VfL Wolfsburg vs. 1899 Hoffenheim
Ein Milliardär hat’s schwär
Der realistische Visionär
In der Hinrunde, in der ohnehin alles anders war, war auch Dietmar Hopp oft in den Medien. Er war ein gefragter Gesprächsgast, genauer gesagt: plötzlich ein gefragter Gesprächsgast. Denn zu Zeiten, als er „nur“ reich war, interessierte sich niemand für ihn. Die Branche, in der er sein Vermögen verdient hat, hat ja auch so gar keinen Sex. Und auch er selbst: ein an sich massenmedialer Horror! Seit Ewigkeiten verheiratet, gekleidet in auf den ersten Blick Klamotten des Nachbarn, die Aura eines Lada-Fahrers. Einfach zu wenig exzentrisch, zu langweilig, zu sozial. Gibt Gelder an zu Unrecht Verdächtigte, an Krankenhäuser, an dieses und jenes in seiner Heimat, unterstützt in seiner Region in Not geratene Vereine und Institutionen. Und sein Auftreten von einer fast schon ekelhaften Bescheidenheit. So darf ein Multi-Milliardär nicht sein. Er muss Projektionsfläche bieten. Er muss ein Repräsentant der „die da oben“, ein „so einer“ sein.
Andererseits, wenn einer so gar nicht ins Klischee passt, ist das auch schon wieder gut. Und wenn sich dann noch der Erfolg dazu gesellt, dann verzeihen die Medien einem auch mal, viel Geld zu haben und wenig Aufhebens um die eigene Person zu machen – ist es doch sonst meist umgekehrt. Und so versuchte man ihn als den „Mr. Hoffenheim“ zu inthronisieren, der Mann, der mit seinem Geld einen Dorfverein zum Herbstmeister machte.
Als das allein nicht fruchtete, wurde das „Projekt Hoffenheim“ in seiner Breite dargestellt, was vordergründig von ihm ein wenig ablenkte, aber da es durch doch nur seine Investitionen erst möglich wurde, zahlte es doch auf die latente Kapitalismuskritik im modernen Fußball ein. Herbstmeister – es erschien so manch schlichtem Gemüt als die logische Folge von all den Millionen, die Herr Hopp in das Projekt investierte. Dass er sich zwar über den Erfolg freute, aber ihn weder erwartete noch glaubte, dass er anhalten werde, wurde er schon wieder langweilig. Wieder so was Bescheidenes.
Seine Aussage „Ich freue mich, wenn der Verein am Ende der Saison auf einem einstelligen Tabellenplatz landet.“ wurde von wenigen geglaubt. Es wurde fabuliert, viel interpretiert und projiziert. Damit hatte der Mann aber eigentlich wie so oft, was ihn auch nicht wirklich beliebt macht, nur eines: Recht!
Platz 9 ist es jetzt. 4 Spieltage vor Schluss 6 Punkte vor Platz 10. In der aktuellen Verfassung kein wirklich beruhigendes Polster, aber es geht ja im Grunde auch um nichts mehr. Zumindest nicht in Sachen Tabellenplatz. Der Klassenerhalt ist ebenso sicher wie der Titel „schlechtester Herbstmeister aller Zeiten“ – damit muss man sich abfinden.
Allerdings nicht mit der Art und Weise, wie die Mannschaft spielt. Spätestens seit dem Spiel gegen Frankfurt zeigt sich, dass die Mannschaft zwar nach wie vor ganz tollen Fußball spielen kann, aber kaum mehr als dreißig Minuten. Danach läuft bis auf Beck fast nichts mehr.
Die katastrophale Ausführung von Standardsituationen muss man nicht wieder und wieder thematisieren und auch, dass unsere Mannschaft Chancen hat, sich die meisten davon sogar herausspielt, aber nicht nutzt, entspricht zwar nach wie vor der Wahrheit, ist erinnert doch sehr ans alte Goethe Wort:
„Getret’ner Quark
wird breit – nicht stark!“
Trotzdem ist man als Fan natürlich verärgert. Auch die zahlreichen Verletzungen erklären nicht, warum die Mannschaft nur noch ein Drittel des Spiels in der Lage ist, es zu machen.
Man weiß ja, was die Einzelnen können und wozu sie als Gemeinschaft fähig waren. Man fragt sich natürlich, warum das nun nicht mehr so ist. Ist es wirklich nur der Erfolg gewesen? Wenn ja, ist es ein psychisches Problem, aber auch dafür hat das „Projekt Hoffenheim“ eine Kompetenzstelle mit einem Fachmann besetzt. Und dass es ein psychisches Problem sein könnte, zeigen die zahlreichen Verwarnungen und Platzverweise der letzten Spieltage, wobei die gelb-rote Karte dieses Spiels gegen Andreas Beck nicht hinzuzuzählen ist. Das waren einfach zwei „normale“ Verwarnungen – im Gegensatz zu dem, was sich Haas, Gustavo und vor allem Eduardo in der jüngsten Vergangenheit leisteten.
So gesehen hat sich auch die Niederlage gegen Wolfsburg schon vor Wochen angekündigt, auch wenn Magaths Mannen schon auch Glück hatten, dass Mitte der 2. Halbzeit jeder Schuss ein Treffer war. Sie profitierten dabei auch von Fehlern der völlig neuformatierten Abwehr mit Vorsah und Compper in der Innenverteidigung – und das gegen die Toptorjäger der Liga.
Rangnick suchte sein Heil in der Flucht. Mit drei Stürmer starteten wir ins Spiel. War das Konzept? Verzweiflung? Starrsinn? Schließlich ist Herr Rangnick ein Siegesbesessener. Das ist per se nicht schlecht, hat nur eben da seine Grenzen, wo es diejenigen, die zur Erreichung des eigenen Ziels notwendig sind, daran hindert das Ziel zu erreichen.
Denn auch das könnte das Problem der Mannschaft sein, dass sie zu ungeduldig ist, zu schnell den Abschluss, den Torerfolg sucht. Das macht es für den Gegner einfach. Er muss Hoffenheim nur kommen lassen. Mit jeder Minute, die unsere Jungs verzweifelt anrennen, verlieren sie psychisch und physisch Kraft. Ich muss als Gegner nicht mal was machen. Ich muss nur dafür sorgen, dass Hoffenheim erst mal nichts macht.
Und bei ein Trainer wie Ralf Rangnick könnte durch den ausbleibenden Erfolg nervöser, ungeduldiger und eventuell auch unbeherrschter werden, was sich ebenfalls nicht positiv auf die Mannschaft auswirkt. 12 sieglose Spiele in Serie – für einen Menschen wie Ralf Rangnick, der selbst bei einem Hallenfußballturnier um die Goldene Ananas durchaus cholerisch anmuten kann, muss das schwierig sein, damit klarzukommen.
Natürlich kann man dann ausweichen, sich andere Spieler kaufen wollen, vor allem, wenn man dem (Irr-)Glauben aufsitzt, der Hopp wird schon zahlen. Das wird er nicht tun. Bleibt Ralf Rangnick also nur sich zu beruhigen, sich selbst zu hinterfragen, seinen Ehrgeiz und seine Besessenheit so zu formulieren, dass ein Ansporn daraus erwächst, kein Anschiss. Und dass das geht, zeigt Herr Magath. Er hat es geschafft. Er ist gelassener geworden – und erfolgreicher.
Zurück zur Frage: Ist es, wenn man beim Gastspiel beim Tabellenführer mit einem unverletzt und zuletzt in Hochform spielenden Top-Sturm mit drei Stürmern startet Konzept? Verzweiflung? Starrsinn?
Nun, zu Anfang funktionierte es ja. 1899 wirkte überlegen, allerdings ohne groß Wirkung zu haben. Zwei Riesenchancen allerdings gab es, denen aber in den letzten fünf Minuten des ersten Abschnitts derer sieben der Heimmannschaft gegenüberstanden. Und nach der Pause begann Wolfsburg dann, weiter Druck zu machen und unsere neue Abwehr ganz alt aussehen zu lassen. Nach dem ersten Treffer war es ihnen dann ein Leichtes, unsere Mannschaft auszukontern, denn nachdem das erste Tor gefallen war, wenngleich es in der Entstehung ein reines Zufallsprodukt war, fiel 1899 mehr oder weniger in sich zusammen. Irgendwie auch verständlich, schließlich ist es ein Graus Woche für Woche zu spielen, zu machen und zu tun – ohne Erfolg.
Wirklich ohne? Hätte man einem Fan gesagt, dass Hoffenheim vier Spieltage vor Schluss punktgleich mit Bayer Leverkusen und sechs Punkte vor Werder Bremen auf Platz 9 in der Tabelle liegt, Herr Hopp, der ja einst für die Prognose belächelt wurde, wäre da nicht der einzige gewesen, der sich darüber gefreut hätte.
Das ist Realismus, Herr Rangnick – und darauf gründet eine erfolgreiche Zukunft, in die es sich dann auch zu investieren lohnt.
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