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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. 1. FC Nürnberg

Wahrheit und Wirklichkeit

oder: Die stille Pfeife

Was für ein Auftakt. Was für ein im wahrsten Sinne des Wortes FußballSPIEL.

Da war einfach alles geboten. Da war alles drin. Auch der Ball – und das gleich fünfmal. Leider sah das der Schiedsrichter nicht so und gab einen wunderschön herausgeSPIELten Treffer von Volland nach exakt 45 Minuten nicht.

Er pfiff drei Sekunden später – dann aber zur Halbzeit. In die ging unsere Mannschaft mit einer 1:0-Führung – und jene, die genau auf Höhe Torlinie das Spiel begeistert verfolgten, mit einem ziemlichen Groll.

Zugegeben, es gab schon Bälle, die sogar mit ihrem ganzen Umfang hinter der Torlinie waren und nicht gegeben wurden (WM 2010: Deutschland-England), aber es reicht ja bereits der Durchmesser – nach den Regeln.

Dem Linienrichter auf der Südseite reichte das offensicht(?)lich nicht. Ohnehin ein Mann, der bei einigen Situationen seltsame Entscheidungen traf und der mehrfach keine Probleme hatte, auf der Höhe des Strafraums stehend zu erkennen, dass der Ball auf der ihm fernen Seite jenseits der Spielfeldbegrenzung war. Damit lag er genauso falsch, was das Ganze noch seltsamer anmuten lässt. Mit TorAUS schien der Mann keine Probleme zu haben, bei TorIN hingegen …

Natürlich überwiegt die Freude über das SPIEL. Das war klasse, das hatte Klasse. Dazu gehört natürlich auch ein ebenbürtiger Gegner, der einen fordert, der einen durch seine Leistung dazu zwingt, seine eigene Leistung abzurufen. Und genau dieser Gegner waren die Gäste.

Schon nach einer Minute war deren Taktik klar. Unserem „Hochstehen“ begegneten sie mit langen Bällen – und die waren gerade in den ersten zwei Szenen des Spiels sehr gut und präzise gespielt, deren Empfänger sehr sprintstark und ballsicher, so dass wir schon in der ersten Minute im Strafraum grätschen und rutschen mussten, um Torschüsse abzuwehren.

Es dauerte ein paar Minuten, bis 1899-seitig Spieler und Mannschaft schnell und rund liefen – aber dann entschädigten sie für weit mehr als nur die ersten Minuten des Saisoneröffnungsspiels. Das wurde Fußball geSPIELt – und das schnell und zum Teil auch sowohl schnell als auch präzise.

Schon schade, dass trotz guten Wetters und Ferien und Blabla rund 4.000 Plätze leer blieben. Wer sich in der Region für Fußball interessiert und sich für den Sport und vor allem das SPIEL begeistern kann, und nicht im Stadion war, der hat echt was verpasst.

Kombinationsfußballstafetten, die zielgerichtet waren und die auch zum Abschluss führten. Wann hat man zuletzt eine Hoffenheimer Mannschaft so sicher spielen, so grandios kombinieren und vor allem so direkt schießen sehen?

Unsere Mannschaft hatte schon vor dem Führungstreffer 90%+-Chancen, die aber entweder knapp vergeben oder durch den wirklich guten Torwart der Gäste vereitelt wurden.

So war es die Szene, die am wenigsten nach Torchance aussah, die das ersehnte Tor brachte. Abraham, umgeben von Gegnern, fällt der Ball auf den Hinterkopf und von da durch die Reihe abwehrbereiter Gegenspieler auf deren Torlinie überquert er dieselbe. 1:0.

Und danach machte die Mannschaft weiter. Sie spielte weiter. Ja, SPIELte. Weiter. Und nach vorn.

Zum Teil erliefen Elyounoussi, Modeste und Volland die steilsten Bälle, bei denen weder Zuschauer noch Gegner glaubten, dass sie die noch kriegen würden. Und sie taten es doch.

So auch nach 44:56, als Volland sich einen Ball errannte und bis der Gästekeeper erkannte, dass da Gefahr für seinen Kasten droht und er rauslief, um jene abzuwenden, überwand Volland den Mann in Gelb durch einen grandiosen Heber. Der Effekt: Ball in vollem Durchmesser über der Linie. Der Effet brachte den Ball wieder ins Spielfeld. Und dann kam die Pfeife ins Spiel. Der Mann in Schwarz pfiff. Aber halt nur zur Halbzeit.

Zu unserer Verwunderung blieben unsere Spieler da sehr ruhig. Natürlich bringt aufregen nichts. Es macht die korrekte Entscheidung des Schiedsrichters nicht geschehen.

Aber sie haben es ja, als sie in die Kabinen gingen, alle auf den Monitoren gesehen, dass der Ball drin war. Und umso höher ist ihr Auftreten nach dem Wiederanpfiff zu werten: Sie SPIELten einfach weiter – und der Mann am Urinal sollte Recht behalten.

Ohnehin ist die Männertoilette ein sehr guter Ort für einen Gesamteindruck. Jeder bringt seine Sicht der Dinge (also nicht die faktischen, die werden abgewehrt, die zum Spiel) ein, wodurch man ein großes Meinungsmosaik erhält.

Ein Konglomerat von Individuen, befreit von Gruppenzwängen, überschäumenden Plastikbechern, senf- u/o ketchuptropfender Stadionnahrung, sich von innerem Blasendruck befreiend, und wenngleich nicht jedes Körperteil, so doch zumindest den Kopf frei, sich aufs Wesentliche konzentrieren kann und nicht nur seinen Gedanken freien Lauf lässt.

Und diese Analysen führen dann zu Prognosen, die weniger in die Hosen gehen als an der Börse und so mancher Tropfen.

„Der Demba Ba macht noch ääns!“ hieß es vor weiß-gekachelter Wand und in kaum mehr als eine Viertelstunde später sollte genau das auf sattem Grün wahr werden.

Und zum Glück heißt unser Trainer Markus Gisdol und nicht Michael Kohlhaas. Er, Kohlhaas, der Pferdehändler in der gleichnamigen Novelle Heinrich von Kleists, dessen Wahlspruch lautet: „Fiat iustitia, et pereat mundus“ (dt.: „Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe auch die Welt daran zugrunde!“), griff zur Selbstjustiz, nachdem ihm keine Gerechtigkeit für sein erlittenes Unrecht zuteil wurde.

Unser Trainer griff zu gar nichts und auch auf der Pressekonferenz nach dem Spiel nicht einmal den Schiedsrichter an. Er plädierte lediglich für den Chip im Ball, weil dadurch das Spiel fairer würde. Fürwahr.

Und wahrlich besonnen, vor allem, wenn man bedenkt: Wahrheit kennt keine Zeit. Aber sie braucht halt Fürsprecher, um Wirklichkeit zu werden.

Wahrheit ist: Der Ball war drin. Wirklichkeit ist: kein Tor. Folge: zwei Punkte weniger.

Diese zwei verlorenen Punkte wiegen heute genau so viel, wie am 33. oder 34. Spieltag. Nur würden sie dann medial anders gewichtet. Man denke nur daran, diese Saison wird ähnlich … äh: spannend wie die letzte. Jeder weiß, was (nicht nur) da zwei Punkte ausmachen.

Ja, hört man da so manchen ebenso Unbedarften wie Unreflektierenden rufen, im letzten Spiel der letzten Saison gab der Schiedsrichter ein Tor für den Gegner nicht, weshalb es 1899 überhaupt erst in die Relegation schaffte.

Ja, antwortet da der, der klar in Kopf und Geiste. Nur war deren Treffer ja auch wahrlich irregulär. Unserer … egal jetzt. Halbzeitende. Das Spiel geht weiter …

Ja, der Mann am Urinal sollte Recht behalten. Anthony Modeste, der in seiner Motorik doch sehr an unseren ehemaligen Stürmerstar erinnert, vollendete einen vollendeten Spielzug über die rechte Seite. Diesmal wackelte das Netz, diesmal wurde der Treffer gegeben.

2:0 – das Spiel schien gewonnen, die Sache gelaufen, doch dann lief kurz nichts mehr.

Zwei Konzentrationsfehler auf der rechten Verteidigungsseite, zweimal wurde unser Keeper überwunden, zweimal schlug der Ball im rechten Eck ein und so stand es nach kaum mehr als zwei Minuten nach dem 2:0 2:2.

Das mag man unterm Strich als einen verdienten Spielausgang ansehen, Medien und vor allem natürlich der Gästetrainer, aber diese Meinung muss man ja nicht teilen.

Zwar war der Gegner bis zum Schlusspfiff gefährlich und hatte auch bis dahin seine Chancen. Wir aber auch und gar die größeren.

Kurz vor Schluss übersah Elyounoussi zwei freie Mitspieler, er schloss selbst ab – und vergab. Aber das soll kein Vorwurf sein. Das kann immer passieren und lieber eine Mannschaft, die den Torabschluss wagt, als eine, die beim Torabschluss zagt.

Natürlich kam auch noch gegen Ende Edeljoker Schipplock, aber er leider zu keiner nennenswerter Torchance mehr. Salihovic kam auch noch kurz vor Schluss, aber die Mannschaft in keine Freistoßsituation. So konnte auch er keine großen Akzente mehr setzen. Ganz im Gegensatz zum ersten Wechsel Strobl, der Mitte der 2. Hälfte Rudy ersetzte, der ebenfalls ein sehr gutes Spiel machte. Strobl strotze vor Selbstbewusstsein und Engagement. Seine Motivation tat der Mannschaft sichtlich gut, die auch nach dem insgesamt sehr ärgerlichen Verlauf des Spiels nie den Kopf hängen ließ.

Taj: Auch wenn wir durch die Fehlentscheidung zwei Punkte verloren haben, haben wir den Glauben an das SPIEL unserer Mannschaft und die Mannschaft selbst wieder gewonnen. Ergo blicken wir voller Vorfreude …

… auf eine schöne SPIELzeit!

(Bildquelle: Uwe Grün, Kraichgaufoto)

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