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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. Bayer 04 Leverkusen

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Keine reine Kopfsache

Eine eher gastroenterologische Nachbetrachtung

Der Mensch besitzt zwei Gehirne. Den 100 Milliarden Nervenzellen, die im 1. Gehirn des Menschen im Kopf angesiedelt sind, stehen rund 200 Millionen Nervenzellen im 2. Gehirn gegenüber – dem im Bauch – und sie scheinen chancenlos zu sein.

Einerseits überrascht das natürlich auf den ersten Blick, allein wegen der zahlenmäßigen Überlegenheit von 500:1. Andererseits weiß man aus der Geschichte, dass die schiere Zahl der Akteure kein Garant für den Erfolg ist.

Man erinnere sich nur an die Schlacht an den Thermopylen zu Beginn des 2. Perserkrieges (480 v. Chr.), wo rund 300 spartanische Hopliten (schwerbewaffnete Heeressoldaten) unter der Führung von Leonidas sich gegen die laut Herodot 5 Millionen Mann starken Truppen von Xerxes wehrten und ihm sehr hohe Verluste bescherten.  (Auch wenn diese Zahlen des Geschichtsschreibers als arg übertrieben gelten und Leonidas letztlich fiel und Xerxes doch noch nach Athen marschieren konnte, war diese Schlacht der Ausgangspunkt dafür, dass die griechischen Staaten letztlich ihre Unabhängigkeit gegen das Perserreich verteidigen konnten.)

Außerdem muss man die Zahlen ja nicht immer relativieren. Absolut gesehen sind ja 200 Millionen Nervenzellen auch nicht gerade wenig zur Herausbildung einer hohen Intelligenz, was sich auch darin zeigt, dass dies ungefähr der Anzahl an Nervenzellen entspricht, wie sie im Gehirn anderer Säugetiere vorkommen, z. B. der als besonders intelligent geltenden Ratte.

Das 1. Hirn ist zwar hochgradig und unverständlich komplex aufgebaut, aber es hat halt nur eine gefühllose Steuerungszentrale. Der Bauch, unser 2. Gehirn, ist gewissermaßen ein Abbild des Kopfhirns – Zelltypen, Wirkstoffe und Rezeptoren sind identisch. Und es hat weitere Vorteile: ähnlich Leonidas hat er treue Vasallen (bei Leonidas waren das u.a. Tegeaten, Mantineer, Korinther, Thebaner, in unserem Bauch sind es unzählige Bakterien) sowie einen lokalen Vorteil: Dort werden die Substanzen produziert, die unsere Gemütslage beeinflussen, wie Dopamin und diverse Opiate.

Zudem wird der Nervenbotenstoff Serotonin – das „Glückshormon“ – zu 95% in den Zellen der Darmwand synthetisiert und gelagert, somit ist für den Bauch ein schnellerer Zugriff möglich und die Wirkung der Substanzen entfaltet sich dort natürlich als erstes, was Signalwirkung für alle anderen Partien im Körper hat.

Dieser Part wird dann vom 1. Hirn übernommen, aber halt erst sozusagen auf Geheiß des 2. Hirns. Der Bauch hat also de facto das Sagen, was sich auch daran konstatieren lässt, dass 90% der Verbindungen zwischen Bauch und Kopf von unten nach oben verlaufen. (Vielleicht so ganz nebenbei ist dies eine ganz interessante Analogie für alle Unternehmensberater, Personalverantwortlichen sowie Experten für Organisationsstrukturen.)

Diese abdominale Dominanz ist natürlich hilfreich – zum einen, wenn man „Schmetterlinge im Bauch“ hat, und noch hilfreicher, weil lebenserhaltend, wenn es keine Insekten sind, sondern Toxine, denn da ist es nicht ratsam, viel Zeit mit kognitiver Reflexion zu verbringen, sondern sofort einen Brechreiz auszulösen.

Und da wären wir an dem Punkt, wo wir uns dem Spiel zuwenden wollen – und das nicht, weil es zum Kotzen war, auch wenn es einem trotz des Punktgewinns auf den Magen schlug und nur schwer verdaulich ist, auch wenn wir gegen einen der Großen einen Punkt geholt haben und sogar die „rote Laterne“ abgeben konnten.

Das Kopfhirn wäre vor dem Spiel mit dem Ergebnis zufrieden gewesen, das Bauchhirn war es nach dem Spiel nicht, denn es wäre einfach mehr drin gewesen. Der Gegner hatte zwar in allen Bereichen eine zahlenmäßige Überlegenheit (Ballbesitz, Eckbälle, Torschüsse), aber wir hatten die besseren Chancen, wir waren in Führung und (wieder einmal) so nah dran.

Dabei sah es anfänglich gar nicht danach aus. Im Gegensatz zum Hinspiel lag die erste Verteidigungslinie gut 40-50 Meter tiefer. Das hatte natürlich eine deutliche optische Überlegenheit der Gäste zur Folge, doch bis auf einen Kopfball von Kießling, den Baumann aus dem Stand aus dem Winkel fischte, passierte nichts Gefährliches, derart konzentriert arbeitete unsere Abwehr.

Das Problem war jedoch das Umschaltspiel. Entweder wir bekamen den Ball erst gar nicht unter Kontrolle oder wir verloren ihn wieder einmal zu schnell. Das Problem war dabei statistisch gesehen Hamad, weil er die meisten Fehlpässe produzierte. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Eigentlich waren es alle anderen, die schlicht zu langsam für seine Ideen waren.

Hamad versuchte stets mit nur einem Ballkontakt das Spiel zu verlagern, seine Mitspieler in Szene zu setzen und entsprechend schnelle Gegenstöße zu initiieren, aber das klappte gerade in der ersten Viertelstunde bestenfalls ansatzweise, in der zweiten halben Stunde kaum mehr.

Es war wohl der schöne lange Ball des ansonsten verbesserten, aber nach wie vor weit unter den Erwartungen spielenden Rudy auf den ebenfalls verbesserten, aber nach wie vor weit unter den Erwartungen spielenden Volland, der die Mannschaft erkennen ließ, dass da in der Tat auch Offensivpersonal auf dem Platz stand.

Diesen langen Ball konnte der Gästekeeper gerade noch abwehren, den nächsten nicht mehr. Hamad nahm Kießlings Verlängerung einer Schmid-Ecke mutig, direkt mit dem Innenrist und schoss den Ball sehr platziert quer durch den Pulk im Sechzehner ins lange Eck zur langersehnten und zu dem Zeitpunkt durchaus überraschenden Führung.

Spätestens jetzt war der Mann im Team angekommen – und damit ist nicht nur die Mannschaft gemeint, die an dem Tag auf dem Platz stand.

Hamad kam mit großen Vorschusslorbeeren versehen nach Hoffenheim. Bester Youngster der schwedischen Liga, Nationalspieler, Torschützenkönig, wieder ein Juwel, das die ehedem so gelobte Scouting-Abteilung der TSG da wieder entdeckte. So schien es. Doch durchsetzen konnte der sich wohl als Back-Up für Firmino gedachte Schwede nie. Nur wenige Einsätze in der ersten Mannschaft, dann Ausleihe nach Lüttich, dann Rückkehr wegen Kreuzbandriss, wieder ein Griff ins Transferklo, den sich da die TSG leistete. So schien es. Und die Eindrücke in der U23 stimmten nicht gerade zuversichtlich. Dort wuselte er zwar wild umher, aber auch da schien er weder ins Mannschaftsgefüge noch genau zum Mitspieler zu passen.

Ob es nun die Trainingsleistungen waren oder der Zufall, sprich: Verletzungen und Erkrankungen der anderen Spieler während des bzw. nach dem Trainingslager in Südafrika, beim Vorbereitungsspiel in der vergangenen Woche gegen SK Sturm Graz stand er in der Startelf und machte ein gutes Spiel. Allerdings gegen einen extrem schwachen Gegner, der zumindest an dem Tag sich eher den Namen SK Schnarch Graz verdient hatte.

Er belohnte sich für seine gute Leistung in dem Kältekick mit seinem Treffer zum 3:0, der fast eine Blaupause war seiner Riesenchance zu Beginn der 2. Halbzeit, die er selbst vorbereitete. Erst stibitzte er den Ball vom Abwehrspieler beim Aufbauspiel, schaltete schnell, setzte Volland ein, der sich rechts durchsetzte, schön flach zurück auf Hamad passte, der den Ball dann bedauerlicherweise über die Latte drosch.

In der Phase waren wir zwar nicht klar überlegen, aber unsere Partizipation am Spiel war zu dem Zeitpunkt nicht mehr nur auf Reaktion beschränkt. Zudem gelang es der Mannschaft, das, was man zu Beginn der ersten Halbzeit ansatzweise in Sachen Kombinationsspiel sah, Anfang der zweiten Halbzeit auch mal zu Ende zu spielen.

Rudy auf Vargas, der auf Schmid, der an den Pfosten, der Gästekeeper kriegt den Ball zwar nicht zu greifen, aber ihn dann doch noch gerade noch so vor Vargas weggeschlagen.

Doch wieder einmal bewahrheitete sich die alte Weisheit, dass man die Tore, die man vorne nicht macht, hinten fängt – und das ausgerechnet in Folge der ersten Spielbeschleunigung durch Baumann.

X Chancen erstickte er im Keim durch seine Unentschlossenheit, den Ball schnell wieder ins Spiel zu bringen. Und wenn, dann trat er den Ball meist derart unpräzise nach vorn, dass wir in Folge seiner Abschläge konstant in der Defensive waren.

Zugegebenermaßen war er nicht der einzige, der mit seinen langen Bällen unglücklich agierte. Im Grunde kam kein hoher, weiter Ball bei einem der unseren an, was bei den Größenverhältnissen auch nicht überraschend war. Dass wir allerdings keinen einzigen zweiten Ball gewinnen konnten und auch bei den Stocherbällen stets die Unterlegenen waren, hat nicht nur uns, sondern hätte auch Leonidas (der eingangs erwähnte Anführer der Spartaner) sehr missfallen, sind dies doch deutliche Indizien für Defizite im organisatorischen wie auch physischen Bereich.

Nicht zuletzt war dieses Plus an Physis auch letztlich der Grund, warum die Gäste dann doch noch zum Ausgleich kamen. Zuerst machte Baumann noch zwei, drei Hundertprozentige zunichte, doch die Abwehr bekam den Ball nicht raus und Süle dann seinen Kopf nicht rechtzeitig an den Ball, den Toprak dann mit purem Willen derart wuchtig über die Linie brachte, dass auch Schärs Torwarteinlage nichts brachte – auch ihm keine rote Karte.

Überhaupt hatte der Schiedsrichter eine sehr laxe Handhabung der Handspielregel (auch wenn das in Schärs Fall korrekt war), aber es gab mehrere Abwehrsituationen der Leverkusener, wo der Ball mit den oberen Extremitäten gespielt wurde. Im Gegensatz dazu pfiff er Situationen, die es wohl nur im Schiedsrichter-Handbuch seines Württembergischen Fußballverbands gibt.

Es muss wohl etwas mit der Reinlichkeitsliebe der Schwaben zu tun haben, dass er ausnahmslos jede Situation pfiff, bei der ein Spieler erst Körper-, dann Bodenkontakt und damit verschmutzte Spielkleidung hatte. Das war zum Teil wirklich grotesk, aber dankenswerterweise nie spielentscheidend.

Der Ausgleich war es – dank Baumann. Denn nach dem 1:1 war immerhin noch eine Viertelstunde zu spielen, aber nach vorne ging gar nichts mehr. Unseren Spielern war anzumerken, dass auch bei ihnen das 2. Gehirn wieder die Kontrolle übernommen hatte. Zu groß war wohl die Furcht, auch dieses Spiel gegen Ende dann doch noch völlig aus der Hand zu geben.

Ja, es ist gerade das Bauchhirn, welches sich Gefühle merken kann, was übrigens ein interessanter Aspekt ist, weil auch das ein Riesenproblem bei Darmtransplantationen darstellt. Die große Zahl fremder Nerven- und Immunzellen, die mit dem Spenderorgan übertragen werden, reizen den Empfänger-Organismus. Daher befürchten Mediziner neben Abstoßungsreaktionen auch schwere psychische Irritationen.

Kein Wunder, dass auch die Fans mit jeder Sekunde, die das Spiel andauerte, mehr und mehr ein flaues Gefühl in der Magengegend bekamen. Aber nach der letzten Krampfattacke, als Kießling sträflich frei im Strafraum frei zum Kopfstoß kam, diesen aber torwartgerecht zu Baumann bugsierte, war er dann da: der erste der noch fehlenden 27 Punkte, die es angeblich zum sicheren Klassenerhalt braucht.

Ansatzweise war das ja schon recht ansehnlich – und wenn sich unsere Elf an die Geschwindigkeit unserer Nr. 11 gewöhnt, ist die Hoffnung nicht völlig unbegründet, dass wir am Ende der Saison besser als heute dastehen. Aber es muss halt weiterhin hart, sehr hart gearbeitet werden – insbesondere halt an den Abläufen — und das auch außerhalb der Mannschaft.

Es kann ja sein, dass die Pressekonferenz aus irgendeinem unerfindlichen Grund wirklich so spät stattfand, aber warum die Stadionregie wieder einmal nicht in der Lage war, den Ton in die Fankneipe zu übertragen, erschließt sich einem Laien nicht.

Wie gesagt, 100 Milliarden Nervenzellen. Die müssten doch ausreichen für so einen einfachen motorischen Befehl. Oder haben sich die Knöpfe in den letzten Wochen geändert? Oder war man sich dort des Fußvolkes nicht mehr bewusst? Jedenfalls sorgte auch das für zusätzliches nicht nur Magengrummeln unter den Ausharrenden.

Doch auch was das angeht, bleiben wir zuversichtlich, dass hier in Bälde Besserung eintreten wird.

Wir lassen uns nicht demotivieren. Auch nicht durch die Tatsache, dass es jetzt bereits vier Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz sind und dass wir selbst bei einem Sieg gegen die Bayern in deren Stadion uns tabellarisch nicht würden verbessern können – im Gegenteil, trotz eines Sieges womöglich auf Platz 18 zurückfallen. Auch nicht, wenn es am Ende vom 19. Spieltag sieben Punkte Rückstand auf Platz 16 wären.

Aber selbst dann wäre ja immer noch genug Zeit und es gäbe immer noch genug Möglichkeiten, die nötigen Punkte zu holen – und das ist weder ein reines Bauchgefühl, noch eine reine Kopfgeburt. (Das wäre es, wenn wir prohezeien würden, wo wir doch heute so viel über den Bauch schreiben, dass Volland im nächsten Spiel das gelingt, was wir nicht mehr haben: ein Six-Pack. Andererseits: Hätten wir vor einem halben Jahr geschrieben, dass jenem Spieler gegen jenen kommenden Gegner das schnellste Tor der Bundesliga-Geschichte gelingen würde, wären wir ebenso ausgelacht worden. Oder etwa nicht?

Na, merken Sie, wie gut diese Erinnerung Ihren zwei Hirnen tut …. 🙂 )

Es ist schlicht eine Tatsache bzw., wo wir heute doch so pseudo-medizinisch sind, ein Anti-Hysterikum – und das aus gutem Grund:

Niemand positiv historisch wird,
der hysterisch wird.

🙂

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