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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. 1. FC Nürnberg (DFB-Pokal)

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Grad- statt Beckmesser

Kein Grund, am Rad zu drehen:
Die TSG ist eine Runde weiter.

Wagner. Wer denkt da, wenn er diesen Namen hört, nicht sofort an Sandro? Vielleicht sogar David? Wir. Wir denken, gerade auch, wenn wir an das gestrige Spiel und die Kulisse denken, an Richard Wagner und sein Werk „Die Meistersinger von Nürnberg“.

Aber da sieht man mal, dass man den offensichtlichen Verführungen nicht trauen sollte, denn außer dem Titel passte, man möchte, will, nein: muss sagen: Fußballgott sei Dank, wenig aus dieser Oper, die 51 Jahre vor der TSG gegrün…uraufgeführt wurde, zum DFB-Pokalspiel gegen die Clubberer.

So dauert sie ca. 4 ½ Stunden, während das Spiel nach rund 1 ½ Stunden zu Ende war – und trotz phasenweise begeisternder Vorträge war man froh darüber, denn das Fußballspiel fand im Freien statt, während es in der Oper ums Freien geht.

Doch wir wollten mehr sein als der Sieger der Herzen – und das wurden wir auch. Walther von Stolzing reichte Ersteres, schließlich musste er das sein, um weiterzukommen.

Willkommen zum Bildungsblock:

Der reiche Goldschmied Veit Pogner verspricht seine Tochter Eva demjenigen, der bei einem Sängerwettbewerb der Meistersänger gewinnt. Eva hat ihr Herz aber bereits dem verarmten letzten Nachkommen seines Geschlechts, dem Ritter Walther von Stolzing geschenkt, die sich am Abend zuvor bei einem Besuch Walthers im Haus der Pogners kennengelernt und sofort Gefallen aneinander gefunden hatten.

„Bist du Single?“
„Ja.“
„Wollen wir …?“
„Ich würde gern, aber …“
„Aber?“
„Aber mein Alter hat da ganz andere Vorstellungen.“
„Hä? Wir leben doch im Jahre ….“

Nein, nicht 2024 – wir haben den Dialog aus Wagners eigener Feder nur freundlicherweise ins Neudeutsche übersetzt –, sondern eben die Reformationszeit (frühes 16. Jahrhundert)– und a) klang das so (also im Libretto) …

EVA
Gut Lenchen, ach, das meint er ja nicht.
Doch von mir wohl wünscht er Bericht.
Wie sag ich’s schnell? Versteh‘ ich’s doch kaum!
Mir ist, als wär‘ ich gar wie im Traum!-
Er frägt – ob ich schon Braut?

MAGDALENE (ihre Amme) – heftig erschrocken
Hilf Gott! Sprich nicht so laut!
Jetzt lass uns nach Hause gehn;
wenn uns die Leut‘ hier sehn!

WALTHER
Nicht eh’r, bis ich alles weiß!

[…]

MAGDALENE
Herr Ritter, was Ihr die Jungfer fragt,
das ist so leichtlich nicht gesagt;
fürwahr ist Evchen Pogner Braut.

EVA (lebhaft unterbrechend)
Doch hat noch keiner den Bräut’gam erschaut.

MAGDALENE
Den Bräut’gam wohl noch niemand kennt,
bis morgen ihn das Gericht ernennt,
das dem Meistersinger erteilt den Preis.

… b) hatten da Väter noch Einfluss auf die Gattenwahl der Tochter.

Gut, die haben sie heute auch noch, aber anders. Und ehedem lag der Fokus auch nicht auf Arzt, Rechtsanwalt oder Beamter – zumindest nicht bei Papa Pogner.

„Ein Meistersinger muss es sein.“ war also seine Bedingung, schließlich war er selbst einer. Und da gab es einen, der sich bereits als der sichere Sieger Evas Hand wähnte, weil er dachte, er sei der einzige Teilnehmer des Wettstreits: der Stadtschreiber. Er war ebenfalls ein Meistersinger, wie man die Zunft der bürgerlichen Dichter und Sänger nannte. Mehr noch, er bekleidete da das Amt des „Merkers“. Den Titel hatte die Gildenleitung inne.

Diese beurteilte die Vorträge der Schüler, Schulfreund, Singer, Dichter nach den Regeln der Tabulatur und entschieden so über deren Aufstieg. Sie ernannte nur die Dichter zu Meistern, die eine neue Melodie („Ton“, Weise) erfanden und völlig fehlerlos vortrugen.

Beim Vorsingen präsentiert Walther ein Lied nach dem Vorbild Walthers von der Vogelweide, der Merker jedoch versteht das Genie dahinter nicht und bekrittelt es an allen Ecken und Enden, und die anderen Mitglieder, welch‘ Wunder, wenn der Chef was meint, schließen sich dieser Meinung an.

Aber dann bekommt er einen Text eines anderen Meistersingers in die Hand, den er dann ebenfalls im Verdacht hat, an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Dieser aber namens Hans Sachs war nur Lehrer und in dem Falle „Ghostwriter“ von Walther. Dieser schenkt ihm das Werk, und der Stadtschreiber will es beim Wettstreit vortragen. Jedoch kommt er nicht mit der ihm unbekannten Dichtkunst zurecht und blamiert sich. Walther wird als rechtmäßiger Dichter des Liedes enttarnt und erhält allgemeinen Beifall. Er bekommt den Siegerkranz und sogar die goldene Zunftkette von Papa Pogner verliehen.

POGNER – mit einer goldnen Kette, daran drei große Denkmünzen, zu Walther
Geschmückt mit König Davids Bild,
nehm‘ ich Euch auf in der Meister Gild‘.

WALTHER – mit schmerzlicher Heftigkeit abweisend
Nicht Meister! Nein! (Er blickt zärtlich auf Eva.)
Will ohne Meister selig sein!

Schon fett kitschig, ne? Und du, geneigte/r Leser/in denkst womöglich, dass sei das Ende, aber das ist es nicht. Im Libretto ist es das fast, aber hier geht es noch etwas weiter, denn aufmerksam, wie du bist, hast du bemerkt, dass etwas fehlt: der Name des Stadtschreibers.

Dieser, sein Name ward einst ein bekanntes Wort, das aber leider völlig in Vergessenheit geriet, obwohl es den Typen nach wie vor gibt.

Und so wie wir alle Hagestolze kennen, oder Blaustrümpfe, die weder Lust auf Nadelgeld haben noch ihren Sinn des Lebens darin sehen, Toilette zu machen, obwohl es diese Typen auch noch zuhauf gibt.

Sixtus Beckmesser hieß der Mann, also der Meistersinger und Stadtschreiber, der im Grunde versprochene Gemahl Evas – und damit war das Wort geboren, das, hätte es überlebt, recht passend wäre für den Forenfan der TSG, der ja sehr gerne beckmesserisch ist.

Erinnern wir uns zurück an die Kurzzusammenfassung: Er ist ein hohes Tier, aber nicht in der Lage, das Potenzial des Neuen zu entdecken, obwohl das die Grundvoraussetzung dafür ist, in seiner Liga zu spielen.

Zugegeben, so gesehen, trifft das weniger auf den Forenfan zu. Dafür die klassische Definition, dernach jemand als „beckmesserisch“ gilt, der in einer Art und Weise agiert, die pedantisch, rechthaberisch und engstirnig ist.

So oder so: Beckmesser gibt es noch zuhauf, wie auch jene, die sich als „Merker“ wähnen oder sich als solche hervortun wollen, gerne mit einem ironischen „Blitz-“- versehen, nur das Wort … ist fort.

Zurück zum Spiel:

Wir sind aber noch da, also die TSG – im Pokal und das a) zu Recht und b) mit Glück – auch weil wir seit langer, langer Zeit mal wieder einen Schiedsrichter hatten, der in dubio pro hoffenheimensis entschied.

Damit spielen wir hier natürlich auf die Ecke an, die in der zehnten Wiederholung keine war, die aber auch kein VAR zurückgenommen, aber dafür einen Elfmeter nach der Kollision von Tohumcu mit dem Torhüter der Franken gegeben, äh: angeregt hätte.

Das war aber nur der 1. Akt der Szene, die zum 1:0 führte, denn Tabakovic bekam den Ball wenige Zentimeter vor der Linie von einem Nürnberger Verteidiger zugespielt, so dass dieser dann derart leichtes Spiel hatte, ihn über die Linie zu schieben, dass er ihn nach dessen Überschreiten noch mal mit Vehemenz in die Maschen schießen musste, so dass wir am anderen Ende des Spielfelds sowohl wach als auch der Führung gewahr wurden.

Bis dahin lief bei uns wenig zusammen, außer vielleicht die Spieler selbst. Die Breite und Tiefe des Raumes schien unserer auf doch einigen Positionen umgestellten Mannschaft zu breit und zu tief.

Immer wieder landete der Ball kullernd mehr oder weniger im Mittelkreis, wo ihn Grillitsch meist erstmal stoppte. Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass die Nürnberger meist tief standen, aber unser Spiel machte es ihnen auch leicht. Wenn es schnell wurde – hier kann man eine weitere Parallele zu Wagners Werk sehen –, wurde es auch gut, aber es wurde halt selten schnell.

Aber auch dafür gab es gute Gründe: Natürlich wollte man weiterkommen, aber am Samstag steht ein insgesamt wesentlich wichtigeres Spiel an, und am kommenden Donnerstag auch und dann wieder Samstag, da heißt es natürlich auch, mit den Kräften haushalten.

Deshalb war Prass nicht einmal im Kader, Kramaric, Bischof und Nsoki nur auf der Bank und alles Weitere oblag wohl Grillitsch.

Tohumcu, Bülter, Kadarabek, Jurasek mühten sich zwar, aber kamen selten offensiv an den Ball und wenn, dann gegen gut gestaffelte Abwehr der Gäste nicht durch, was sie aber dankenswerterweise oftmals selbst erkannten und den Ball zurückspielten, bis dieser dann bei Grillitsch am Anstoßpunkt landete. Doch, was für den einen „zäh“, war für den anderen „kontrolliert“ und in Anbetracht dessen, was in den nächsten eineinhalb Wochen auf dem Programm steht, „clever“.

Und mit einer 1:0-Halbzeitführung war ja auch alles in Ordnung, zumal es kurz vor dem erlösenden Pfiff nach 45 Minuten eine Phase gab, wo wir uns über den Ausgleich der Gäste nicht hätten beschweren können. Das konnten wir dann aber mit Fug und Recht drei Minuten nach Wiederanpfiff. Da machten die Franken mal Tempo – und ihr Tor. Eingeleitet von dem Mann, dem wir überhaupt zu verdanken haben, dass wir gegen sie spielen konnten. Es war der Spielmacher der Gäste, der eingewechselt den entscheidenden Elfmeter im gleichnamigen Schießen noch im Trikot für die TSG verwandelte: Justvan.

War die Stimmung trotz der nur 18001 Zuschauer schon bis dahin gut, bekam sie jetzt Pokalcharakter, denn das Tor fiel vor dem – im wahrsten Sinne des Wortes – Gästefanblock. Rund ein Drittel der Zuschauer hielt es mit dem Traditionsklub aus Franken, und die witterten natürlich jetzt ihre Chance. Aber man muss auch den Hoffenheimer Fans ein großes Lob aussprechen, denn sie hielten auch da dagegen. Überhaupt gab es keinen wirklichen Sieger in Sachen Sängerwettstreit, was auch daran lag, dass die Süd diesmal von ihrem kruden 18 Minuten und 99 Sekunden-Boykott absah. Im Gegensatz zur Mannschaft gab die Kurve also von Anfang an Vollgas – und ließ nach dem Ausgleich nicht ab, auch wenn unser Spiel trotz zunehmender Bemühungen nicht wirklich dynamischer wurde.

Nach einer Stunde durfte noch (musste doch?) Kramaric ran und zeigen, wie wichtig er für die Mannschaft ist – allein durch seine Präsenz. Gingen die Gäste Bülter immer sofort an, hielten sie bei Kramaric Abstand. Hier schien eine zeitnahe Balleroberung wohl zu unwahrscheinlich und da wollte man sich wohl nicht verausgaben oder Lücken schaffen, die auszunutzen man unserer 27 wohl eher zutraute als unserer 21.

Und just so viele Minuten waren noch zu spielen, als es in einem inzwischen offenen Spiel wieder Eckball für die TSG gab. Hatte Tohumcu die zuvor von der anderen Seite noch quer über den Strafraum gedroschen, lenkte er sie diesmal auf den kurzen Pfosten, wo sich Chaves gegen gleich zwei Gegenspieler durchsetzte, und den Ball per Kopf wunderschön ins lange Eck netzte. 2:1.

Es spricht für Matarazzo, dass er dann nicht auf Bollwerk entschied. Er ließ also Nsoki draußen. Als Grillitsch runter-, der sich diesmal danach auch benahm, und Bischof brachte, tat der Selbiges in Sachen Schwung ins Spiel unserer TSG. Das führte zwar zu keinem weiteren Tor, aber zu weiteren Chancen. Diese konnten wir zwar nicht verwerten, aber den Gegner immer besser und bis weit über die grundlos fünfminütige Nachspielzeit von unserem Tor weghalten.

In ihrem letzten Angriff fielen zwar gleich zwei Gästespieler im Strafraum, aber der Schiedsrichter nicht auf die theatralischen Einlagen rein. Der Pfiff, der ertönte, erlöste uns also von unserem Bangen.

Kein glanzvoller Sieg, aber wir sind ja keine Beck-, sondern, nehmen wir das Spiel als Gradmesser, glücklich, denn wir hielten auch in dieser Konstellation dem Druck stand und stehen nun im DFB-Pokal-Achtelfinale. Damit sind wir vielleicht nicht fußballerisch, aber im Wettbewerb weiter – und darum ging’s: weiter! Und jetzt? Kann jede/r freien nach Gusto und sich freuen nach Gusto. Und dann?

Geht’s weiter …
Weiter stets.
Immer weiter T S Geht’s …

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