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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1. FSV Mainz 05 vs. 1899 Hoffenheim

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Wittgensteins 7

Was unsinnig ist, ist nicht sinnlos.
Was nicht sinnlos ist, ist nicht sinnvoll.
Was sinnvoll ist, kann nicht unsinnig sein –
und doch beides erleuchtend.

Ein jeder kennt Wittgenstein, so wie ein jeder Schrödinger kennt, ist er doch der Vater des „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten“-Zitats, für das Dieter Nuhr ein gerüttelt‘ Maß an Berühmtheit erhielt – und nicht wenige fällt da das geflügelte Wort der Notwendigkeit des Besenschwingens vor dem eigenen Portale ein.

Allerdings hat er, Wittgenstein, es nie zu einem Inbegriff gebracht, wie eben „Schrödingers Katze“, „Heisenbergs Unschärferelation“ oder „Darwins Evolutionstheorie“.
(Die Links führen zu den Spielberichten, in denen wir diese Themen behandelten.)

Er hat halt mal ein Buch geschrieben, das im Bereich der Philosophie ziemlich eingeschlagen hat, um das mal ins Neuhochdeutsche zu übersetzen. Aber allein der Titel zeigt, dass er im Gegensatz zu anderen Menschen, die man heutzutage als Philosophen kennt, nicht so sehr auf Abverkaufszahlen geachtet hat, denn auf logische Korrektheit: Tractatus logico-philosophicus.

Es besteht lediglich aus sieben Abschnitten und der 7. Abschnitt sogar nur aus einem Satz, eben jenen bekannten:

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“

Das ist jetzt nicht moralisch gemeint, keine Aufforderung, bestimmte Wahrheiten um des lieben Friedens Willen unerwähnt zu lassen, sondern eben dass das, was Sprechen oder Denken ermöglicht, nicht dessen Gegenstand sein kann. Dadurch, so ist zu lesen, stelle er die philosophische Rede schlechthin in Frage. Oder wie man hier sagt: „Babbel ma kään Schwätzmanedd.“

Zumindest so gesehen hat Nuhr zumindest diesen Satz gehörig missverstanden, denn Wittgenstein meinte das ja nicht annäherend so unfreundlich, wie Nuhr es interpretierte, sondern, wenn man das so sehen will, eher komisch. Das war aber nicht seine Intention, sondern lediglich konsequent logisch zu Ende gedacht, weshalb der Satz auch konsequenterweise ganz am Ende steht.

Er folgt auf seine Leiteranalogie am Ende des Kapitels 6:

„Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.) Er muss diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.“

Nun muss man, um das richtig zu verstehen, wissen, was Wittgenstein mit „unsinnig“ meint. Er meint das eben nicht im Sinne von „bleed“, „dabbedd“, „fä de Arsch“, sondern ganz wörtlich „ohne Sinn“.

Ein Satz wird unsinnig, wenn einem seiner Bestandteile, Namen oder Elementarsatz, keine Bedeutung, kein von ihm unterschiedenes Sachliches gegenübersteht, das er (seinerseits nur) abbildet. Nach der Definition ergibt z. B. auch „Liebe deinen nächsten wie dich selbst“ einen „Unsinn“, da es in diesem Satz auf etwas Ethisches ankommt („Liebe“), also etwas, das nicht von der Wirklichkeit abhängt, wobei er …

…Wirklichkeit definiert als das „Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten.“
– Ein Sachverhalt sei „eine Verbindung von Gegenständen.“
–– Das Bestehen eines Sachverhalts, also einer Verbindung von Gegenständen, ist „Tatsache“ – ––– und „die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge (…) ist die Welt.“

Hallo, ist noch wer da?????
Egal, es ist Pfingsten. Heiliger Geist und so … Weiter geht’s …

Und wenn ein Satz eine Sachlage darstellt – und nur dann, ist er für Wittgenstein sinnvoll. Und die dritte und letzte Kategorie von Sätzen (nach unsinnigen und sinnvollen) stellen für Wittgenstein die sinnlosen Sätze dar, was man ja gerade im Sportsprech sehr ungerne, dafür oft hört, z. B. „Wenn er den Freistoß aufs Tor bringt, dann könnte er reingehen, oder der Torwart hält ihn.“

Und BÄÄM sind wir beim Spiel. Plötzlich passiert was. Genau wie am Samstag. Fast aus dem Nichts. Und eigentlich auch recht früh nach recht zähem Start, aber diesmal war der ganze Plan ja ein ganz anderer als bei den letzten Spielen. Hübner gesperrt, Grillitsch verletzt, Kaderabek aus privaten Gründen nicht dabei. Außerdem ist das nun bereits der dritte Auftritt in acht Tagen, da muss ja auch mal etwas Neues her. Und was uns der Wittgenstein war dem Trainer Bogarde: Eingeweihte haben von ihm schon mal gehört und kennen seine Klasse, andere sind da eher argwöhnisch und finden das Neue doch immer auch sehr gewöhnungsbedürftig und wollen daher lieber das Bewährte, das sich in der Vergangenheit schon so oft bewährte.

Und so wie der Trainer wieder Rudy zurück in die Startelf berief, griffen wir auf ein philosophisch-linguistisches Traktat zurück, weil wir mit diesem Themenbereich durchaus auch schon spritzig, frech und virtuos waren. Aber auch wir sind älter geworden, werden immer verkopfter, die Frische fehlt und neigen dann vor lauter Ideenarmut zu sinnlos komplizierten Konstruktionen, die allesamt nicht funktionieren. Aber unbelehrbar, wie man halt im Alter so wird, macht man das immer und immer weiter, weil es früher ja geklappt hat und man daher weiß, wenn, also: falls es wieder klappt, gelingt damit der Durchbruch.

ELFMETER!

Dass der Steilpass auf Baumgartner von Samassekou kam, bestätigt nur die Analogie aus dem vorigen Absatz, denn die Mannschaft, insbesondere Rudy, versuchte routiniert zu spielen, was aber halt nur bedingt sinnvoll ist, wenn kaum Routiniers auf dem Platz stehen.

Aber immerhin klappte die Idee mit dem Konterspiel. So wie wir uns plötzlich nicht mehr ewig episch breit über Wittgenstein Tractatus auslassen, klappt auch auf dem Rasen dieses plötzliche Umschalten aufs Wesentliche.

Da du, geneigte/r Leser/in, aber das Ergebnis kennst, weißt du, was jetzt passiert. Genau: Nix. Oder wie es eben Herr Wittgenstein so wunderschön formulierte:

„Ehrgeiz ist der Tod des Denkens!“

So wie letzte Woche die Gäste den Fehler machten, einen zuuu motivierten Spieler ihren Strafstoß schießen, genauer: verschießen zu lassen, taten wir es ihnen gleich.

Zuber hat keine Lobby bei den Fans der TSG. So mutig es seinerseits anmutet, Verantwortung übernehmen zu wollen, so wenig durchdacht ist es. Selbst wenn er getroffen hätte, hätte er an der Wahrnehmung der Fans nichts geändert. Nun tat er es bekanntlich nicht und sich damit alles andere als einen Gefallen. Und der Mannschaft natürlich auch nicht. Aber er wollte es wahrscheinlich unbedingt. Und ein Skov, der dem Keeper der Gastgeber sogar zuvor die Ecke hätte verraten können, wo er den Ball mit seinem linken Hammer ins Gehäuse nageln wird, ohne dass er aufgrund der Wucht eine Chance gehabt hätte, den Einschlag abzuwehren, kam wahrscheinlich gar nicht auf die Idee, den Ball zu fordern – oder es es Wittgenstein formulierte:

„Die Idee sitzt gleichsam als Brille auf unsrer Nase, und was wir ansehen, sehen wir durch sie. Wir kommen gar nicht auf den Gedanken, sie abzunehmen.“

Was dagegen abnahm nach dem verschossenen Elfer, waren erstmal unsere Zuversicht und drauf unsere Chancen. Zu dem Zeitpunkt des Elfers wäre die Führung nämlich gar nicht mal unverdient gewesen. Zwar hatte Mainz viel Ballbesitz, aber null Torschüsse.

Das änderte sich dann schlagartig, zumal wir inzwischen auch reichlich gelbe Karten sahen, Larsen verletzungsbedingt durch Bebou ersetzen mussten. Noch weniger Zweikampf, noch weniger Aufbau- und Passspiel, noch weniger Ball- und Spielkontrolle.

Was uns aber an Präzision an Zuspielen in die Breite oder Diagonale abging, funktionierte hervorragend in die Vertikale. Zwar verzog Skov die erste Hundertprozentige, aber, um es erneut mit den Worten Wittgensteins zu sagen:

„Ist ein falscher Gedanke nur einmal kühn und klar ausgedrückt, so ist damit schon viel gewonnen.“

Auf gut Deutsch: Dasselbe nochmal. Bebou hatte es ungleich schwerer, aber auch leichter, um mal etwas Sinnloses im Sinne Wittgensteins zu sagen, aber auch um zu zeigen, dass aus etwas Sinnlosem etwas Sinnvolles entstehen kann – und das nicht nur in seinem, sondern auch ganz in unserem Sinne, agierten doch die beiden Verteidiger gegen ihn zumindest recht sinnbefreit, was uns von großer Last befreit: 1:0 für Hoffenheim.

In der Pause war dann natürlich Schluss für den mehr als platzverweisgefährdeten Bogarde. Auch Zuber kam zur zweiten Halbzeit nicht zurück, so dass wir nun defensiv mit unserem  trio catastropho der Vorwochen gegen eine immer offensiver werdende Mainzer Mannschaft spielten – und sie (Nordveit, Akpoguma und Bicakcic) machten das ganz gut, denn die Gastherren trotz optisch teilweise brutal wirkender Überlegenheit keinen Stich.

Ja, sie schossen die Ball einmal ins Tor und wir müssen froh sein, dass ein Mainzer zuvor unseren Keeper mit umstieß – und auch, dass ein anderer Mainzer Angreifer schon fiel, bevor Baumann ihn hätte fallen lassen, was mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Strafstoß gegen uns gegeben hätte, aber die Defensive war es, die aus dem zeitweiligen Trauerspiel keine Tragödie werden ließ, um letztmals Wittgenstein zu zitieren:

„Die Tragödie besteht darin, dass sich der Baum nicht biegt, sondern bricht.“

Wir brachen nicht. Auch nicht ein, dafür das ein ums andere Mal uns mit einem Konter Bahn, doch leider vergeigten Dabbur und Beier absolute Großchancen, dafür dann alle nach 95 Minuten in großen, großen Jubel aus.

Und so wollen wir auch wir zur Feier des Spieltages sieben Wittgenstein-gemäß sinnvolle Sätze sagen:

  1. Das war unser 6. Auswärtssieg in dieser Saison, womit wir jetzt so viele Heim- wie Auswärtssiege haben.
  2. In der Heimtabelle stehen wir auf Platz 12, in der Auswärts- wie in der Gesamttabelle auf Platz 7 – unserer zweibesten Platzierung in der Saison überhaupt.
  3. Besser standen wir nur nach dem 11. Spieltag (Platz 5).
  4. Wir haben genau so viele Punkte wie der Tabellen-6. VfL Wolfsburg.
  5. Beide Mannschaften spielen in den fünf ausstehenden Partien noch zwei Spiele gegen besser platzierte Mannschaften. (Leipzig/Dortmund; Mönchengladbach/Bayern)
  6. Beide Mannschaften spielen in den fünf ausstehenden Partien noch zwei Spiele zu Hause, drei in der Ferne.
  7. Worüber man nicht meckern kann, darüber sollte man sich freuen.

Dann aber noch etwas Unsinniges:

Die Tabelle lügt nicht.

🙂

P.S.: Unsinnig

In dem Buch „Ludwig Wittgenstein – Eine existenzielle Deutung“ findet sich im Vorwort folgende Erklärung zum Werke Wittgensteins:

„Wittgenstein meint nicht, dass seine Behauptungen barer Unsinn seien, wie wenn er sagte ‚Düst Schwarze wasch bause‘. Er meint auch nicht, dass sie verwirrender Unsinn seien wie die Pseudoaussagen der Metaphysiker (z. B. ‚Das Absolute wird‘). Wittgenstein hält seine philosophischen Behauptungen für erleuchtenden Unsinn.“

In diesem Sinne ….

Machen wir weiter …

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