Hannover 96 vs. 1899 Hoffenheim
Ergebnis statt Erlebnis
Die Effizienz der Disharmonie
Wer schon mal in einer längeren Beziehung war, kennt das: Plötzlich kennt man sich nicht mehr. Das, was zuvor einfach wie selbstverständlich funktionierte, ist auf einmal weg. Die Leichtigkeit, das stille Verstehen, das Einfach-machen-das-klappt-schon. Weg. Und keine Ahnung warum. Es hat doch sonst immer geklappt.
Das Schlimmste, was man in einer solchen Situation tun kann, ist wie so oft denken. Zwanghafter Rationalismus wirkt progressiv destruktiv auf die ohnehin fehlende positive Spontaneität. Dennoch schadet es nicht, sich mit dem Phänomen an sich auseinanderzusetzen. Aber dabei sollte man nicht das Problem beschreiben, sondern sich einfach noch einmal die Determinanten klar machen, sich also auf das fokussieren, worum es wirklich geht. Und dazu hilft in dem Fall Hoffenheim ein Blick in die Fußball-Regeln zur Saison 2009/2010 des DFB.
Die Ausrede, der Ball, das unbekannte Wesen, kann da nicht gelten. Alles, was man über ihn wissen muss, steht dort in Regel 2:
Der Ball ist regelkonform, wenn er
– kugelförmig ist,
– aus Leder oder einem anderen geeigneten Material gefertigt ist,
– einen Umfang von mindestens 68 und höchstens 70 cm hat,
– zu Spielbeginn mindestens 410 und höchstens 450 g wiegt und
– sein Druck 0,6 -1,1 Atmosphären beträgt, was 600-1100 g/cm2 auf Meereshöhe entspricht.
Dazu kommt es im Spiel darauf an, mehr Tore zu erzielen als der Gegner, womit wir bei Regel 10 sind: „Wie ein Tor erzielt wird“:
Ein Tor ist gültig erzielt, wenn der Ball die Torlinie zwischen den Torpfosten und unterhalb der Querlatte in vollem Umfang überquert, ohne dass ein vorgängiges Vergehen des Teams vorliegt, das den Treffer erzielt hat.
———– EXKURS ———–
Das ist natürlich harter Tobak, weil Humbug!!! Der Umfang eines Kreises (und nichts anderes ist ja ein Ball in der Draufsicht) berechnet sich „2rπ“. Er beträgt bei einem regelkonformen Ball (s.o) mindestens 68 und höchstens 70 cm . Demnach wäre ein Tor nur dann gültig erzielt, wenn der Ball die Torlinie zwischen den Torpfosten und unterhalb der Querlatte um mindestens 68 cm überquert hat. Was korrekt wäre, wäre also „Durchmesser“. (Wir haben die Verantwortlichen um Korrektur gebeten!) ———– EXKURSENDE ———–
Da zudem immer nur ein Ball auf dem Spielfeld sein darf, geht es also darum, das Spielgerät so schnell es geht in Besitz zu bekommen und dort so lange wie möglich zu bewahren. Das führt zu der relativ zur Komplexität der Spielessenz kongruente Quintessenz: Wer den Ball beherrscht, beherrscht das Spiel.
Und da unseren Jungs ganz offensichtlich jene Vertrautheit mit dem Spielgerät abhanden gekommen zu sein scheint, herrschte unter uns bloßes Entsetzen. Bälle werden nicht mehr gespielt, sie wurden verspielt. Es fand so gut wie kein Spielaufbau statt. Tortur statt Struktur kennzeichnete das Spiel unsere Mannschaft (?), besser gesagt: unserer Elf.
Wieder hatte man nicht das Gefühl das da eine Einheit von Elfen auf dem Platz stand, sondern elf Individuen, die zum Glück aber zum Teil über eine solche Klasse verfügen, dass man auch ein solches Spiel, in dem man keine Chance hat, mit 1:0 gewinnt.
Hildebrand rettete mehr als einmal in höchster Not; Simunic hatte auch in der größten Drangphasen der Hausherren meistens die Kontrolle über die Situation und nicht selten auch noch Zeit für eine kleine technische Einlage im eigenen Strafraum (immerhin beherrschte er es), Compper hatte einen guten Tag und Ibertsberger eine gute 2. Halbzeit, als er auf seinem angestammten Platz war. Zu guter Letzt ist natürlich Eduardo zu nennen, der ansonsten sehr eigensinnig spielte, allein gegen eine Vielzahl von Gegner anlief und jedesmal den Ball gegen die Übermacht verlor, aber eben einmal, in der 40. Minute nicht. Es war leider der einzige Doppelpass, den er spielte. Wir wissen nicht, ob mit Absicht, aber dafür definitiv mit Erfolg: Es ging schnell: nur eine kurze Ballberührung, mit der er sofort Lauf und Geschwindigkeit des Balles unter Kontrolle bringt, damit sowohl ihn als auch die Situation und da er zudem auch noch den Schuss aus freiem Lauf beherrscht. Folge: 1:0.
Völlig unverdient, völlig egal. Es war der einzige Moment, wo man als Fan im Positiven die Beherrschung verlieren konnte. Ansonsten war das wirklich nur für Agrarwirtschafter oder anderen Menschen, die sich an Kraut und Rüben erfreuen können, ansehnlich, was wir das zusammenkickten.
Wenig Zusammenspiel, was natürlich auch die Frage nach dem Zusammenhalt aufwirft. Irgendwie läuft es in der Mannschaft nicht – und gerade im Sturm scheint der Wurm drin zu sein. Oder war es nur ein spielerisch schlechter Tag? Vom Ergenis her stimmt es ja. 5 Punkte nach 4 Spielen und obere Tabellenhälfte nachdem man bereits gegen Bayern, Leverkusen und Schalke spielte, faktisch ist ja alles so schlecht nicht. Aber wie es halt so ist in einer Beziehung: Fakten sind nicht alles! 🙂
Dass unsere Jungs die Qualität für ganz oben haben, zeigt sich ja auch in der Anzahl der Abstellungen für die Länderspiele. Acht Mann spielen für ihre Nationalmannschaften.
Naja – vielleicht ist es ja dann jetzt auch gerade gut, dass Länderspielpause ist. Wie im wahren Leben tut es ja so mancher Beziehung gut, wenn man sich mal ein paar Tage nicht sieht.
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