Bayer 04 Leverkusen vs. 1899 Hoffenheim
Don’t hassle …
Die TSG – auch ohne Führung (im Spiel)
eine mutige Marke (auf dem Platz)
Wir waren kurz davor. Ganz kurz davor. Aber dann blieb es beim 2:2 – und wir, also wir „Akademiker“ waren gerettet.
Hätte es unsere Mannschaft, die gestern wahrlich wie ein Mann schafft’, geschafft, das Spiel komplett zu drehen, wären wir wohl durchgedreht und hätten uns dem Risiko eines Rechtsstreits ausgesetzt, genauer: Urheberrechtsstreit.
Bei seiner Scheidung 2008 hat sich nämlich kein anderer als der größte Serienstar aller Zeiten die alleinigen Rechte seines Spitznamens sowie seines Markenmottos zusichern lassen, auch Nutzungsrechte. Andererseits: Auch dieses Spiel reicht eigentlich schon, um ENDLICH wieder einmal zu sagen:
Dem, was wir gestern gewahr wurden, war nicht die Ware, sondern die wahre TSG – und stand für uns schon fest, als es noch 0:2 stand.
Exkurs Markenführung:
-
- Was verkauft Marlboro?
Falsch. - Was verkauft Coca-Cola?
Falsch. - Was verkauft BMW?
Auch falsch, wobei es da noch am einfachsten ist, auf die richtige Lösung zu kommen.
- Was verkauft Marlboro?
BMW verkauft keine Autos, sondern „Freude am Fahren.“ Coca-Cola verkauft keine alkoholfreien, meist koffeinhaltigen Erfrischungsgetränke, sondern „Unbeschwertheit“ und Marlboro verkauft auch keine Zigaretten, sondern – du wirst es schon erahnt haben, geneigte/r Leser/in, genau: „Freiheit“. Kein Unternehmen der Welt, zumindest kein erfolgreiches – und auch kein Fußballverein –, „verkauft“ ausschließlich ein Produkt.
Das wäre dumm, denn in den allerallermeisten Fällen sind die puren Produkte austauschbar, wenn nicht gar gesundheitsschädlich. Dabei kennt die Kundschaft sogar die Gefahr, die davon für ihr Leib und Leben ausgeht. Ob es sich um Zigaretten handelt (Krebs), Zucker (Diabetes, Adipositas) oder hochmotorisierte Personenkraftfahrzeuge (insbesondere in Bewegung im Moment des Kontakts mit einem anderen Objekt von hoher Stabilität, insbesondere dann, wenn es sich nicht bewegt: Baum, Leitplanke, LKW am Stauende) gekauft werden die Sachen … trotzdem.
(Ja, Schlauberger/in in der letzten Reihe? Ja, klar – von dir natürlich nicht. Und, klar, von deinem Umfeld natürlich auch nicht. Aber nicht alle sind so toll, klug und rein rational wie ihr. Manche machen Sachen aus emotionalen Gründen und Bedürfnissen heraus und dabei auch Fehler. Diese Manche nennt man „Menschen.“ Ja, du bist weise, aber sie sind die Mehrheit. Alles Weitere, z. B. Beweise findest du in Geschäftsberichten unter „Umsatz“.)
Es geht also ums Gefühl – und das hat im Idealfall immer mit einer tiefverwurzelten Sehnsucht einer (interessanterweise ganz gleich ob natürlicher oder juristischer) Person zu tun. Und je tiefer verwurzelt sie im Einzelnen ist, desto mehr spricht sie die Masse an.
Exkurs Ende
Der gestrige Auftritt unserer Mannschaft war aber weit mehr als ansprechend. Es war dankenswerterweise auch kein Spektakel. Es war ein faszinierendes Fußballspiel, das den Tabellenplätzen der Mannschaften und der Terminansetzung mehr als gerecht wurde. Bundesliga Platz 3 gegen Platz 4, Mittwochabend, zwischen 19 und 23 Uhr, das ist Champions League – und das Spiel hatte auch genau dieses Niveau.
Es war taktisch, aber nicht langweilig.
Es war spielerisch, aber nicht aseptisch.
Es war körperlich, aber nicht unfair.
Es war einfach ein tolles Fußballspiel von beiden Mannschaften.
Es war Werbung für den Fußball.
Exkurs: Markenführung im Fußball
Ja, Fußballvereine sind Unternehmen. Dennoch ist Werbung und insbesondere Markenführung im Fußball nicht mit der gewöhnlicher Unternehmen zu vergleichen. Denn während Unternehmen ihr Angebot ganz alleine bestimmen können, muss sich ein Verein an jedem Spieltag im direkten Duell mit einem Mitbewerber beweisen und sich dabei live von Menschen bewerten lassen, die keine Kenntnis über die Gründe der Komposition des Angebots besitzen – und selbst wenn sie sie hätten, diese nicht zwangsläufig einordnen können oder in ihrer Bewertung miteinfließen lassen, was sie ja fairerweise tun müssten, da sie – die Rede ist hier natürlich von den Kommentator/inn/en – einen großen Einfluss auf die Markenwahrnehmung haben.
Dabei hat das Spiel selbst natürlich einen wesentlichen Anteil, aber auch das ganze Drumherum sind für die Wahrnehmung entscheidend. Das beste Beispiel hierfür ist der SC Freiburg, bei dem die Auftritte des Trainers vor und nach dem Spiel sehr zum Markenimage beitragen. Aber auch beim 1. FC Köln oder dem FC Union Berlin ist das der Fall. Darüber hinaus tragen die Spieler in deren Auftritten außerhalb des Spiels hierzu bei. Und je stringenter diese Faktoren sind, desto stärker wird der Verein als Marke wahrgenommen. Zudem sind die Fans bei sehr vielen Vereinen (z. B. St. Pauli, Eintracht Frankfurt, FC Schalke 04, Dynamo Dresden) ein ganz wesentlicher Faktor bei der positiven wie negativen Wahrnehmung eines Vereins (als Marke) – oder sie werden dazu gemacht, z. B. durch Medien, die die Stadionauslastung, die Stimmung im Stadion oder andere Faktoren.
Gerade bei Letzterem kommt ein Verein wie Borussia Dortmund sehr gut weg. So gut, dass die Fakten selbst (börsennotiert, hohe Kaderfluktuation, teilweise horrende Ablösesummen) dem Image „Echte Liebe“ nichts anhaben können.
Der Grund hierfür liegt in der Verkörperung (also der öffentlichen Zurschaustellung) der eingangs erwähnten tief verwurzelten Sehnsucht der Zielgruppe. Und wenn das Image daraus erwächst, im Fußball: aus der Fanszene, und/oder wenn sich die Vereinsverantwortlichen als Gärtner verstehen, die also die Marke hegen und pflegen, düngen und wässern – und eben NICHT als Züchter, die ständig versuchen, durch Kreuzungen ertragreichere Varianten zu erzeugen, was bei normalen Unternehmen wiederum sehr sinnvoll ist, dann kann Markenführung im Fußball eigentlich gar nicht nicht funktionieren.
Dass es so selten gelingt, liegt meist am fehlenden Gespür der Verantwortlichen für die Kernzielgruppe oder eben deren Fehleinschätzung, wer oder was die Kernzielgruppe ist.
Es lohnt sich also immer, auf die Wurzel zu schauen.
Diese Wurzel bei der TSG ist ein ambitionierter Ex-Kicker des Vereins. Er fand in Ralf Rangnick, aber auch Bernhard Peters nicht minder ambitionierte Umsetzer. Dann kam es zwar zu vielen Einschnitten, vieles wurde gestutzt, was weder Wachstum noch Blütezeit zuträglich war, aber – das kennt jede/r, der/die sich schon mal einen Ficus bei einem schwedischen Einrichtungskaufhaus kaufte – gerade wenn man denkt, dass man das Ding jetzt endlich loswerden müsse, sprießt es auf einmal. Dieser Spross war Julian Nagelsmann. Auch er ein hochgradig motivierter Umsetzer. Auf Spielerseite gesellte sich da in kurzer Zeit Sandro Wagner hinzu, der vielleicht nicht der allerumgänglichste Mitmensch ist, aber eben auch hochgradig ambitioniert. Und keiner der genannten Personen hatte Scheu, seine Ambitionen kundzutun. Und das bekam dem Verein. Das passt zur Region. Das passt zu den Menschen. Sie sind gern ans Großmäulige grenzend vollmundig – wie wir. Sie riskieren dabei auch schon mal was – wie wir. Und kümmern sich ’n Scheiß, wenn’s mal (!) nicht klappt – wie wir. Machen wir es kurz:
Die Wurzel der TSG ist konsequente Ambition. Und folglich: Mut!
Exkurs Ende
Hoeneß schien (genau deshalb) lange Zeit, nicht der richtige Trainer für die TSG zu sein. Er wirkte zaghaft, zögerlich. Aber man muss ihm zugutehalten: Er blieb unbeirrt bei seinem Weg – und Beharrlichkeit kann sehr wohl Ausdruck von Mut sein.
Vielleicht brauchte es auch die Aussage des ambitionierten Ex-Kickers des Vereins, der die TSG mittel- und langfristig kontinuierlich um die internationalen Plätze mitspielen sehen will, dass Herr Hoeneß sich noch mehr traute.
Jedenfalls ist es so – das mag korrelativ sein –, dass seit diesem Satz von Herrn Hopp die TSG einen enormen Satz in der Tabelle nach oben gemacht hat.
Vor vier Spieltagen stand wir noch auf Platz 10. Nach dieser Partie stehen wir immer noch auf Platz 4. Und haben immer noch die Chance am kommenden Samstag auf Platz 3 zu klettern – und gegebenenfalls auf diesem auch die Hinrunde zu beenden, denn Sonntag spielen unsere aktuellen Tabellennachbarn gegeneinander. Und sollten die sich ebenfalls unentschieden trennen … 🙂
Hoeneß blieb auch gegen diesen Gegner, gegen diese Offensive, bei seiner Dreierkette.
Mutig.
Er stellte sie auch komplett um.
Mutig.
Er nahm sogar Posch raus, der eigentlich rechts hinten gesetzt zu sein schien und stellte aber nicht Akpoguma nach hinten, wo dieser ja auch schon oft spielte, sondern Richards auf die Position Poschs, wo dieser noch nie spielte.
Mutig.
Er ließ dennoch hoch verteidigen.
Mutig.
Diese Taktik hätte sehr früh nach hinten losgehen können. Die Gastgeber hatten sehr früh sehr gute Chancen, die sich aus den Räumen, die sich hinter der Kette auftaten, ergaben, die sie aber erstmal allesamt vergaben.
Er blieb bei der Taktik, obwohl wir offensiv kaum Durchschlagskraft entwickeln konnten – und dann auch zu dem Zeitpunkt alles andere als unverdient, wenngleich sehr unglücklich (insbesondere aus Sicht von Baumann, der bereits davor und noch mehr danach alles und nicht selten hochkurios hielt, so dass er völlig zu Recht in der kicker-Elf des 16. Spieltages landete) – das 1:0 kassierten. Er blieb bei der Aufstellung …
Mutig.
… weil die Einstellung im Team stimmte. Trotz des Gegentreffers ging sie weiter ihren Weg und so gut es ging – und es ging immer besser – weiter nach vorn. Hatten die Gastgeber auch weitere Großchancen, u.a. einen Pfostentreffer, näherten auch wir uns immer mehr nicht nur physisch dem Tor an, und erzielten unsererseits einen Kopfballlattentreffer.
Und obwohl die Mannschaft immer besser ins Spiel zu kommen schien und immer besser im Spiel zurechtkam, kam es zu gleich zwei Auswechslungen zur Halbzeit – bemerkenswerterweise positionsgetreu: Kaderabek und Stiller für Akpoguma und Rudy.
Mutig.
Und auf einmal ward es nahezu aus mit der Herrlichkeit der Werkself. Die TSG dominierte das Spiel und rückte keinen Jota von ihrer hochriskanten Spielweise ab.
Mutig.
Da war kein Hoffen auf eine Chance auf den Ausgleich, das war ein Wollen und Drängen – und ein Konter zum 0:2. Und was machte Hoeneß? Die TSG? Weiter …
Mutig.
Es gab keine Verwaltung. Es gab keine Absicherung des Torverhältnisses für den Fall einer Niederlage. Hoeneß gab wohl den Rüssmann aus:
„Wenn wir schon nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt.“
Und lange sah es so aus, als ob dies unsere einzige Chance blieb, denn die Chancen, die wir hatten, wollten partout nur ans, nicht ins Tor. Karamaric landete einen weiteren Alutreffer und Baumgartners Schuhwerk erlaubte an diesem Abend vor dem Gestänge nur rugbytaubliches Schusswerk.
Entsprechend wurden dann die entsprechenden Personen eingewechselt: Für Baumgartner kam Dabbur, der sich ja immer gerne quer übers Feld pflügt, und Rutter, der ja ebenso gerne und immer mit großer Spiellust und -laune den Rand des Hains beackert und so manche Ketten sprengt, für Bebou, der viele Bälle sehr gut festmachen, aber sonst wenig mit ihnen anfangen konnte.
Das war jetzt mal nicht sonderlich mutig, sondern eigentlich normal für ihn wie auch das, was kam, eigentlich auch erst einmal normal war für uns. Auch an diesem Abend, denn zu den bisherigen zwei Alutreffern gesellten sich noch zwei, sehr kurz hintereinander, als Kombination, nach einem Schuss von Stiller, der dann aber nach der zweiten Berührung im Tor landete. Der hochverdiente Anschluss durch den 16. Torschützen der TSG im 16. Spiel der Saison 2021/22.
Keine drei Minuten später fiel durch ein weiteres Traumtor nach einer weiteren Traumkombination der Ausgleich durch Dabbur.
Es war nicht nur die Schönheit des Tores, sondern auch der Mut, die Chuzpe, den Ball in einer solchen Situation so zu verwerten – und eben nicht nur im und am gegnerischen Fünfmeterraum. Auch am eigenen agierten wir mit Kombinationsfußball, wenn uns die Gastgeber anliefen, um dann, wenn deren vorderste Reihe ausgespielt war, die eigene vorderste Reihe schnellstmöglich anzuspielen. Auch das …
Mutig.
Zum Schluss reichte es in Überzahl nicht zu mehr. Aber es waren ja bereits 92 Minuten gespielt und nur noch rund 100 Sekunden auf der Uhr, als endlich der Leverkusener den Platzverweis erhielt, den er bereits in der 21. Minute nach einer Ohrfeige (keine wilde, aber die Geste zählt) gegen Rudy hätte bekommen müssen.
- 2:2.
- 2 Einwechselspielertore.
- In der 2. Halbzeit.
- Nach 0:2-Rückstand.
- 2 Spieltage hintereinander auf einem Champions League-Platz.
- 2felt noch wer an unserem Team?
Es hieß ja immer, unserer Mannschaft habe es in sich. Am Abend bewies sie es auf ihre Art. Wir zeigten bereits 12 Stunden vor Anpfiff des Spiels gegen die Werkself einer Weltmarke, welches (Marken-)Potenzial in jedem Einzelnen unserer Spieler steckt:
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