Vfl Wolfsburg vs. 1899 Hoffenheim
Worstward Ho?
Keine Angst vor absurdem Theater
Es war ein packendes Spiel. Es war spannendes Spiel. Es war ein dramatisches Spiel. Es war ein scheiß Spiel. Vor allem aber: Es war nicht unser Spiel.
Schon, wenn man sich die Aufstellung ansieht, …
Pentke
Posch – Bicakcic – Hübner – Stafylidis
Kaderabek – Geiger – Larsen – Skov
Kramaric – Beier
…, wusste man, dass es schwer werden würde gegen ein Team, gegen das wir – von dem legendären 6:2 von vor viereinhalb Jahren mal abgesehen – in der Vergangenheit fast immer schlecht aussahen, denn alle diese Spieler standen Sebastian Hoeneß nicht zur Verfügung, mit der Folge, dass wir gegen diesen Gegner jetzt exakt so viele Spiele verloren wie nicht verloren haben (13 / 7 / 6) und nun (mit einem Punkt) zum ersten Mal schlechter dastehen in der Tabelle als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr unter Schreuder. Da, allerdings, hatten wir kein nahezu kadergroßes Lazarett, spielten wesentlich unattraktiver und nicht ständig „englische Wochen“.
Wie Schreuder spricht auch Hoeneß stets davon, dass man mutig spielen wolle. Nur, im Gegensatz zu unserem damaligen Cheftrainer, will er das auch. Schon, wenn man sich die Aufstellung ansieht, …
Baumann
Bogarde – Vogt – Akpoguma
Rudy – Grillitsch – Samassekou – Baumgartner – Sessegnon
Belfodil – Dabbur
…, wusste man, dass den Worten Taten folgen sollten – und das sollten sie gewiss auch, aber dann taten die Spieler vieles, was Folgen haben sollte … und der Schiedsrichter tat sein Übriges.
Man muss in diesem wirklich schlechten Spielleiter jetzt nicht DEN Schuldigen für die Niederlage suchen, aber man kann ihn in ihm (und dem VAR) finden. Natürlich auch wegen der Szene, die dem ersten Tor der Gastgeber vorausging. Ganz gleich, ob er nach dem Kontakt eines Wolfsburger Beins gegen Dabburs Bein, was dessen Fall verursacht hat, einen Strafstoß hätte geben „müssen“, er hätte ihn mit Sicherheit geben „können“ – und um das zu beurteilen, hätte er sich diese Szene anschauen „sollen“ – und sei es auf Anregung der Killerrechter … äh … Kellerrichter.
Vielmehr waren es die vielen kleinen Szenen mit Körperkontakt, den er fast immer als Regelverstoß ahndete. Da konnte man schon ahnen, dass dies ein Spiel mit vielen Unterbrechungen werden würde, was uns nicht liegt, den Gastgebern aber sehr, die ohnehin sehr gerne, viel und lange lagen.
Die Aufhebung der Abseitsentscheidung vor dem 1:0 war ärgerlich, aber korrekt. Das aber sah man am Fernseher und selbst da auch nur schwerlich ein. Dass dies – erst kein Elfmeter, dann elf Millimeter und beides zu unseren Ungunsten – mit den Spielern emotional mehr macht, müsste jedem klar sein – und entsprechend unklar blieb unser Spiel.
Wie schon in den vielen Spielen zuvor waren unsere Zuspiele unpräzise und lasch, so dass sie kaum Dynamik entwickelten. Zudem waren die Ballannahmen sehr unsicher und schlicht (,) dergestalt, dass sie auch das letzte bisschen Dynamik und damit Spielfluss aus dem Spielaufbau nahmen.
Ganz anders hingegen die Gastgeber, deren zweitem Angriff genau ein solches hartes, präzises, dynamisches Passspiel vorausging – und – diese Erwähnung gebührt die Fairness – ein sensationeller Sahnepass. Zwar konnten wir die beiden ersten Schüssen noch abblocken, aber der dritte war dann drin – und der Blutdruck hoch.
Nun stehen wir ja gerne über den Dingen. Das lässt uns zwar manchmal überheblich wirken, aber das macht uns so wenig außerirdisch, wie das Spiel unserer Mannschaft dann insgesamt unterirdisch war. Sie standen ja auch nicht. Sie liefen viel, aber leider auch viel umsonst. Und das heißt: Wie unsere Mannschaft sind wir keine Überflieger.
Aber wir orientieren uns gerne an ihnen und in dem Fall ganz besonders an einem: Neil Armstrong. Vom ersten Mann auf dem Mond ist das Zitat überliefert:
„Ich glaube, dass jeder Mensch eine begrenzte Anzahl von Herzschlägen hat. Ich beabsichtige nicht, meine damit zu verschwenden, dass ich herumrenne und Übungen mache.“
Wir würden noch gerne ergänzen: „… dass ich mich aufrege – insbesondere nicht über die Dinge, die ich nicht ändern kann, denn das wäre sinnlos – und ein Leben ohne Sinn und ohne Verstand … naja … wie so mancher hoher Ball von uns: ohne Sinn.“
Viel sinniger ist es, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen statt seiner primitiven Instinkte und Reflexe. Natürlich war das alles andere als schön, was man da sah, aber was sah man denn?
Eine Mannschaft, die einige technische Fehler aufwies, sich wenig am Spiel beteiligte, und eine, die sich mühte und versuchte, aber an sich und allen anderen auf dem Platz scheiterte. Unser Pech war halt, dass erstere aus zwei Chancen zwei Treffer erzielte und dabei jede Menge Glück hatte, während den Unsrigen die erste halbe Stunde, aber mal so gar nichts glücken wollte – und wirklich besser wurde es nicht.
Während es in der Europa League hervorragend läuft, läuft es in der Bundesliga aber mal so richtig in die falsche Richtung – „Aufs Schlimmste zu“, was auch der deutsche Titel des vorletzten Werks von Samuel Beckett ist: „Worstward Ho!““
In diesem Prosastück findet man auch das legendäre Zitat, an das sich wohl auch die Mannschaft zu Herzen genommen hat – und trotz dieser dämlichen Niederlage weiter nehmen wird:
“Ever tried. Ever failed. No matter.
Try again. Fail again. Fail better.”
Denn die Mannschaft gab (sich) nicht auf. Das muss man anerkennen. Das muss man loben. Das muss man auch gutfinden. Nicht das Spiel unbedingt, aber die Tatsache, dass sie wirklich alles versuchte, immer und immer wieder, dabei auch ähnlich oft, zum Teil auch kläglich scheiterte, und dennoch weitermachte, immer und immer wieder, zeugt von Moral, zeugt von Gemeinschaft und so soll es auch sein bei der TSGemeinschaft! Und es wurde ja auch von Mal zu Mal besser.
Mitte der zweiten Halbzeit waren sie klar die dominierende Mannschaft, gleichwohl die klaren Chancen ausblieben, aber sie blieb am Drücker und am Ball, an den die Wolfsburger nur noch einmal kamen, weil Akpoguma den Ball doof vertändelte. Vogt konnte die Szene zwar klären, aber nur auf Kosten eines (gar nicht mal sooo klaren) Elfmeters für die Hausherren.
Als diese diesen daneben versemmelten, gelang uns sogar dann doch endlich der Ausgleich durch Adamyan und noch mehr, weil wir weiter am Ball und Drücker blieben und beides gen Ende sogar erhöhten, sogar dergestalt, dass Baumann zwei Minuten vor Schluss mit im gegnerischen Strafraum zum Kopfball aufstieg, der da allerdings per Hand geklärt wurde, was ihn reflexartig, als der Schiedsrichter zur Verdeutlichung seiner Entscheidung auf seine Hand wies, zu lautem „Ich nicht! Ich nicht!“ veranlasste. Erst dann erkannte auch er, dass der Schiedsrichter korrekt auf Handspiel erkannte.
Dabbur brachte den Ball vom Punkt zwar aufs Tor, aber nicht ins Netz. Der finale FAIL! Er scheiterte aber an dem Mann, dem wir dank seines Reklamierarms ehedem in Dortmund auf ewig dankbar sein werden. Casteels hielt und damit auch unsere Unglückssträhne in der Bundesliga.
Wie nah Glück und Unglück zusammenliegen, erkennt man auch einfach an den Zahlen:
7 ist ja angeblich DIE Glückszahl. Nach aber genau so vielen Spielen liegen wir mit genau so vielen Punkten auf dem Platz, der die Nummer trägt, die angeblich ja DIE Unglückszahl ist. Auch irgendwie passend, nach der 13. Niederlage gegen die Niedersachsen, einem packenden Spiel, einem spannenden Spiel, einem dramatischen Spiel.
Samuel Becketts bekanntestes Drama ist „Warten auf Godot.“ Es wird dem absurden Theater zugeordnet. Allerdings darf man die Darstellung von Absurdem nicht mit einer absurden Darstellung verwechseln. Manchmal ist es einfach der Mangel an Konkretheit, der es absurd erscheinen lässt, wobei es aber eher abstrakt zu nennen ist. Und im abstrakten Theater sind die dramatischen Personen nicht zwangsläufig die handelnden Personen, denn die Handlung kann auch auf der Stelle treten, ohne ein Ziel zu erreichen.
Becketts Folgewerk heißt „Endspiel“ – und wie das in der Fachbranche interpretiert wird, lässt frohlocken, wenn man an unsere Folgepartie/n denkt: „ein Spiel für einen Hammer und drei Nägel“.
Und mit Kramaric und weiteren Rückkehrern werden wir wieder voll zuschlagen können.
Pause.
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