1. FC Nürnberg vs. 1899 Hoffenheim
Nelson
Ein Hauch von Trafalgar über dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände
Nelson war schon lange kein Unbekannter. Er machte sehr früh auf sich und seine Qualitäten aufmerksam, aber meist stand er im Schatten renommierterer Akteure, die in und von der Öffentlichkeit für so manchen Erfolg den Applaus und auch Ruhm einheimsten, der ihm eigentlich hätte gebühren müssen, denn es waren seine Ideen und strategischen Überraschungsmomente, die letztlich den entscheidenden Durchbruch brachten.
Auch musste er zahlreiche Rückschläge einstecken. Doch er steckte Krankheiten wie Gelbfieber, aber auch gravierende Verletzungen wie der Verlust der Sehkraft auf einem Auge sowie die Amputation eines Armes weg – und als er heute genau vor 213 Jahren starb, wurde er unsterblich.
Zu der Zeit gab es zwar noch kein Twitter oder Emojis, aber es gab einen Kurznachrichtendienst, der mit Symbolen agierte und so setzte er von seinem Account folgendes Signal ab:
Sein Account, das war sein Schiff, die HMS Victory.
Die Symbole entsprechen folgenden Wörtern und Buchstaben:
England | expects | that | every | man | will | do | his | D | U | T | Y
Und das war der Befehl an seine Truppe, die Armada, die verbündete Flotten der Spanier und Franzosen (sowie die damit verbundenen Pläne Napoleons bezüglich sowohl der Übernahme der Seeherrschaft auf den Weltmeeren von den Briten als auch einer Invasion der Britischen Inseln) zu durchkreuzen.
Bekannt wurde diese Konfrontation als die „Schlacht von Trafalgar“. Admiral Horation Lord Nelson wurde während der Auseinandersetzung selbst von einer Pistolenkugel getroffen. Er starb an den Folgen dieser Verletzung in den Armen des Kapitäns Thomas Hardy, der als seine letzten Worte übermittelte „Gott sei Dank habe ich meine Pflicht erfüllt.“
Ob das alles so genau stimmt, darf wie immer stark bezweifelt werden. Aber solche Anekdoten sind es, die die wahren Heldengeschichten ausmachen. Sie sind das Tüpfelchen auf dem i – wie auch die Geschichte, dass sein Leichnam, was stimmt, vom Kap Trafalgar in Südspanien in der Nähe von Gibraltar, in einem Fass Brandy konserviert und nach London überführt und dann in einem Staatsbegräbnis in der Kathedrale St. Paul beigesetzt wurde. Was nicht nachgewiesen ist, ist die Legende, wonach man den Rum, der seinen Leichnam konserviert hatte, an die Matrosen verteilte, die dafür den Namen Nelson’s Blood („Nelsons Blut“) erfanden.
Aber Lord Nelson wurde nicht erst posthum zu einer echten Größe. Er war schon zu Lebzeiten eine Berühmtheit. Er war bekannt dafür, dass er mit seinen Untergebenen verständnisvoll umging und ihnen eher einfühlsam als autoritär begegnete. Mit Mut, Entschlossenheit und seiner Ausstrahlung motivierte er sie und holte aus ihnen das Beste heraus. Für die persönlichen Führungsqualitäten Nelsons gibt es im Englischen eine eigene Bezeichnung: the Nelson touch.
Unser Nelson ist kein Lord, was, siehe „Lord Bendtner“, im Fußball auch ironisch, also ganz und gar nicht ehrenhaft gemeint ist. Unser Reiss Luke Nelson ist auch kein genialer Stratege mit vielen körperlichen Handicaps. Aber auch er hat Mut, Entschlossenheit und Ausstrahlung sowie eben den „touch“ – und das mit bereits 19 Jahren, was letztlich zum Sieg der TSG im auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände gelegenen Max-Morlock-Stadion zu Nürnberg führte.
Zum Glück war es keine „Schlacht“ (schließlich hatten wir in den vergangenen Wochen schon genug Verletzte zu beklagen und es wäre ein Pyrrhussieg geworden, hätten wir dieses Spiel nur unter Aufbringung weiterer „Opfer“ bringen müssen, zumal jetzt ja das nächste Englischewochenstakkato für die TSG ansteht mit Europa- bzw. DFB-Pokal in der Woche und Bundesliga an deren Ende.) Aber trotz der Rückkehr erfahrener Haudegen wie Bicakcic und Nuhu entwickelte sich das Spiel zu keiner „Schlacht“. Dazu waren wir schlicht zu schlecht.
Schon kurz nach Anstoß stand unsere Defensive zwar auf dem Platz, und völlig neben sich, genauer: deplatziert, was dem Club seine erste Riesenchance eröffnete.
Und wollte schon der Spielaufbau nicht gelingen, gelang auch die Absicherung der fast etatmäßigen Dreierkette fast überhaupt nicht. Es war unser Glück, dass die Heimmannschaft die Geschenke nicht nutzen konnte, so dass es eines Elfmeters brauchte, mit dem sie dann doch in Führung gingen, während so ziemlich das einzige, was bei uns lief, die Spieler waren, aber das sehr durcheinander.
Hochwahrscheinlich war auch das der Grund dafür, dass zur zweiten Halbzeit umgestellt und ein Kreuzer (Grillitsch) zugunsten eines Zerstörers (Szalai) getauscht wurde.
Darüber hinaus gab es wohl auch eine klare Ansage zur, wie wir sagen würden: Reduktion von struktureller Komplexität sowie der Demonstration subjektiver Virtuosität. Wie die Offiziere unserer TSG ihre Erwartungshaltung an die Mannschaftsgrade kommuniziert haben, wissen wir nicht – weder in Worten noch bezüglich der Kommunikationsform. Es wird wohl nicht die Erinnerung – wie ehedem bei Nelson – an ihr Pflichtgefühl gewesen sein. Und es ist auch bei unserer technikaffinen TSG unwahrscheinlich, dass sie sich als Kommunikationsform – wie ehedem Nelson – für das Flaggenalphabet entschieden haben, aber wenn, dann hätte es gewiss so ausgesehen:
Zumindest war es das, was sie nach dem Wechsel taten: Sie spielten einfach.
Der Ball lief weniger quer, er lief schneller, sicherer und mehr und mehr über die Flanken, mit Flanken und Breitseiten. Die Angriffswellen nahmen an Intensität zu, die Abwehr der Gastgeber geriet immer stärker ins Schwanken – und nach so manchem Schuss vor den Bug, traf einer dann ins Ziel. Nelson. Und kurz darauf der nächste ins Herz. Nelson. Der letzte Treffer Szalais sorgte dann für den sicheren Untergang der Clubberer, die in der gesamten zweiten Halbzeit nur ein Mal auf unser Tor schoss, aber außer Baumanns Brust nichts traf. So dümpelte dann das Spiel so vor sich hin, was in Anbetracht der kommenden Aufgaben auch ökonomisch weise war.
Wichtig war aber vor allen Dingen, dass wir dieses Spiel letztlich nach Rückstand gewannen. So etwas ist immer gut für die Moral – und das Punktekonto.
Ein Drei(mast)er ist in der Lage, auch bei nur wenig Rückenwind richtig Fahrt aufzunehmen. Und so gelingt es uns jetzt vielleicht ja auch, aus einer eigentlich schlechten Position heraus, anzugreifen und auch übermächtig scheinende Gegner zu besiegen. Nelson gelang das heute genau heute vor 213 Jahren. Er versenkte die Santísima Trinida, der ganze Stolz der spanischen Flotte und Herzstück der Armada und vernichtete damit, siehe oben, den Traum der Franzosen, die Nr.1 in Europa zu werden. Mit einem Dreimaster. Name des Schiffs – auch noch mal zur Erinnerung: HMS Victory.
Nächster Gegner, Dienstag, im Kampf um die Fußball-Krone Europas: Olympique Lyonnais.
Hoffentlich wieder mit an Bord: Nelson.
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