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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. 1. FC Köln

1899 Hoffenheim vs. 1. FC Köln

Evolution.

Übers Reiferwerden und Reiferwerdenlassen

Fangen wir bei unserer Nachbetrachtung mit etwas an, was das Spiel definitiv nicht wahr: ein Gedicht.

Das Glück ist eine leichte Dirne
Und weilt nicht gern am selben Ort;
Sie streicht das Haar dir von der Stirne,
Und küsst dich rasch und flattert fort.

Frau Unglück hat im Gegenteile
Dich liebefest ans Herz gedrückt;
Sie sagt, sie habe keine Eile,
Setzt sich zu dir ans Bett und strickt.

Damit fasste Heinrich Heine das Spiel besser zusammen als so mancher Kommentator oder Verantwortliche – und dabei hat er es aus bekannten Gründen nicht gesehen – eine Tatsache, um die ihn am gestrigen frühen Abend nicht wenige beneidet haben.

Dabei war es per se gar nicht mal so schlimm, dass man gegen einen Tabellennachbarn zuhause 0:2 verlor. Auch nicht, dass es ein Spiel mit sehr wenigen Torraumszenen war. Beides traf auch auf das Spiel zu, das vier Stunden und vierzig Minuten nach dem Abpfiff in Hoffenheim 1.764 Kilometer südwestlich angepfiffen wurde.

Doch bei Real Madrid vs. CF Barcelona wurde Fußball gespielt, da wurde gerannt, da gab es Kombination, aber selbstverständlich auch Unachtsamkeiten, Fehlpässe. Dennoch wurde einem da wieder offenbar, wie einfach dieses Spiel doch ist.

Diese Simplizität muss man aber zulassen können. Das Spiel mag bisweilen komplex sein, aber nie kompliziert. Deshalb gibt es auch nicht nur in der Physiognomie einen Unterschied zwischen Schach- und Fußballspielern. Dennoch sollten beide die Grundvoraussetzungen mitbringen, die sie benötigen, um in ihrem Sport erfolgreich zu sein. Dazu zählt der Wille zum Sieg. So einfach ist das.

Der scheint aber nicht die Bedeutung zu haben. Zumindest auf der Pressekonferenz nach dem Spiel erklärte der Trainer, dass er zufrieden sei gewesen mit dem Spiel seiner Mannschaft, da sie sehr gut „gegen den Ball“ gespielt habe.

Nun, da kommt jene Pseudowissenschaft ins Spiel, die dem Ganzen einen Nimbus gibt, den das Spiel nicht hat. Um es ganz einfach zu machen: Man spielt Fußball nicht gegen, sondern mit einem Ball, dafür aber gegen eine Mannschaft mit dem Ziel des Sieges, wofür man mehr Tore erzielen muss als der Gegner. Alles andere ist uninteressant: Eckbälle, Ballbesitz, Laufleistung haben nur statistischen Wert, ein Oxymoron. Eventuell gewonne Zweikämpfe, aber selbst die interessieren letztlich nicht. Das sind einzig und allein Tore. Diese gilt es a) zu erzielen (eigene) bzw. b) zu verhindern (die des Gegners). Beides setzt eine geschlossene Leistung des dafür primär und sekundär zuständigen Mannschaftsteils voraus. Gestern gab es allerdings lediglich eine geschlossene Teilleistung der Mannschaft. Und so kam in der zweiten Halbzeit ein Kölner zweimal rund 20 Meter vor dem Tor frei zum Schuss. Das war es dann.

0:2, noch zehn Minuten zu spielen und spätestens jetzt gingen die Zuschauer, die aber schon zuvor stark angefressen waren, so sehr, dass sie schon ab der 35. Minute ihren Unmut äußerten. Zum ersten Mal wurde das „Rangnick raus“-Transparent auf der Fanseite ausgerollt. Auch als unsere Mannschaft Mitte der zweiten Halbzeit angriff, gab es Pfiffe von den Rängen – und man darf sich fragen, woher der Geschäftsführer Herr Rotthaus die Gewissheit nimmt, dass er nächste Saison wieder 20.000 Dauerkarten wird verkaufen können. Es gäbe eine lange Nachrückerliste. Naja, vielleicht hat er Recht. Jedoch: Zweifel ist der Motor des Akademikers. Erkenntnis sein Streben.

Alle Wahrheit gründet auf verifizierte Theorie. So hatte man ja alles Mögliche versucht, um das Wunder Hoffenheim zu erklären: durch die Besetzung aller Positionen mit Fachkräften, die Nachwuchsarbeit, die Scouting-Abteilung oder ganz profan mit Geld.

Doch das alles hat einen immanenten Fehler: Sobald man etwas erklären kann, ist es kein Wunder. 🙂

Aber taugen denn die genannten Punkte als Erklärung? (Denn wenn nicht, ist es vielleicht doch ein Wunder …)

Das Personal um das Team herum hat zum Teil starke Fluktuationen. Da werden mit großem Bohei Experten vorgestellt, von denen man nichts mehr hört. Und von denen, die da sind, weiß man nicht, was sie wirklich tun bzw. falls es etwas ist, wie sich ihr Tun worauf wie auswirkt. Hier wäre eine Analyse wirklich wünschenswert – gerade auch im Hinblick auf die Einfachheit des Spiels und vieles von dem, was damit in unmittelbarem Zusammenhang steht.

Die Nachwuchsteams: Die U23 ist sehr erfolgreich, elf Siege in zwölf Spielen, aktuell Tabellenführer, allerdings in der Oberliga Baden-Württemberg. Die U19 sowie die U17 liegen jeweils im Mittelfeld der A- bzw. B-Junioren Bundesligen Süd/Südwest. Das ist schon einmal solide, aber eine direkte Verbindung zur ersten Mannschaft gibt es nicht wirklich – zumindest noch nicht.

Und das Scouting? Das hatte bei Eduardo, Obasi und Ba drei Volltreffer erzielt, aber seitdem? Maicosuel? Hatte starke Phasen. Wellington? Nach Twente ausgeliehen, wo er weder auf der Tribüne sitzt noch auf einem Spielberichtsbogen steht. Tagoe? Einerseits ein PR-Desaster, andererseits auch nicht wirklich ein Spieler, der neue Akzente setzt (außer natürlich in Sachen Fußbekleidung. Da bringt er wie so mancher anderer Farbe ins Spiel, ist aber auch das einzige). Zuculini? Angeblich hat sich Maradona positiv über ihn geäußert. In welchem Zustand er da war, ist aber nicht bekannt.

Es ist also doch eher ein Wunder – übrigens ja die Grundvoraussetzung für eine Selig- bzw. Heiligsprechung. Aber an der hat niemand in der Region ein Interesse – und schon gar nicht Herr Hopp, obwohl er hier fast wie ein Heiliger verehrt wird und er bekanntermaßen ja auch derjenige ist, dessen Investitionsbereitschaft diese Mannschaft erst ermöglicht hat.

Aber er ist nicht dafür verantwortlich, was aus der Mannschaft wurde. Das hat viel mit ganz normaler, ganz einfacher Entwicklungspsychologie zu tun:

1899 Hoffenheim ist ein Kind nicht von eher qua Hopp. Und als die Mannschaft zusammenkam, war sie neu in dieser Welt. Ihr wurde Liebe zuteil. Man hat ihr alles gezeigt und erklärt, was das Ziel ist. Man hat ihnen gezeigt, was sie tun müssen, was von ihnen erwartet wird, man hat sie üben lassen, man hat dafür Sorge getragen, dass sie besser wurden. In einer Familie nennt man so etwas schlicht Erziehung.

Und wie es eben so ist, die Kinder lernen. Und je besser der Lehrer, die Eltern, die Vorbilder, desto besser werden sie. Sie eifern nach. Kinder haben große Lust am Erfolg. Denn dann bekommen sie viel Aufmerksamkeit und, in dem Falle, auch Geld. Und so wurden auch die Ziele schneller erreicht, als vorgegeben.

Das Dumme in der Erziehung zumindest ist oft, dass die Eltern ein Problem damit haben, wenn die Kinder groß werden. Der Abstand zwischen ihnen und den Kleinen wird von Tag zu Tag geringer. Und spätestens in der Pubertät kommt die Zeit, da der Nachwuchs die Altvorderen ein- und letztlich auch überholt. Das ist in Hoffenheim passiert.

Das müssen, und darin besteht die Kunst der Erziehung, die Alten zulassen. Und das passiert nicht.

Die Eltern … äh … die Verantwortlichen müssen verstehen, dass sie nicht mehr die großen Vorbilder für die ehemals Kleinen sind. Für sie gibt es auf einmal andere peer-groups, z. B. Berater. Sie lassen sich plötzlich von fremden Mädchen Vereinen den Kopf verdrehen. Das müssen sie aber schon frühzeitig wissen und sich selbst auch entsprechend positionieren und nicht so wahnsinnig allumfassend wichtig nehmen. Wenn sie das nicht tun, reagieren sie kontraproduktiv: Verbote, Strafen, Liebesentzug.

Dabei haben pubertierende Jugendliche kein Problem damit, wenn sie für einen Bock getadelt oder bestraft werden. Aber es muss halt auch nach ihrer Meinung ein Bock sein. Wenn man sich zu fünft nach einem Scheißspiel in einer Disco trifft, ist das nur in einem Punkt zu kritisieren: Dass es nicht mehr waren. So aber war es eine relativ kleine Gruppe, die gemeinsam was erlebt hat – und dafür auch öffentlich getadelt wurde. Und die anderen waren schön brav. Und? War was besser? Stärkt das die Gemeinsamkeit? Stand da jetzt ein Team auf dem Platz?

Es ist lächerlich, sich darüber zu echauffieren, dass Jungs Anfang 20 nach getaner Arbeit in eine Disco gehen. Das ist altersgemäß und gesund. Dass sie es gemeinsam tun, auch gut. Nur hysterische Eltern hätten da was gegen, weil sie, unter dem Vorwand sie zu schützen, um ihre Kontrolle fürchten.

Wenn sie das tun, haben sie längst verloren. Die Kinder bocken dann, ziehen sich weiter zurück und lehnen sich nicht auf, das ist doch viel zu anstrengend, sondern einfach alles ab, was kommt. Sollen mich die Alten doch rausschmeißen. Das ist pubertär, aber ganz normal.

Also täte man gut daran, davon Abstand zu nehmen und sich bei der Erziehung aka Ausbildung ihrer Schutzbefohlenen auf das zu konzentrieren, worum es neben den leichten Dirnen, aber darum kümmern sie sich schon selbst, wirklich geht: Fußball spielen.

Ganz einfach.

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