1899 Hoffenheim vs. Schachtjor Donezk
Die Maillard-Reaktion
Agonie durch Euphorie
Die Reaktion war unverkennbar, genauer: die Maillard-Reaktion. Dieses nach dem französischen Naturwissenschaftler Louis Camille Maillard benannte Phänomen beschreibt die nicht-enzymatische, hochkomplexe Umwandlung durch sowohl nebeneinander als auch nacheinander ablaufender Prozesse von Aminverbindungen zu neuen Verbindungen, in deren Ablauf viele Reaktionsprodukte gebildet werden, die bis heute noch nicht exakt identifiziert wurden. Was man aber sicher weiß, ist, dass das Ergebnis der Maillard-Reaktion alles andere als süß ist. Dann wäre es Karamellisieren.
Gestern aber war die Mannschaft scharf. Mehr noch. Sie war heiß. Heiß wie Frittenfett. Und was da passiert, beschreibt die Maillard-Reaktion. Was aber passiert, wenn man es mit der Hitze übertreibt, steht in jedem Kochbuch:
- Punkt 1:
Das Fett sollte zunächst auf ca. 165 °C bis 175 °C erhitzt werden, maximal 190 °C. - Punkt 2:
Das Frittiergut anschließend ins Fettbad geben, allerdings nicht zu viel auf einmal, da dies zu einem Temperaturabfall des Fetts und damit zum Verkleben des Frittierguts führt. - Punkt 3:
Auch sollte das Frittiergut behutsam eingeführt werden, da sonst die erhöhte Gefahr besteht, dass man sich ganz schnell ganz arg die Finger verbrennt. - Punkt 4:
Das Frittiergut sollte zudem nicht nass sein, da hierdurch eine heillose Sauerei im Umfeld entsteht. Außerdem kann man sich durch die bei Missachtung dieser Regel entstehenden, nicht kontrollierbaren Explosionen (Fettspritzer) selbst schaden. - Punkt 5:
Wenn das Frittiergut dann völlig integriert ist, sollte man die Temperatur herunterfahren, um zu vermeiden, dass man sich einerseits oberflächlich den Mund verbrennt, gleichzeitig aber im Kern kalt erwischt wird.
Man muss Julian Nagelsmann zugute halten, dass er es geschafft hat, die Mannschaft eben heiß wie Frittenfett zu machen. Auch Punkt 2 hat er, wenngleich er da durch das Regelwerk bedingt gewissen Restriktionen unterworfen war, noch so ziemlich alles richtig gemacht. (Ja, er hätte demnach auch vier Feldspieler weniger aufs Feld schicken können, aber, hätte er das getan, wäre er in der Tat nicht ganz knusper gewesen.)
Ab Punkt 3 aber wurde es kritisch. Der Versuch des behutsamen Spielaufbaus war deutlich erkennbar, aber dennoch ging die Offensive dabei bisweilen etwas sehr nassforsch zu Werke, was wiederum zu Reaktionen führte (Ballverluste), die die Mannschaft selbst trafen (Konter).
Wie Fettspritzer, die ja auch, wenn, dann geballt auftreten, war dies auch bei den Gegentoren der Fall. Innerhalb weniger als zwei Minuten lagen wir mit 2:0 zurück – in einem Spiel, das wir auf gar keinen Fall verlieren durften, wenn wir auch im nächsten Jahr noch in einem europäischen Wettbewerb spielen wollten.
Zum Glück aber boten die Gäste bei aller Raffinesse eher Hausmannskost an. Zum Teil sehr raffiniert, aber im wesentlichen kochten sie nur mit Wasser, unsere Mannschaft aber „dank“ des vervogt selbstverschulzeten (hö, hö) Rückstands vor Wut. Das sorgte natürlich für reichlich Dampf in deren Defensive, was ja chemisch nichts anderes ist als die Auflösung fester Verbindungen. Es spricht für unser Team, dass sie ihnen genau zum richtigen (Siede-)Punkt , also noch vor der Halbzeit, zwei Eier ins Netz legte.
Ergebnistechnisch war also zur Halbzeit alles wieder in Ordnung, aber was da dargereicht wurde, halt noch so gar nicht nach dem Geschmack der Zuschauer. Es fehlte das Salz, das Pfeffer, wobei es überhaupt beim Würzen auf die Reihenfolge ankommt, dachte sich wohl auch der Schiedsrichter, der sich dann einbrachte, als Nelke. Dieses Gewürz besteht aus bis zu 85% Eugenol, was wiederum eine betäubende Wirkung hat. Allerdings sollte man den Stängel vermeiden, da er geradezu penetrant bitter ist – und das genau war auch die gelbe Karte gegen Szalai durch den Schiedsrichter, die Pissnelke.
Der Grund für die Verwarnung hierfür war nicht zu erkennen, nicht einmal der Anlass selbst. Nun ist Szalai Ungar und hat als solcher, wie man so sagt, Paprika im Blut. Weshalb er in der Folgesituation recht ungar zu Werke ging. Zwar spielte er bei seinem rohen Einsteigen wenige Sekunden später zuerst den Ball, aber halt mit den Beinen voraus, was einerseits seinem Temperament geschuldet war, aber halt auch der Tatsache, dass Julian Nagelsmann Punkt 5 nicht beachtet hatte.
Statt die Hitze etwas zu reduzieren, hat er sie ganz offensichtlich bei der Mannschaft erhöht. Doch wenn Frittenfett über 200 °C heiß wird, entsteht Gift. Acrolein hat eine urotoxische Wirkung, d.h. das Gift ist Bestandteil des Harns. Und wenn da halt noch eine Pissnelke dazukommt, kommt es halt zur Eliminierung von Vitalität. Allerdings ist Acrolein in seiner reinen Form nicht stabil. Seine vorhandene Doppelbindung sorgt für eine hohe Reaktivität des Moleküls.
„Spektakel, Drama“ war das Motto der Choreo der Südkurve. Das wollten sie, das bekamen alle.
Jetzt war halt noch mehr Druck im inzwischen Hexenkessel RheiNeckArena, wobei das Problem war, dass die Mannschaft vergaß, den Deckel drauf zu machen. Sie verteidigte nach wie vor sehr mutig sehr hoch, erspielte sich beste und allerbeste Chancen, womit sie zwar den Geschmack der völlig ausrastenden Zuschauer traf, aber halt nicht ins Tor.
Wohl auch von der Euphorie von den Rängen angesteckt, ging Nagelsmann auch bei den Einwechslungen maximales Risiko. Für die völlig verausgabten Zuber und Schulz sowie Nordtveit kamen Nelson, Grillitsch und … Grifo – und nicht Brenet.
Das war ein All-in, oder wie Harald Juhnke sang: „Barfuß oder Lackschuh, alles oder nichts …“
Dieses Vabanquespiel führte sogar dazu, dass Baumann in der 90. Minute bei gerade angezeigten vier Minuten Nachspielzeit am gegnerischen Sechzehner auftauchte. Man mag darin den unbedingten Siegeswillen sehen – oder aber auch ein deutliches Zeichen der Überhitzung. Da verliert man schon mal den kühlen Kopf und vergisst, dass man nicht jede Schlacht gewinnen muss, sondern den Krieg.
Immer noch stand es 2:2 und die Ukrainer in der Tabelle hinter uns. Die Wahrscheinlichkeit, im Frühjahr 2019 zumindest in der Europa League anzutreten, war greifbar nah, aber Nagelsmann gab von der Außenlinie weiter Zunder – mit dem Erfolg, dass letztlich nichts heraussprang und auch nichts herausspringen, genauer: -fliegen wird, außer hochwahrscheinlich die TSG – aus den europäischen Wettbewerben.
Das 2:3 in der Nachspielzeit war das sichere Ende unseres Debuts in der Champions League – und eigentlich befinden wir uns durch viel, viel, viel zu viel Euphorie in Agonie, d. h. Leid, einem qualvollen, ausweglosen Zustand, oder wie es die Althumanisten nennen: ἀγωνία.
Denn dadurch, dass Manchester City gestern nur Unentschieden bei den Lyonnais gespielt hat, wird das Team von Pep Guardiola gewiss nicht mit einer D-Mannschaft gegen uns antreten, denn sie brauchen mindestens einen Punkt gegen uns, um sich den Gruppensieg zu sichern. Und wir treten nicht mit der A-Mannschaft an: ohne Szalai und ohne Demirbay (3. Gelbe Karte – auch so eine unnötige Zutat der Pissnelke). Andererseits – im Hinspiel taten wir das auch nicht. 🙂
Doof nur: Selbst wenn wir einen Punkt holten, er brächte uns gar nichts. Oder doch?
Die Niederlage als Basis des Triumphs?
Ist das nicht vielleicht einfach nur alles ein ganz großer Plan? Europa League heißt Donnerstag, heißt Montagspiele, heißt Doppelbelastung. Ja, es heißt auch weniger TV-Einnahmen, aber das kann eine bessere Platzierung zum Saisonende wieder kompensieren. 2019 hat (aller Wahrscheinlichkeit nach) unsere TSG wieder viel mehr Zeit fürs Training, Gegneranalysen etc., also beste Voraussetzungen, um in der Meisterschaft weiter nach vorne zu kommen.
Aktuell trennen uns ja nur zwei Punkte von der erneuten Champions League-Teilnahme – und die beiden vor uns liegenden Mannschaften werden weiterhin europäisch vertreten sein. Und wenn wir die haben, ist es auch nicht mehr sooo weit nach ganz vorn. Das wäre der totale Triumph!
Das wird Nagelsmann genauso sehen und sich mit reichlich gehärtetem Rapsöl, Butterschmalz und/oder Kokosfett eindecken. Schließlich haben diese Frittenfette die höchste Hitzefeste.
Aber jetzt müssen wir erstmal alle runterkochen. Und wenn es Samstagabend Aufgewärmtes von gestern gibt, ist das allen recht. Vielleicht gibt es insgesamt weniger und weniger Spektakuläres, aber ein 1:0 reicht ja. DAS wäre kein Drama und sicher mehr nach dem Geschmack der TSG-Fans.
Mahlzeit!
-
Hoffenheim kann eben keine Champions Leaugue
Das kommt davon, wenn falsches Fett verwendet wird.
Welches Fett wofür?
Hitze kann einen Teil der wertvollen Fettsäuren und Vitamine zerstören. Werden Fette und Öle zu hoch erhitzt, können zudem gesundheitsschädliche und zum Teil krebserregende Zersetzungsprodukte entstehen. Nur einige Fette überstehen unbeschadet die Temperaturen, die während des Bratens und Frittierens entstehen. Deshalb sind hier Fette gefragt, die auch mit Hitze kein Problem haben.
Comments