1899 Hoffenheim vs. Borussia Mönchengladbach
Die Fragilität des Faktischen
Mehr Glück als Glanz
Normalerweise kann man da nicht meckern:
– Rückstand aufgeholt
– Heimspiel gewonnen
– herausgespielte Tore erzielt
– 3 Punkte
– Platz 4 zur Halbzeit der Hinrunde
Und dennoch … lohnt es sich, „kritisch“ zu bleiben, wie der Akademiker gerne sagt, und auch das Objektive auf seine Substanz hin zu überprüfen. Ist der Verein das, was der Volksmund „einen Riesen auf tönernen Füßen“ nennt?
Definitiv nicht, denn dazu fehlt es uns schlicht an Größe. Im Fußball setzt sich der Begriff ja nicht nur aus messbaren Größen, wie €, km, Stadionvolumen, Tabellenstand oder sonstigen Zahlen zusammen, sondern eben auch Historie und Tradition. Und da wir im Gegensatz zu finanziellen Möglichkeiten über Letzteres nicht verfügen, sind wir nicht „groß“. Unseretwegen auch ’noch nicht‘. Aber das ist Verbalkosmetik und tut hier nichts zur Sache.
Die Tatsache, dass wir nicht groß sind, heißt ja nicht, dass wir es nicht werden wollen. Dazu brauchen wir also Historie, Tradition, und dazu brauchen wir als Erfolg, denn wir müssen uns in der Bundesliga etablieren. Über einen langen Zeitraum, um dadurch attraktiv zu bleiben für den Nachwuchs aus der Region, der dann für den Verein spielen will und über ihn den Weg ins Nationalteam schafft.
Das hat man erkannt und schwor ein wenig der Versuchung des schnellen Erfolges ab. Zu Anfang der Saison wurde DER Superstar der Mannschaft verkauft und beschlossen, wieder mehr auf den Nachwuchs zu setzen. In der Startelf von gestern war davon wenig zu sehen.
Diese Startaufstellung hätte auch schon in Liga 2 spielen können. Oder gab es noch wen Neues außer dem Torwart und Mlapa, der wahrscheinlich auch nicht gespielt hätte, wäre Obasi fit gewesen.
Irgendetwas stimmt nicht. Falsch, denn das „irgendetwas“ lässt sich definieren:
Laufbereitschaft, Spiel ohne Ball, Passgenauigkeit, Kommunikation auf dem Platz, Einsatzwille, Spielwitz – aber ansonsten ist alles top. (Sarkasmus hilft bisweilen, Verärgerung zu kompensieren.)
Herr Rangnick nannte die erste Hälfte „Angsthasenfußball“ – und man darf fragen, wie er auf dazu kommt, hier das Wort „Fußball“ in den Mund zu nehmen. Und da er derjenige ist, der für die Ein- und Aufstellung der Mannschaft verantwortlich ist, darf man gleich hinterher fragen: Ist er ein „Angsthasentrainer“?
Warum setzt er immer auf die gleichen, wenn er sieht, dass sie ihr Potenzial nicht abrufen? Es wird immer wieder betont, wie stark die Mannschaft sehr gute Einzelspieler habe und auf den einzelnen Positionen gut bis sehr gut besetzt sei, aber wenn sie so grottenschlecht spielt wie in der 1. Halbzeit, dann kann was nicht stimmen – entweder die Lorbeeren ob der vermeintlichen Qualität oder die Mannschaft als System.
Wollen wir es weniger theoretisch machen: Wenn man einen 300 PS-Sportwagen hat, der nicht beschleunigt und über 80 km/h nicht hinauskommt, hat der Wagen entweder ein Getriebeproblem oder man fährt mit Vollbremse.
Unsere Mannschaft hat beides und der Chefmechaniker aka Trainer zur 2. Hälfte wenigstens ein Problem, die Bremse, gelöst und Ibisevic draußen gelassen und durch Vukceviv ersetzt. Und er, der Nachwuchsmann, zeigte dann, was der Wagen kann, wenngleich es auch weiterhin hakte und ruckelte und nicht so recht vorwärts ging.
So fand man wenisgtens über Krampf zum Spiel.
Vukcevics Einsatz war es, der den Ausgleich direkt nach Wiederanpfiff einleitete. Und es lag nur an seinem Einsatz. Ein Clou des Trainers war es nicht und wenn, hat Boris davon nichts mitbekommen, denn er war in der Halbzeit nicht in der Kabine, er musste sich ja für seinen Einsatz warm machen.
Auf einmal ging es auch wieder besser, ohne wirklich gut zu werden. Die Tore 2 und 3 fielen jeweils nach einem Platzverweis gegen die Gäste, was immerhin für eine gewisse Kaltschnäuzigkeit und Chancenverwertung spricht. Dass die Gäste aber mit nur acht Feldspielern noch zum 2:3 Anschlusstreffer kamen, nicht für die Abwehr.
Dann Schlusspfiff. Einblendung der Tabelle. Alles jubelt. Platz 4. Keiner wartet. Keiner rechnet. 7 Punkte sind es auf Platz 2 – genausoviel wie auf Platz 14. Und dass wir den erreichen, scheint nach der gestrigen Leistung leider, leider wesentlich realistischer als dass unsere Miles & More-Konten anwachsen.
Es wird so langsam Zeit für eine Inspektion …
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