1899 Hoffenheim vs. Eintracht Frankfurt
SCHMACKOFATZ!
Ein satter Schuss beendet ein Spiel,
das Appetit auf mehr macht,
obwohl es schon lange vor dem Anpfiff
mit einem Magengrummeln begann.
Als Fan des schönen Spiels ist man doch immer wieder über den ihn begleitenden Journalismus überrascht. Bisweilen so sehr, dass man bisweilen dazu neigt, sich zu fragen, ob das noch Journalismus ist oder nicht eher ein Grundseminar in Physiologie.
Die Nonchalance, mit der Fußballjournis über Verletzungen schreiben, ist beeindruckend. Lapidar werden hier fachbegrifflich Körperteile und -teilchen erwähnt, die bei dem ordinären Fußballfan zwangsläufig zur Selbstreflexion führen: „Hab‘ ich das auch?“
Muskeln? Ja. Schulter? Ja. Mittelfuß? Ja. Sprunggelenk? Ja. Achillessehne? Ja. Meniskus? Ja. Schienbein? Ja. Aber Schambein? Das gibt’s aber auch erst seit zehn Jahren oder so. Und mit der Annahme ist der ordinäre Fußballfan nicht allein, wie das bekannte Zitat eines ordinären Fußballers belegt:
„Schambeinverletzung? Die habe ich früher auch mal gehabt, aber nicht wegen Fußballspielen.“
So sprach ehedem Mario Basler und erntete Lacher. Aber niemand verdiente sich auf Seiten der ordinären Sportjournalisten das Lob, ganz ordinär aufzuklären …
Das Schambein ist ein Teil des Beckens, das zusammen mit dem Sitzbein und dem Darmbein die Hüftgelenkspfanne bildet. Es gibt ein linkes und ein rechtes Schambein, die über die Schambeinfuge miteinander verbunden sind.
… oder nachzufragen, woher diese denn dann rührte? Hat er es sich immer am Kneipentisch gestoßen?
Aber auch das Syndesmoseband ward auf einmal in einer Selbstverständlichkeit präsentiert, die einen sich dumm fühlen ließ, denn auch das wurde nur so erwähnt, aber nicht kurz erklärt. Wir helfen aber gern:
Das Syndesmoseband hält das untere Schienbein und das Wadenbein zusammen und sorgt dadurch für die nötige Stabilität im Sprunggelenk.
Seit ein paar Tagen kennt der Hoffe-Fan nun noch mehr, denn plötzlich wusste das Fach(arzt?)magazin kicker über Oliver Baumann zu berichten, dass „sich der Nationaltorhüter an der Plantarfaszie im Fuß verletzt“ habe.
Nonchalant. ZACK. Hier, du Laie, nimm‘ das. Warum schreibt man nicht, dass „sich der Nationaltorhüter an dem Gewebeband verletzte, das die Ferse und den Fußballen miteinander verbindet (Plantarfaszie).“
Hat man Angst, dumm zu wirken?
Hm, sagen wir mal so, wäre man klug, würde man nur dann von der „Plantarfaszie im Fuß“ sprechen, spräche man auch vom „Backenzahn im Kiefer“, dem „Daumen an der Hand“, dem „Kehlkopf im Hals“ etc.
Aber sei’s drum … unsere Nr. 1 war verletzt und für den ordinären Hoffe-Fan klar, dass das am Sonntag gegen Eintracht Frankfurt nichts werden kann. Und nicht nur dem. Gleich ward in den Medien auch von der Überlegung zu lesen, dass die TSG gedenke, das aktuelle Transferfenster dazu zu nutzen, auf der Position nach Ersatz zu suchen.
Leider wurde dies auf der Nachspiel-PK von unserem Trainer nicht vehement dementiert, womit er eigentlich unseren Ersatztorwart gleich wieder demontiert. Wozu ist einer die Nr. 2, wenn man ihm nicht ver- bzw. zutraut, die Nr. 1 auch mal etwas (! – Die Rede war von einer Verletzungsdauer von bis zu, also maximal 6 Wochen.) längerfristig zu ersetzen?
Jetzt holt man wen, Oli kommt zurück, und was macht dann der Neue, der ja zumindest auf dem Papier besser ist als unser Ersatzkeeper? Und wo will man den so kurzfristig herbekommen? Vom Trikotsponsor der Gäste – einer Zeitarbeitsfirma?
Nach dem Sommertheater sowie der Handhabung der Personalie Grillitsch würde das keinen wirklich überraschen, würde aber nicht gerade davon zeugen, dass man was aus den Fehlern und Nachwirkungen gelernt hat. Und es widerspräche auch den Grundfesten der TSG, die immer wieder auf den Nachwuchs setzt und auch unbekannten Leuten, gerade auf der Position, eine Chance bietet, sich als Profi zu etablieren. (Kirschbaum, Schwäbe, Casteels, Kobel).
Zudem zeigte seine Leistung heute, dass er aus seinen Fehlern aus seinem letzten Pflichtspieleinsatz für die TSG (1. Rundenspiel im DFB-Vereinspokal gegen Würzburger Kickers) gelernt hat, auch wenn er seine größte Tat in diesem Spiel (gehaltener Elfmeter im finalen 5 gegen 5) leider nicht wiederholen konnte.
Das war das große Pech für ihn, dass er aber in der Saison nicht exklusiv hat. 1. Schuss des Gegners aufs Tor, drin.
Da waren aber schon 26 Minuten rum. Bis dahin verlebte er einen sehr ruhigen Sonntagnachmittag im Kasten der TSG, der es durch eine grandiose Zuordnung und -stellung gelang, den Gegner vom eigenen Tor fernzuhalten, während die TSG ihrerseits sehr präsent ward in des Gegners Strafraum und bereits in der 6. Minute hätte in Führung gehen können, doch Hloseks Schuss landete leider nur an der Latte.
Die Anfangsphase stellte das Fach(fußball?)magazin kicker so dar:
„Von Anfang an wurde deutlich, dass der TSG Sicherheit wichtig war. Die Hausherren erwarteten Frankfurt tief stehend. (…) Die Partie war recht ereignisarm, was auch daran lag, dass das Tempo nicht sonderlich hoch war.“
Unweigerlich dachte man an Rolf Miller, den Kabarettisten aus Buchen und großen Fußballfan, der sich einmal so über die Fußballberichterstattung äußerte:
„Der Belà Rethy und ich – mia hawwe nie des gleische Spiel gsee.“
Dann aber kam es zu dem Elfmeter, den der Schiri so nicht gab, was schon zu dem Zeitpunkt überraschte, denn es lag ein Frankfurter Spieler nach einem Zweikampf am Boden, was ihm ansonsten jedes Mal zum Pfiff gereichte, was die Frage aufwarf, ob ER vielleicht vom Frankfurter Trikotsponsor … Nein, natürlich nicht, aber seine Linie erinnerte doch sehr an diesen Gag:
„Er starb eines natürlichen Todes.“|„Sie stießen ihn vom Dach!“|„Erdanziehung ist was ganz Natürliches.“
Aber aus Spaß wurde ernst, denn der VAR schaltete sich ein – und alle wussten, was das zu bedeuten hatte. Fehlentscheidung des Schiedsrichters. Elfmeter für Frankfurt. Und der eben noch allem Anschein nach kurz vor der Fußamputation stehende Spieler stand plötzlich am Punkt und verwandelte die Steilvorlage aus Köln.
Das war alles maximal ärgerlich, denn unsere Elf spielte wie eine Eins – und das begann bei dem Spieler auf der Position 1: Philipp brachte die Bälle schneller und präziser und variantenreicher ins Spiel als es unsere eigentliche Nr. 1 in der Regel tut. Auch spielten die dann Ballführenden die Kugel schneller, präziser und klarer zum Mitspieler – und vor allem immer vor den Mitspieler, so dass der dann keine Zeit mit der Ballannahme vertändeln musste. Das Mittelfeld wurde meist durch kontrolliertes Passspiel auf die Flügel statt unkontrolliertem Langholz auf den Zielspieler vorn überbrückt, und unsere Außen nutzten die Länge des Spielfeldes, um hinter die Abwehr zu kommen. Das 5:0-Eckenverhältnis zur Halbzeit belegt deutlich, wer mehr für die Attraktivität des Spiels tat.
Und nach Wiederanpfiff ging es unvermindert weiter. In der 46. Minute erhöhte unsere TSG das Eckenverhältnis auf 6:0 – und den Druck auf die Gästeabwehr, die immer wieder versuchte, durch lange Bälle auf ihre pfeilschnellen Stürmer zu befreien, die aber immer wieder durch konsequentes Forechecking unserer Offensivspieler sowie kluges Stellungsspiel unserer Defensive genau daran gehindert wurden.
Und kam mal ein Ball in Philipps Nähe hatte er den sicher und immer (!), wenn es sich anbot, auch schnell wieder ins Spiel gebracht. So auch nach rund einer Stunde, als er den Ball auf Bischof abwarf, der mit dem vielleicht geilsten Pass der bisherigen Bundesligasaison Hlosek in Szene setzte, der den Ball nach einem Sprint übers halbe Feld souverän im Netz versenkte.
Die Fahne blieb unten, der Schiri griff sich wieder ans Ohr – und wir uns an den Kopf. Wieder meldete sich Ingri…der Kölner Keller. So schön es war, dass die TSG mit breiter Brust spielte, in dem Fall war die von Hlosek für die Kölner Kellerkinder zu breit: Abseits.
Verzweiflung griff um sich, und erste Sinnfragen an den Fußballgott wurden gestellt. Wir spielten fair, wir spielten schnell, wir spielten schön, aber er spielte irgendwie nicht mit – zumindest nicht auf unserer Seite. Sollten wir etwa zu unlauteren Mitteln greifen, z. B. Atropin.
Dieser Stoff ist ähnlich der Erdanziehung etwas ganz Natürliches. Er steckt er in der Tollkirsche und im Stechapfel. Wenn man versehentlich von diesen Früchten probiert hat, muss man sich den Magen auspumpen lassen. Aber sehr niedrig dosiert könnte uns das helfen, denn ein paar Tropfen weiten die Pupillen vor Untersuchungen des Auges. Aber woher sollen wir das auf die Schnelle bekommen? Außerdem hilft das ja bei Kurzsichtigkeit und verbessert die Sehkraft. Also ist das nichts. Oder doch?
Natürlich, dachte sich wohl auf der Trainerbank, der etwas weiterdachte, denn letztlich ist Atropin ein Gift und das hatten wir zwar nicht im Apothekenschrank, doch ihn auf der Bank. Also rein damit … und keine zwei Minuten trat auch schon die Wirkung ein. Er hatte die Augen auf und verwandelte Hloseks perfekte Hereingabe perfekt. Perfekt. Der höchst und längst und überhaupt verdiente Ausgleich.
Jetzt bloß nicht gleich wieder ‘n Gegentr…ooh, das war knapp … Glück geha … effer. Der 2. richtige Schuss der Gäste aufs Tor und wieder Rückstand. Wir trauten unseren Augen kaum. Wie konnte das denn sein? Das tat richtig weh.
Doch unsere Jungs machten das einzig Richtige: weiter. Weiter. Weiter. Es war beeindruckend, mit welchem Einsatz unsere Jungs zu Werke und nach vorne gingen. Zwar pfiff der Schiedsrichter nach wie vor jeden Fall (von Gravitation) der Gäste zu unseren Ungunsten, aber inzwischen spielte unser Team noch präziser, so dass es erst gar nicht zu Zweikämpfen kam. Aber zu mehr und mehr Chancen, darunter auch welche im dreistelligen Bereich, aber weder Kramaric noch Hlosek noch Stach konnten diese weder durch Gewaltschuss, Präzisionsschuss und Bogenschuss verwerten.
Na, wenn das alles nichts hilft, dachte sich wohl Olis Bindenersatz Andrej, wenn kein Schuss sein eigentliches Ziel erreicht, wie wäre es mit einer kunstvollen Granate und übernahm sofort Verantwortung für den Part „kunstvoll“. In der 5. Minute der siebenminütigen Nachspielzeit lupfte er den Ball umgeben von Gegenspielern am Sechzehner über dieselbigen und überließ ihn dann a) der Naturkraft Gravitation und b) Hloseks Naturkraft Wumms. Was! Ne! Granate! Endlich ward der angeschlagene Torwart der Gäste erneut geschlagen. Erneut der höchst und längst und überhaupt verdiente Ausgleich.
Natürlich war da die Angst groß, dass die Gäste erneut schnell ihrerseits … aber nein. Wir kamen wieder schnell an den Ball und wieder zu Chancen, aber die waren zugegebenermaßen nicht so dolle und dann das Spiel glücklicherweise aus.
Ein Punkt. Zu wenig, ehrlicherweise, für die Leistung, aber super fürs Karma. Die Mannschaft tut wirklich alles, um sich nicht nur aus dem Tabellenkeller zu befreien. Sie emanzipiert sich auch von den Kräften, die ihr in der Saison immer wieder die Kraft zu nehmen schien.
Wenn sich jetzt der Verein noch entschiedener gegen die Dämonen im Umfeld stellt, zum Beispiel Fach(ökotrophologie?)medien, die dauernd ihre Süppchen und Gerüchte kochen, z. B. indem man ihnen keine Möhre hinhält und sie auch sonst nicht füttert, sondern sie ihnen klar und unmissverständlich wegnimmt, müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir uns so langsam kein gesundes Punktepolster anfressen können. Hungrig genug war die Mannschaft in diesem Spiel – und sie machte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, satt zu sein.
Schmackofatz.
Was! Ein! Auftritt!
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