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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. RB Leipzig

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Fest und Cholera

Ein Punkt. Ein Witz. Einmalig.

Wasser ist Leben. Aus ihm entstand es. Unser Planet ist zu mehr als zwei Dritteln damit bedeckt. Der menschliche Körper besteht aus fast derselben Menge und ständig müssen wir es uns zuführen, um am Leben zu bleiben. Und vielleicht liegt es an dieser Abhängigkeit von Wasser, dass wir in unserer modernen Welt Bezug darauf nehmen, wenn wir von Geld sprechen, dem anderen Stoff, den der moderne Mensch zum Überleben braucht. Denn auch diesbezüglich ist es wichtig, flüssig zu bleiben.

Flüssig war auch das Saisoneröffnungsspiel unserer TSG gegen den Aufsteiger aus Leipzig. Diese geradezu Delling’sche Überleitung soll unser Vorspiel zu der Partie aber noch nicht beenden, denn es gibt noch einen ganz wesentlichen Bereich im Menschen, den wir bei diesem Thema nicht unterschlagen dürfen: den Humor.

Das Wort basiert auf dem lateinischen (h)umor, was „Flüssigkeit“, aber auch „Körpersaft“ bedeutet. In der Antike erklärte man das Temperament eines Menschen durch das Verhältnis der vier Körpersäfte. Waren gelbe sowie schwarze Galle, Schleim und Blut in einem richtigen Verhältnis, habe dies dem Menschen ein ausgeglichenes und heiteres Naturell beschert. Er besaß, wie man so sagte, einen guten Humor. Das Temperament der Menschen, die ein anderes, weniger gutes Verhältnis der Körpersäfte hatten, bezeichnete man als „gallig“, was zurückgeht auf das griechische Wort für diese Substanz, die wir heute benutzen, um solche Menschen zu beschreiben: cholerisch.

Der Choleriker ist also „gallig“, ein Adjektiv, das ja auch schon lange in der Kommentatorensprache im Fußball zur Bezeichnung von Spielweisen existiert, womit wir nun, wären wir Delling, ein Luxusproblem hätten, den plötzlich bieten sich gleich zwei, ja fast schon drei Riesenchancen zur Überleitung auf das Spiel an.

Denn a) könnte man einen rhetorischen Paradeschwenk vollziehen („Ganz im Gegensatz dazu ist ganz neu im deutschen Fußball, also in der ersten Liga …“) oder man könnte b) die Art und Weise der Zweikampfführung der Gäste durchaus auch als eben „gallig“ bezeichnen. Zudem ließe sich das noch weiterspinnen, indem man „Galle“ als „den Saft des Bösen“ hervorhebt und darüber dann auf Red Bull zu sprechen kommen.

Aber andere zu diskreditieren, ist nicht witzig, ist kein Indiz für einen guten Humor. Selbstironie hingegen schon. Zudem ist es etwas, womit wir uns bestens auskennen – und, nein, auch diese Chance nutzen wir nicht, um auf ein weiteres Highlight an der an Höhepunkten nicht armen Partie zu kommen. Unsere Meinung zur zweiten Choreo des Spiels kommt aber auch noch – und sie fällt, ganz im Gegensatz zu dem, was wir auf dem Platz gesehen haben, überwiegend positiv aus.

Das kann aber schlicht und ergreifend daran liegen, dass wir nichts von Fußball verstehen. So verstanden wir nicht, warum unsere Mannschaft, die in den letzten Partien meist mit einer Dreierkette spielte, diesmal in einem klassischen 4-3-3 auflief. Wir verstehen nicht, warum Bicakcic nicht den Linksverteidiger gab, dafür Kramaric den Linksaußen geben musste. Wir verstehen nicht, warum die beiden Achter in den Defensivphasen nicht richtig zurückkamen, um die Lücken, die sich daraus für die Gäste ergaben, konsequent zu schließen.

Letzteres verstand wohl auch Julian Nagelsmann nicht, bei dem nach Schlusspfiff deutlich anzumerken war, dass seine Körpersäfte ähnlich unausbalanciert waren wie die Defensive und der Spielaufbau der TSG über lange Strecken des Spiels.

Dies führte wohl auch zu der sehr unterschiedlichen Wahrnehmung des Spiels. Während im Stadion eher so etwas wie Enttäuschung nicht nur über den Spielausgang, sondern auch das gesamte Spiel zu spüren war, wurde es in der medialen Nachbetrachtung allgemein gelobt als eine rasante und abwechslungsreiche Partie.

Das war es ja auch – zumindest in den ersten fünf Minuten. Ein wahres Feuerwerk an Großchancen hüben wie drüben, wobei wir stets den ersten Angriff setzten, der dann abgewehrt und gekontert wurde. Olympiabetrachter kennen das aus dem Fechten: attaque riposte.

Bereits in der ersten Minute ließ ein super Pass von Rudy Uth allein vor dem Gästekeeper auftauchen, doch leider konnte weder er nach der Ballannahme noch der Passgeber im Nachschuss diese Chance nutzen. Dann waren die Gäste dran, dann wieder wir, dann wieder die Gäste und dann war plötzlich Schluss.

Offensichtlich hatten beide die gleiche Idee, wie man dieses Spiel gewinnen könnte: ein frühes Tor und dann kontern.

Bei den Temperaturen und der Schwüle an sich ja auch eine top Idee, nur hat sie hat leider nicht funktioniert. Da aber klar war, dass man diese Spielweise nicht noch 85 Minuten weiterführen kann, wechselte man die Herangehensweise, die im Taek won-do, Judo, Ringen zu Verwarnungen wegen Passivität geführt hätten.

In dem Spiel sorgte sie dafür, dass wir Mitte der ersten Halbzeit eine fast schon guardiolaeske Ballbesitzquote aufzuweisen hatten, aber keine Idee, wie man den Abwehrriegel der Leipziger würde knacken können. Sie blieben ihrer Linie treu, bei der man sowohl noch die Handschrift des alten wie auch des neuen Trainers sehen konnte:

Sobald sich für sie die entsprechende Chance ergab, gab es Variante A (sehr schnelles Umschalten, wobei sie im Spiel nach vorne stets gefährlich waren) oder eben Variante B (sehr schnelles Umfallen, wodurch sie sich die ein oder andere Verschnaufpause und unserem Spiel den Wind aus den Segeln nahmen).

Nach der Trinkpause hatten die Hoffenheimer kein weiteres ausgeprägtes Interesse am Ballbesitz, aber halt auch nicht den Biss in den Zweikämpfen. Meist standen wir zu weit weg vom ballführenden Spieler oder waren einfach mit zu wenig Personal zu weit weg vom Gegner.

Anfang der zweiten Halbzeit versuchten wir es wieder, schnell zu einem Tor zu kommen, aber es misslang erneut und es entwickelte sich ein im Grunde unschönes Spiel mit vielen Unterbrechungen und Nicklichkeiten.

Überhaupt muss man sagen, dass das Auftreten der Leipziger auf dem Platz einen hat mutmaßen lassen, irgendeinen Hollywoodstreifen zur Motivation im Bus geschaut zu haben, denn wenn sich eine Chance zu einer Provokation ergab, ließen sie diese im Gegensatz zu ihren Torchancen nicht aus.

Das begann schon beim Einlaufen der Mannschaften, wo Ilsander sich noch einen Schluck aus der Dose des Hauptsponsors genehmigte. Klar, bietet sich an, zumal so eine Interaktion mit dem Angebot des Hauptgeldgebers für die Leipziger ja wesentlich leichter ist als für einen der unseren, der ja auf dem Weg auf dem Rasen nicht schnell noch mal einen Quellcode überarbeiten kann.

Es folgte das komplette Repertoire an Attitüden, die wohl nur im Fußball ungeahndet bleiben: Ball nach Freistoßpfiff nicht hergeben (einmal sogar einfach das bereits zur Ausführung bereit liegende Spielgerät in die Hand nehmen und wegtragen), mit dem (schwachen) Schiedsrichter diskutieren, ihm zum Teil sogar zu bedrängen, was alles an sich überhaupt nicht schlimm ist, aber halt auch nicht schön und lächerlich. Hier wäre es schon schön, wenn sich die Gilde der Spielleiter in Deutschland mal einig werden könnte, wie man all diesen Quatsch unterbindet. Die EM – und das (die Schiedsrichterleistungen) war wohl das Beste an ihr – zeigte, wie es geht.

Doch gerade als Leipzig so peu à peu mehr vom Spiel hatte, hatten wir Rupp, der – schwupp – einen schlecht abgewehrten Ball – zupp – in die Maschen setzte

Die Führung war nicht unbedingt verdient, aber natürlich sehr willkommen, zumal nun ja der Plan mit dem Kontern hätte klappen können. Was er bekanntlich nicht tat. Vielmehr war es ein Konter unsererseits, der drei Minuten später zum Ausgleich führte, denn erst wurde Kramarics Solo durch Körperkontakt unterbunden, aber nicht als Foul geahndet. Dafür unterbanden wir deren Spielaufbau nicht, so dass sie ungestört über die linke Verteidigerposition flanken konnten, wo dann der Ex-Hoffenheimer Kaiser an dem in dem Falle langsam, sonst überzeugend agierenden Süle vorbeikam und den Ball aufs Tor brachte, wo der in dem Falle langsam, sonst überragend agierende Baumann den Ball durchließ.

Das motivierte die Gäste noch mehr, die hier ihre Chance witterten. Immer wieder ging es über die Seite von Ochs, aber zum Glück auch mal schief. So war es ein Fehlpass der Leipziger, der uns die erneute Führung brachte sowie den Beweis, dass wir das Spiel des schnellen Umschaltens auch beherrschen. Weniger als sieben Sekunden dauerte es von Rudys Ballannahme bis zur erneuten Führung durch Uth, der im Gegensatz zur ersten Minute den perfekt in seinen Lauf gespielten Ball von Rudy direkt aufs und dann auch ins Tor brachte.

Doch auch dieses Tor brachte uns nicht die gewünschte Sicherheit. Es gelang uns nicht, den Gegner vom eigenen Tor fernzuhalten, so dass es zwar diesmal fast doppelt so lange wie beim ersten Mal dauerte, bis wir den Ausgleich bekamen, aber wir bekamen ihn halt – wieder über Ochs’ Seite, der nicht nah genug am Mann war, wieder war Süle bei seinem Abwehrversuch nur fast am Ball und wieder, so sprach fast ein jeder auf den Rängen, in der 90. Minute.

Das ist natürlich so ganz richtig nicht, denn vielmehr als späte zu Punktverlust führende Gegentreffer waren wir unter Nagelsmann bekannt für frühe sicherheitschaffende Führungstreffer. Das hat halt diesmal nicht geklappt, so dass wir nicht so punkten konnten, wie das wohl alle dachten.

Aber was nicht ist, kann ja noch werden – und das geschah ja auch, nach Schlusspfiff, auch wenn die Aktion selbst zu Beginn der zweiten Halbzeit stattfand.

Gab es noch zu Beginn der Partie eine schöne, klassische Choreografie der Südkurve in Blau und Weiß, erlebten die Zuschauer zum Wiederanpfiff eine Renaissance der Wandzeitung, in der natürlich auch die Witzecke nicht fehlen durfte.

Natürlich war da auch Müll dabei, aber warum sollte auf den Rängen alles perfekt sein, war es auf dem Feld ja auch nicht. Und es ist wohl eher der eigenen Körpersaftkonstellation geschuldet, wie man zu diesem Bannerbombardement steht. Den Humoriker hat es erfreut, den Choleriker eher nicht – und wer die Menschen der Region kennt, kann erahnen, wie die erste Reaktionen auf diese Aktion der Fans ausfiel. Zum Glück sahen das aber viele Menschen ganz anders.

Es war vielleicht nicht der Befreiungs- oder Ritterschlag für Hoffenheim in puncto Ligaakzeptanz, aber es war ein Riesenschritt der Fans, der genau in diese Richtung geht.

Endlich raus aus diesem immer nur korrekten Kundenimage, auch mal Kante zeigen und zugleich Witz. Selbstironie ist eine hohe Kunst – und bislang tat sich der Verein damit nicht wirklich hervor. Dafür gab es gewiss Gründe (Nota bene: Wer will, hat Pläne – wer nicht will, hat Gründe.), aber dankenswerterweise dürfte sich das jetzt in der allgemeinen Wahrnehmung verbessert haben.

Allenthalben wird die Aktion in der überwiegenden Mehrzahl der Medien überwiegend gelobt. Natürlich wäre es ohne Injurien wie „Scheiß RBL“ etc. noch besser gewesen, aber wer das jetzt betont, sorgt sich mehr um seinen Gallenfluss als um den Verein. Denn endlich, endlich werden wir nun auch mit etwas assoziiert, das gerade im modernen Fußball und seiner Vermarktung, die ja mehr und mehr auch über die sozialen Netzwerke stattfindet, immer wichtiger wird: Humor, wobei hier natürlich nicht mehr die Körpersäfte gemeint sind, sondern Häme, Spott, Ironie.

Ironie ist eine Denkform der Vergrößerung des Bruchs zwischen Selbstbild und Fremdbild, zwischen Absichten und Wirkungen, zwischen notwendigem und tatsächlichem Verhalten. Sie zielt immer auf andere als den Beobachter, konfrontiert Dritte mit ihren unerreichten Idealen oder mit einer durchsichtigen Um-Wertung des Faktischen. Distanzierende Nachahmung und kritische Verstärkung sind ihr Prinzip: Ironie führt die unhaltbare Seite sprachlich vor, zerrt das Ungenügen ans Licht und macht Über- oder Untertreibungen sichtbar durch symbolische Fortsetzung.
(Definition nach wikipedia)

Gerade Ironie ist ein wunderbares Stilmittel, was für gewöhnlich in den klassischen Medien fast schon ein absolutes Tabu ist, denn es besteht immer die Gefahr, dass wer die Ironie nicht erkennt – und dann wäre das Geschrei groß, weil man halt erklären müsste, dass es sich um ein Missverständnis handle blablabla, statt eben dem anderen klarzumachen, dass er einen Gag nicht kapiert habe.

Wer sich der Ironie bedient, braucht gerade wegen des möglichen Widerstandes Mut. Wer sich des Mittels der Selbstironie bedient, braucht mehr. Er braucht darüber hinaus Humor.

Natürlich sagt hierzulande jeder gerne, dass man auch über sich selbst lachen können müsse. Aber wer kann das wirklich? Wie angedeutet, die ersten Reaktionen vor Ort waren nur bedingt positiv. Aber die Reaktionen nach dem Spiel gaben den Fans der TSG Recht sich eben auch selbstverarschend so ziemlich alles und jeden adressiert, was/der sich in der Vergangenheit gegen Hoffenheim richtete.

  • „Wir wollen auf den Thron zurück:
    Deutschlands meist gehasster Verein – TSG 1899€ Hoppenheim“
  • „Den Fußball zerstört nur einer:
    Hoffe – und sonst keiner!“
  • „KOHL€N€LF“
  • „El Plastico“
  • „Schokodrink statt Red Bull“

Und unser ganz persönlicher Favorit:

  • „Grüße an die 4 Sky-Zuschauer!“ – mit Herz.

sowie der herrlich absurde Hashtag #raufasertapete.

In der Art haben das wohl noch keine Fans gemacht – und dabei haben die der TSG das geschaffen, wofür Marketingabteilungen oft Jahre brauchen, wenn es ihnen denn überhaupt gelingt: uniqueness.

Diese Coolness der Aktion muss man einfach bewundern. Zudem hat sie noch einen Vorteil: Sie lenkte vom Spiel unserer Mannschaft ab. Sie machte den Punktverlust irgendwie erträglicher, weil wir auch damit so gut dastehen, wie wir es schon lange, lange nicht mehr taten: Die Fans heute in ihrer Liga auf 1, die Mannschaft in der ihren auf Platz 8 – und damit nicht nur „überm Strich“, sondern auch in der oberen Tabellenhälfte und das sicher auch noch am nächsten Wochenende, denn jetzt ist ja Länderspielpause. So können wir uns einerseits an den Anblick gewöhnen, andererseits die Schwächen in der Partie versuchen auszumerzen. (Auf Sky entwickelte sich die Partie sogar zum Quotenhit.)

Am Spieltag 2 haben wir wieder die Ehre des Abschlusses.

Gegen den 1. FSV Mainz 05. Und damit das auch mit dem Humor wieder klappt und da die Fanszene gerade auf der einer Welle der Euphorie schwimmt aka lebt, nutzen wir für die Auswärtsfahrt das Wasser, um uns diesmal aber ganz klassisch zu verschiffen. Fanzug? Könnte ja jeder … 🙂

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