1899 Hoffenheim vs. VfL Wolfsburg
Der Sieg der Herzen
Der wahre Gewinner einer PR-Aktion
Moderne Kommunikation fokussiert sich prinzipiell auf Affirmation. Und nicht wenige derer, der glaubt unter einem Sympathiewertedefizit zu leiden, neigen dazu, sich mit „Großen“ zusammenzutun, um so die soziale Akzeptanz zu erhalten, die man subjektiv für erstrebenswert oder angemessen hält.
Natürlich springen Fußballmannschaften nicht in Badewannen voller Schokolade und Leibchen ziehen sie sich auch nicht mehr wahllos über den Busen (Lassen wir mal Glaubensbekenntnisse sowie Grußbotschaften für Lebensabschnittsgefährtinnen, Nachkommen etc. außen vor.), wenn sie in die Nähe eines Objektivs kommen, da dies doch meist eine Verwarnung durch den Schiedsrichter sowie möglichwerweise auch eine Geldstrafe durch den Verein nach sich ziehen kann. Wenn es aber darum geht, für eine große und gute Aktion einer großen und, also einer großen Zeitung zu werben, ist die Bereitschaft zur Teilnahme groß. Merkantiles Schlagwort: Synergie, wahlweise: Win-Win-Agreement.
Die Aktion bekommt Aufmerksamkeit, die Zeitung bekommt Auflage, der Verein aus dieser Ecke schon mal keinen Stress. Für VW hat sich dieses Engagement ausgezahlt. Gab es eine kritische Schlagzeilen über den Konzern in der Finanzkrise? Wurde je der stark azyklische Verlauf der VW-Aktie dort thematisiert? Erinnert man sich an die, äh, Dienstreisen? Oder dass der Verein mittels seines Sponsors sehr, sehr, sehr, sehr viel Geld investiert hat? Oder wie sich, genauer gesagt: wer dieses Engagement refinanziert? Sehr gute PR, die weit mehr wert ist, als sein ohnehin weltbekannes Logo auf dem Trikot des Vereins sehen zu wollen.
Und 1899? Hat eine Zeitschrift aus dem Axel-Springer-Verlag als Trikotsponsor – und da die Aktion ebenfalls stark mit dem Verlag zusammenhängt, kann man nicht wirklich sagen, dass der Eigner von TV Digital auf Präsenz verzichtet hätte. Im Grunde also eine professionell gelungene PR-Aktion.
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Sätze wie „Zum ersten Mal spielen in der deutschen Fußball-Bundesliga mit der gleichen Werbung auf der Brust.“ kommen dabei beim ordinären Event-Touristen als Infohappen bestimmt gut an. Sind aber wie alles, was falsch ist, nicht gut. (vgl. Adorno, T.)
Wer ein wenig öfter Fußball schaut, weiß, dass dies normalerweise auch nicht gestattet ist. Sport und wirtschaftliche Interessen könnten kollidieren. In der Vergangenheit hätte es schon mehr als einmal Spiele mit gleichem Trikotspsonsor geben können – sowohl in der Bundesliga (z. B. Kik vs. Kik) oder in der Champions Lagie (z. B. Opel vs. Opel) -, aber das wurde jedesmal vom jeweils austragenden Verband untersagt.
Und überhaupt: Wen interessiert’s? Die Aktion „Ein Herz für Kinder“ ist toll, aber sie gehört zum medialen Drumherum. Das Wesentliche des Spiels ist das Spiel. Wer nur hier mit Herz auftritt, gewinnt: zum einen das Spiel, zum anderen die Herzen der Zuschauer. So verbessern sich Sympathiewerte besser und nachhaltiger … und unsere Jungs haben wieder einmal alles dafür getan und zurecht ein großes Kampfspiel mit noch großartigeren Einzelleistungen verdient gewonnen. (Darüber wird man noch lange sprechen, während die PR-Aktion schon bald nur noch in den Präsentationen der PR-Agentur selbst unter „Referenzen“ Erwähnung findet.)
Leider wurde vieles und davon nicht wenig zu unrecht unterbunden, was uns zu den beiden Schwachpunkten des Spiels bringt: zwei Herren in Gelb: der eine trug die 1 auf dem Rücken und spielte für unsere Mannschaft, der andere kam ohne Beflockung aus und spielte nicht für uns.
Das aber gab dem Spiel unserer Mannschaft eine neue Qualität. Sie haben es trotzdem gewonnen. Zweimal folgte auf die Führung durch die wunderschönen Tore von Ibisevic und Eduardo fast schon im Gegenzug der Ausgleich, wobei nicht nur Haas schlecht aussah. Jaissle hatte auch schon bessere Spiel gemacht. Egal! Auch Weiss, Gustavo, Ibertsberger waren schon mal besser die Saison und es war auch nicht schön zu sehen, dass Ibisevic meinte, mit Schwalben zum Erfolg kommen zu müssen, letztlich aber hat 1899 Hoffenheim als Mannschaft zusammengehalten, sich auch in kritischen Momenten zusammengerissen und somit auch als Mannschaft nicht nur das Spiel gewonnen.
Die Kombinationen nach der erneuten Führung durch Obasi waren derart sehenswert, dass wir uns überlegen, der ohnehin komplizierten Abseitsregel den „Zungenschnalz-Passus“ zuzufügen:
Nicht auf Abseits darf entschieden werden, wenn die Abseitsstellung des Spielers durch eine spielästhetisch anmutende Kombination der angreifenden Mannschaft resultiert.
Diese Mischung aus Technik, Kampf, Bockmist und Wille sowie eben die Tatsache, nach 94 Minuten doch als Sieger vom Platz gegangen zu sein, machte dieses Spiel so besonders – zumal Wolfsburg ja vor der Saison als Maßstab für unsere Jungs gesehen wurden.
Somit hat die Mannschaft allen Grund, selbstbewusst die letzten vier Spiele der Hinrunde anzugehen. Und sollte einer fehlen – hier sind drei weitere:
In den letzten drei Saisons hatte unsere Mannschaft am 13. Spieltag immer mehr Punkte als Tore. Diese Saison hat sie mehr Tore als Punkte, interessanterweise aber so viel Punkte wie noch nie zuvor.
Darüber hinaus gibt die Erkenntnis Anlass zur Vorfreude, dass der Durchschnitt der erzielten Tore pro Spiel am Ende der Saison immer höher lag als nach dem 13. Spieltag.
In den letzten beiden Jahren entsprach der Tabellenplatz am 13. Spieltag genau dem, den unsere Mannschaft auch am Ende der Hinrunde hatte. Das waren die Spielzeiten, in denen Ralf Rangnick Trainer war und in denen die 1899 Hoffenheim am Ende der Saison auf Platz 2 landete. Das bedeutete damals Aufstieg. Diesmal wäre es Champions League.
Und wo wir gerade so schön am Schwelgen sind:
In der offiziellen Dictio heißt das: noch 12 Punkte bis zum Nichtabstieg. Und das am 13. Spieltag! Durch geile Spiele. Fußballherz – was willst du mehr?
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