. Und dann dürfte ja auch wieder Baumann im Tor stehen. Nichts gegen Philip, der seine Sache toll und keine Fehler machte.
Nur haben wir die Hoffnung, dass man Baumann im Rahmen der Behandlung seiner Gehirnerschütterung mit irgendwelchem Traubenzucker versorgte und ihm die als ein hoch dosiertes Breitbandantibiotikum gegen gegnerische Angriffe vermittelte. Hoffen wir also auf den Placebo-Effekt von …
P.S.: Wenn‘s klappt, wird’s bestimmt auch hochdotiert.
„alba vestis“ (lat. f. „weiße Weste“)
🙂
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