Lieber Julian, …
… zuallererst einmal „Glückwunsch“ zu dem, was du junger Kerl in dem Umfeld bei den Voraussetzungen am Start deiner Engagements bei den Profis in diesen rund vierzig Monaten erreicht hast. Du weißt, die „40“ ist uns eine wichtige Zahl: Die Fastenzeit basiert darauf. Und ich habe sie für mich übernommen: Sie stellt sicher, dass man mit so viel Punkten nicht absteigt. In deiner ersten Saison ließ ich deinen Verein mit weniger davonkommen.
Erinnerst du dich? Auch damals in den letzten vier Spielen hattest du auch nur ein Mal gepunktet – sogar gegen einen sicheren Absteiger hast du verloren. Am Schluss landetest du auf Platz 15 und nur deshalb nicht auf dem Relegationsplatz, weil der Spielplan es ermöglichte. Außerdem konntest du nichts für die Ausgangslage. Daher ließ ich dir deine sehr mutige, aber doch sehr demutfreie Art erst einmal durchgehen.
Jesus war ja auch alles andere als ein Feigling. Und du hattest sein Alter. Andererseits war es so, dass er, wie du weißt, nicht viel älter wurde. Da du aber so gewillt warst zu überleben, also im Trainergeschäft, gab ich dir die Möglichkeit, dich auf deinem Niveau weiterzuentwickeln.
Und du hast die Zeit genutzt. Du hast den Druck, der in der Rückrunde auf dir lastete und die Tatsache, dass du es gerade noch so geschafft hast, abgeschüttelt und das einzig Richtige getan: Du hast bei Null angefangen. Doch du schienst mir immer noch übermütig, deshalb dachte ich mir, ich wiederhole mich, denn ein jeder Lehrer weiß: Wiederholung schafft Vertiefung.
Und so habe ich die TSG in deinem ersten DFB-Pokalspiel vor eine erste Herausforderung gestellt: In der 2. Runde ging es auswärts gegen den 1. FC Köln. Sogar in die Verlängerung. Und da wurde euch ein regulärer Treffer kurz vor Schluss aberkannt. Ja, das war vielleicht nicht ganz fair von mir, aber ich wollte dich zügeln. Ich wollte dir einerseits beibringen, die Brechstange einfach mal wegzulassen, dir signalisieren, dass unbotmäßiger Ehrgeiz dasselbe ist wie Gier – und das ist bekanntlich eine Todsünde. Andererseits hattest du damit mehr Zeit, für das Kerngeschäft Bundesliga – und da hast du es ja gut gemacht. Da bist du trotz unzufriedenstellender Resultate ruhig geblieben und hast dich in dein Schicksal ergeben.
Du sagtest ja mal, du hassest Unentschieden. Aber als dir derer zehn in einer Hinrunde die Überschrift einbrachte, dass die TSG Hoffenheim die Hinrunde ohne Niederlage hinlegte, warst du auch ein bisschen stolz (das geht) und insgesamt versöhnt.
Damit du aber nicht gleich wieder völlig durchdrehst, habe ich die Euphorie gebremst und dich – du erinnerst dich bestimmt – gleich am ersten Spieltag der Rückrunde verlieren lassen – gegen deinen jetzt zukünftigen Arbeitgeber. Ja, im Nachhinein sieht man die Zeichen, die ich sandte, nicht wahr?
Und auch am Ende dieser Spielzeit lief es für die TSG eigentlich hervorragend, für dich nicht.
Der Verein hat noch so viel zu lernen, obwohl er nach seiner Relegationsspielzeit wirklich sehr viel gelernt hat. Er setzt nicht mehr auf Namen, sondern Talente wie dich. Er eröffnet ihnen Chancen, die sie oft nutzen – so wie du. Aber, so wie du, verlassen diese Talente nach einer Weile den Verein, was insofern gut ist, als dass dadurch Transfererlöse erzielt werden, die den Verein finanziell am Leben halten.
Herr Hopp hat ja meine Zeichen erkannt. Er versprach, den Geldhahn nach einer Weile zuzudrehen, und bestand darauf, dass sich der Verein selbst tragen möge – und als er das mal nicht tat, zeigte ich auch meine strafende Seite. Ich weiß, ich kann grausam sein. Aber wer nicht hören will, muss fühlen. Doch wer sich fügt, der wird belohnt. Dass Herr Hopp ehedem ausgerechnet um Ostern, dem Fest der Auferstehung, Tabula Rasa machte beim Verein, und mit Alexander Rosen und Markus Gisdol gleich auf zwei Talente setzte, auf das Neue, stimmte mich milde. Und du hast es ja damals als Co-Trainer live miterlebt, wie ich die TSG gegen den damals noch übermütigeren BVB habe auf so mega-außergewöhnliche Weise gewinnen und letztlich in der Liga verbleiben lassen.
Natürlich habe ich mir diese Begegnung am Ende deiner ersten Saison ausgesucht, um dir zu zeigen, wer der größere von uns beiden ist – ich!
Die TSG verlor die Partie – nicht zuletzt aufgrund eines irregulären Tores von Reus. Auf einmal war die TSG „nur noch“ Vierter, aber noch versehen mit allen Chancen, es zurückzuschaffen auf den Platz, der euch direkt für die Champions League qualifiziert hätte – und ihr hattet es in der Hand. Ich gab euch die Chance, denn ich spürte Reue wegen des Reus-Tores. Die Dortmunder ließ ich am folgenden Spieltag nur unentschieden spielen gegen Augsburg, während ihr mit 5:0 in Bremen führtet und ganz nah dran wart, genauer gesagt: ein Tor, doch statt dieses eine zu schießen, habt ihr drei kassiert.
War das nicht lustig, dass TSG und BVB dann am letzten Spieltag gegen die gleichen Mannschaften antreten mussten – nur eben umgekehrt? War es nicht lustig, dass die Bremer wieder drei Tore schossen, es aber wieder für sie nicht reichte, während ihr wie der BVB gegen Ausgburg nicht gewinnen konntet? 0:0 hieß es am Ende, wohl dein absolutes Hassergebnis, aber immerhin war der Verein und die Fans zufrieden, dass sich die TSG „DASERSTEMAL“ für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert hat. Auch da wäre mehr drin – und es wäre auch nicht unverdient – gewesen, aber mir war klar, dass einer wie du gezügelt werden muss, um langfristig erfolgreich zu werden.
Und so sauer du auch gewesen sein magst, und du warst es, so glücklich warst du, als der Gegner des Champions League-Qualifikationsspiels feststand: der FC Liverpool.
Du an der Anfield Road. Du gegen den Mann, der einmal sagte, als er noch BVB-Trainer war, dass er zwar nicht wisse, wie die TSG es angestellt habe, so zu spielen, aber er genauso in Zukunft spielen wolle.
Schau dir an, was ich mit ihm machte. Auch ihn habe ich gestraft, als er übermütig wurde. Er, der große Sympath, auf einmal Tabellenletzter mit dem BVB, dann Rücktritt zum Saisonende mit Sabbatical. Das gefiel mir, deshalb habe ich ihn dann von seinem Leiden im Tabellenkeller erlöst und nun bei seinem neuen Club schrittweise erfolgreich werden lassen. Natürlich immer mit einem entsprechenden Dämpfer, wie im letztjährigen Champions League-Finale oder der diesjährigen Meisterschaft, wobei ich zugeben muss, dass wen mit 97 Punkten nicht Meister werden zu lassen, wirklich hart ist von mir, aber er hat ja am 1. Juni seine große Chance, denn er steht ja wieder im Finale der UEFA Champions League. Außerdem gefällt mir das, was er hat, was dir leider noch völlig abgeht: Witz!
Das ist nicht schlimm. Er ist viel älter als du, er ist reifer, aber du solltest dir das genauer anschauen, was ihn von dir unterscheidet. Er weiß, in welchen Momenten es nicht um ihn geht, um Erfolg für sich zu haben. „Wenn der Fußballgott einen sucht, der nach fünf Finalniederlagen bereit ist, sich das noch mal anzutun, dann bin ich das.“ Er wollte die Chance, am 1. Juni hat er die Chance. Ob er gewinnt? Nun, ich glaube an ihn, denn er glaubt auch.
Lieber Julian, du bist ja dankenswerterweise auch kein Ungläubiger, aber halt noch in dem irrigen Wahn der Jugend, mit Willen alles erreichen zu können. Nicht, wenn ich das nicht will. Und es wird höchste Zeit, dass du das verstehst. Zu deinem eigenen Wohlergehen.
Natürlich kannst du damit einiges erreichen, sowohl Ziele als auch Verluste – gerade im mitmenschlichen Bereich. Es gibt viele Leute, die beides erreichen. Diese Leute kennt jeder, aber werden diese geliebt?
Du willst geliebt werden. Das aber, was mir verständlicherweise nicht gefällt, „auf-Teufel-komm-raus“. Du reagierst noch zu säuerlich, wenn du das nicht bekommst, wodurch es weniger wird. Dein Kommentar über die Hoffenheimer Fans am Ende dieser Spielzeit und deines Engagements bei dem Dorfverein war Ausdruck dessen. Selbstverständlich hast du damit nicht Unrecht, aber du kennst doch den Spruch: „Wisse immer alles, was du sagst, aber sag nicht alles, was du weißt!“
Dieses Los war mein Geschenk an dich – und natürlich eine Prüfung. Wie wird er wohl reagieren, wenn er nicht gewinnt? Wird er dennoch dankbar sein? Wird er das Positive sehen? Wird er auch das Positive in dem Los zur 2. Runde im DFB-Pokal erkennen? Wieder gegen einen Erstligisten. Und wieder raus – durch einen Treffer eines gewissen Belfodil. (Ich muss darüber heute noch schmunzeln, wenn ich sehe, wie sich das so alles fügt.)
Du hast dich nicht unterkriegen lassen. Aber du hast dich mehr mit Widerwillen gebeugt. Einsicht zeigtest du nicht, dass es halt zuerst einmal „nur“ die Europa League war. Dass du durch das Aus im DFB-Pokal auch mehr Zeit hattest für diesen Wettbewerb sowie die Liga. Zwar ist der DFB-Pokal immer noch der schnellste Weg, um den Briefkopf der Geschäftspapiere ändern zu müssen, aber er hat leider schon lange nicht mehr den Stellenwert von ehedem, weshalb ich fand, dass dies für dich der Wettbewerb war, an dem es dich am wenigsten schmerzen würde, nicht mehr teilzunehmen.
Diese Chance hast du genutzt. Dein Team spielte meist überzeugend in den Partien, nur haben sie auch da zu wenig gewonnen, weil du einfach zu sehr gewinnen wolltest. Da kannst du noch so viel wollen, beseelt sein vom Willen … gegen meinen Willen geschieht nichts. Und wenn du in puncto Einsicht nicht weiterkommst, warum sollte ich dann dein Team weiterkommen lassen? Deshalb schiedet ihr auch aus diesem Wettbewerb aus und zwar im letzten Spiel, kein Zufall, vor Weihnachten.
Das wirkte sogar. Du schienst verstanden zu haben. Ja, dies war ein Geschenk. Du wirktest befreit, weniger Druck, es jedem beweisen zu wollen. Du schienst verstanden zu haben, dass nun das Tun im Vordergrund stand, das Team, nicht du. Und der Lohn? Kam prompt …
Die Rückrunde schlechthin, mit dem Finale schlechthin, zuhause, gegen den BVB, mit dem Ergebnis schlechthin: exakt den zwei Toren Vorsprung, die ihr benötigt habt, um euch vor sie zu setzen und auf Platz 3 direkt für die Champions League zu qualifizieren.
Endlich hast du das erreicht, was ich dir im Jahr zuvor verwehrte. Weil du es dir verdient hast. Weil du diesmal nicht nur mit Mut, sondern auch Demut an die Sache herangegangen bist.
Nun war ich gespannt, was du machen würdest. Wie sehr war dir der Satz bewusst, dass man vorsichtig mit seinen Wünschen sein möge, da sie in Erfüllung gehen könnten.
Du hast die Zeit für dich genutzt. Du hast die Planungen für deine Zukunft abgeschlossen, bevor du die Planungen für die TSG in Angriff nehmen konntest. Die Bekanntgabe vor der Saison deines Wechsels nach der Saison zum Liga- und Sympathieträgerkonkurrenten RB Leipzig hast du sehr gut erklärt. Natürlich hätten die Medien nicht nachgelassen, zu spekulieren, wie und wo es mit dir weitergeht – und so schufst du langfristig Ruhe im Blätterwald.
Gleichzeitig schufst du dir Sicherheit, denn du konntest nun maximales Risiko mit dem Verein gehen, ohne selbst irgendetwas zu riskieren. Diese Sicherheit (sowie die Tatsache, dass große Vereine aus dem Ausland wohl erwogen, dich zu verpflichten, was selbstverständlich auch ein großer Ego-Booster war – einer Versuchung, der du immerhin und löblicherweise widerstehen konntest) hat dich noch weitaus mehr beflügelt, als es das Produkt des Trikotsponsors deines neuen Arbeitgebers jemals könnte.
Was konnte dir schon passieren? Im besten Fall klappt das alles, was und wie du willst, und wenn nicht, würdest du im allerschlimmsten Fall vom (Bauern-)Hof gejagt. Letzteres konnte dir wegen des Anschlussvertrages egal sein, Ersteres war es mir nicht.
Du hast ja in dieser Spielzeit schon früh mit mir gehadert. Nicht nur, weil ich dich wieder in der 2. Runde des DFB-Pokals auswärts gegen einen Erstligisten habe antreten und ausscheiden lassen. Dass es diesmal dein künftiger Arbeitgeber war, war doch wirklich ein nicht zu übersehendes Zeichen, dass ich da meine Finger im Spiel hatte. Auch die Art und Weise, wie die TSG da ausschied, hätte dir doch Hinweis genug sein müssen, dass da noch andere Kräfte mitwirkten, denn die Mannschaft spielte da wirklich alles andere als entsprechend ihrem Potenzial.
Auch die vielen Unentschieden und Niederlagen schon zu Anfang der Saison, dem 15. Platz an Spieltag 1, zwischenzeitlichen 13. Tabellenplatz nach Spieltag 7 ließen dich feststellen, dass ich es mit der TSG offensichtlich in dieser Spielzeit nicht so gut meine. Ich solle mal wieder über Sinsheim kreisen, fordertest du mich nach dem 1:1 gegen Borussia Dortmund auf. Du erinnerst dich? Ich erinnere mich sehr daran, dass ich kreiste. Und dein Hadern. Warum sollte ich deiner Aufforderung folgen, wenn du meiner nicht folgst?
Es war also falsch, was du dir anmaßtest zu mutmaßen. Ich meinte und meine es sehr gut mit der TSG, ich meine es auch sehr gut mit dir – und den Fans der TSG und überhaupt jedem, solange alle erkennen, wer bei aller subjektiver Wichtigkeit das objektiv Wichtigste ist: ich. Merke dir das:
Wenn du dich fügst, fügt sich alles.
Diese Lockerheit im Herzen, dieses Loslassenkönnen fehlt dir. Noch. Aber das ist es, was den Ehrgeiz von Gier trennt. Das ist es, was dir hilft, eine Tugend zu bewahren statt eine Todsünde zu begehen.
Und ganz ehrlich: Spätestens nach dem Rückspiel gegen Charkow hatte ich echt die Schnauze voll von dir.
Kennst du eigentlich den Witz von dem Mann, der von der Feuerwehr aufgefordert wird, nach dem es schon 72 Stunden ohne Unterlass wie aus Kübeln schüttete, sein nahe am Fluss gelegenes Haus zu verlassen, da es in den kommenden Tagen weiter sehr stark regnen wird? Nicht? O.K., dann erzähle ich ihn dir weiter. Der Mann lehnte ab mit den Worten: „Der Herr wird mich retten!“
Es kam, wie die Feuerwehr sagte, und schon bald stand sein Haus unter Wasser. Er zog in den 1. Stock, da das Erdgeschoss inzwischen komplett geflutet war. Der THW schickte ein Rettungsboot und sagte ihm, dass keine Wetterbesserung in Sicht sei und er unbedingt einsteigen müsse. Doch der Mann lehnte ab. „Der Herr wird mich retten!“
Es regnete weiter. Zum Schluss saß der Mann auf seinem Dachfirst. Ein Rettungshubschrauber der Bundeswehr flog zu ihm. Man warf eine Rettungsleiter zu ihm hinab, um ihn zu retten. Der Kommandant sagte ihm, dass er sterben würde, wenn er diese Chance nicht ergreifen würde. „Der Herr wird mich retten!“
In der folgenden Nacht ertrank der Mann in den Fluten – und erwachte vor Petrus. Verwundert fragte er ihn, warum er ihn, seinen gläubigen Diener nicht gerettet habe, woraufhin ihm Petrus sagte: „Ich wollte ja. Man schickte dir die Feuerwehr, das THW und die Bundeswehr. Aber du Depp hast ja alles ignoriert.“
Wie du in dem Spiel fast schon ums Verrecken gewinnen wolltest, war nicht gut. Da hast du dich so deutlich über das Gemeinwohl gestellt, dass ich dir das nicht mehr durchgehen lassen konnte. Auch deine Begründungen danach waren gekennzeichnet von maximaler Uneinsichtigkeit.
Verstehe das bitte nicht falsch! Ich finde dich super. Du bist ein Glücksfall für die TSG gewesen. Eigentlich müssten die Verantwortlichen täglich eine Kerze aus Dankbarkeit an dich anzünden, aber die Einsichtsstärksten sind auch sie nicht. Das hat nichts mit ihrer Pseudorationalität zu tun, denn wären sie wirklich ungläubig, würden sie nicht beten, dass es mit deinem Nachfolger für sie weiterhin gut geht, dass er nebst seiner fachlichen Kompetenz auch als mindestens so guter Sympathieträger funktion- und agiert. Nun, ich möchte nicht zu viel verraten, aber die Zeichen stehen gut. Es sei denn natürlich, er respektiert mich nicht. Was dann passiert, nun … das weiß niemand besser als du …
Es tut mir Leid, wirklich Leid, aber du hattest alle Chancen – siehe den Gag. Aber weil ich dich mag, bist du letztlich nur baden gegangen, nicht ertrunken. Ich habe Nachsicht mit dir, weil du jung bist. Und du wirst auch als Privatmensch lernen, schließlich bist du Vater. Auch dort wirst du sehen und am eigenen Leib spüren, wie es ist, mit jemandem zu interagieren, der seine Trotzphase hat. Du wirst lernen, diese Trotzphase zu durchbrechen, ohne den Menschen zu brechen. Weil du deinen Sohn mindestens genauso liebst wie ich dich. Aber durchgehen lassen kann man so ein Verhalten auch nicht. Ich tat das bei dir nicht und du wirst es bei aller Liebe auch nicht bei deinem Sohn tun. Und das ist auch gut so, weil er daran wächst, wie auch du daran wachsen wirst, wenn er wie du erwachsen wird. Voraussetzung: Weitsicht durch Einsicht.
Schau dir an, wie die Fans am Ende reagiert haben. Der Anfang war das Charkow-Spiel. Hier bist du erstmals über das Ziel hinausgeschossen. Für dich gab es nur Champions League. Dass die Fans die TSG, also: ihre (nicht: deine) TSG auch gerne in der Europa League hätten spielen sehen, war dir wurscht. Das zweite Mal hintereinander für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert, das zweite Mal in keinem überwintert.
Doch leider war diesmal keine Einsicht in Sicht: Persönlich verständlich, schließlich hattest du deine Zukunft gesichert, aber menschlich auch nicht wenig verwerflich. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass du in der Rückrunde so nach und nach an Rückhalt verloren hast – auch bei den Fans. Du hast keine Kritik angenommen. Du hast dich nicht angepasst. Du hast nie gesagt, dass du einen Fehler machtest. Vielleicht, weil das für dich ein Zeichen der Schwäche gewesen wäre. Du wirst lernen, dass genau das das nicht ist.
Ich verstehe gut, dass du nicht als lame duck rüberkommen wolltest. Aber all diese Energie, die du in deinen Ehrgeiz stecktest, um wohl jedem zu beweisen, dass du keine lame duck bist, ließen dich letztlich nur als lame duck auf Speed rüberkommen. Das war leider völlig unnötig und so schade – für dich.
Die TSG wird weiter ihren Weg gehen. Du auch. Du wirst auch weiterhin Erfolg haben, aber du wirst dich dringend ändern müssen. Und dein neuer Arbeitgeber schafft dafür beste Voraussetzungen, denn dort herrscht hinter den Kulissen mehr Druck. Dort geht es um weitaus mehr als Sympathieträger und Integrationsfigur für einen Verein mit bundesweit relativ wenig Zuspruch zu sein.
Du wirst sehr schnell an den Punkt kommen, wo es heißt: „Ich“ oder „Erfolg“ – und das ist gut so. Es ist vielleicht die wichtigste Fragestellung, weil sie dich die Bedeutung des Wortes „oder“ lehren wird, das nämlich auch „sowohl als auch“ heißen kann, wie man zum Beispiel in dem Satz erkennt: „Ein Trainer kann wegen Erfolgs- oder Empathielosigkeit entlassen werden.“
Die Fans der TSG wissen, was sie dir zu verdanken haben – und sie sind dir auch dankbar. Was dir zu denken geben sollte: Warum nicht mehr als das? – Immerhin hast du so großartige Ziele erreicht, dabei auch eine wunderbare Spielkultur etabliert, die die Menschen mit Freude erfüllt und stolz gemacht hat auf ihren Dorfverein, ohne dich wäre die TSG immer noch eine graue Maus. Sie brauchte einen bunten Hund wie dich – und liebte dich für deine Art, diese Art, die auch etwas rotzig war, das passt zu den Menschen hier. Und wann immer du zum Ende deiner Amtszeit sagtest, dass du die wunderschöne Region vermissen wirst, den Weißen Stein, den Königstuhl, fühlten sich die Menschen geschmeichelt, weil das ihre Region ist, ihre Heimat, die sie lieben.
Dich haben sie auch geliebt. Sehr. Auch noch, als du ihnen sagtest, dass du sie zum Ende der Saison verlassen wirst. Sie glaubten dir, sie vertrauten dir, sie konnten sich mit dir und deinen Zielen identifizieren. Am Ende nicht mehr. Du bist ihnen zwar Freund geblieben, aber fremd geworden.
Das war dein eigener „Verdienst“. Du hattest Besseres verdient. Wirklich. Ich gab dir hinreichend Gelegenheit, doch du hast weder die Zeichen noch die Idee des „oder“ so ganz verstanden und dich für das „Ich“ entschieden – und den Fortgang zu RB Leipzig, wo ja dieser Individualitätsaspekt, bei dem dortigen Mann mit den Milliarden wesentlich ist bei den anderen Maßnahmen, die er ansonsten ins Marketing zur Promotion seines Produkts investiert. Nicht nur so gesehen passt das ganz gut zueinander. Ob miteinander … das liegt auch an dir, lieber Julian.
Ich wünsche dir dort jedenfalls wirklich von Herzen alles Gute. Mögest du dort nicht nur auf sportlicher Ebene ebenso erfolgreich agieren wie bei der TSG Hoffenheim. Denke daran:
Wenn du dich fügst, fügt sich alles.
Only teamwork makes the dream work.
Halte dich besser daran. Das ist kein Rat, das ist ein Hinweis, ja, vielleicht sogar Warnung – übrigens nicht nur an dich. Und das sage ich aus zwei Gründen: erstens ist es richtig, zweitens ist es mein Spiel …
Dein
Fußballgott
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