1. FSV Mainz 05 vs. 1899 Hoffenheim
Wo ist der Schlüssel zum Erfolg?
Kein Team. Kein Weg. Keinmal überzeugend.
Es gibt viele Menschen in Deutschland, die zittern vor Blumen wie Hyazinthen, Rhododendren, Krankheiten wie Gonorrhoe und Hämorrhoiden, aber auch alltäglichen Gegenständen wie Portemonnaie und Necessaire und nicht zuletzt Beschreibungen wie Dekollete, Nervosität oder Spontaneität – und das aus einem einzigen Grund: ihrer Orthographie wegen.
Doch zum Glück für Schüler und Schreiber kommen diese Begriffe selten vor. Im Gegensatz zu dem Wort, das in der Musik die Folge unterschiedlicher Notenwerte entstehenden Akzentmuster über dem Grundpuls beschreibt: den Rhythmus.
In der Musik gibt es viele charakterisierende Rhythmen: der ¾-Takt für Walzer, der 4/4-Takt in der Popmusik oder das klassische 1-2-3-4-5-6-sieben-8 aus dem HipHop bzw. dem Aerobic-Kurs.
Generell beschreibt der Rhythmus in der Musik die Zeitintervall von Schallereignissen und Pausen, die in Noten festgehalten werden. Der Rhythmus beschreibt die horizontale Komponente der Musik. Und damit das Ganze auch ästhetisch gefällig ist, gehört auch eine vertikale Komponente hinzu: die Harmonie. Etymologisch ist dieser Begriff auch sehr interessant, da er die Vereinigung von Entgegengesetztem zu einem Ganzen bezeichnet.
Bei alledem ist es also nicht verwunderlich, dass diese Begriffe wie „Noten“, „Rhythmus“, „Harmonie“ sowie „horizontal“ und „vertikal“ heutzutage auch im Fußball gang und gäbe sind, schließlich hat auch ein Spiel Schallereignisse (u.a. Torjubel, Anfeuerungen) und Pausen, damit die Spieler auch mal verschnaufen, wo der Ball halt viel quer, äh: horizontal gespielt wird, um sich den Gegner zurechtlegen zu können, wo dann oftmals der vertikale Pass kommt, oftmals einhergehend, insbesondere, wenn der dann ankommt, mit erneuten Schallereignisse.
So geschehen gestern, als noch keine Viertelstunde gespielt war. Polanski mit einem Pass der Note 1+ auf Schmid, der auf der Klaviatur des Konterfußballs eine wahren Allegro („rasch, munter, heiter, fröhlich“) hinlegte, den Ball ersprintete und mit dem ersten Schuss aufs Mainzer Tor auch gleich die Führung für die TSG erzielte.
Da kommen wir wieder auf den Rhythmus. In drei von vier Spielen, in denen wir ein Tor erzielten, taten wir dies als Erste im Spiel und das auch jeweils mit dem ersten Schuss aufs Tor. Zudem haben wir jedes Spiel, in dem wir ein Tor erzielten verloren. Und auch in den Ergebnissen spiegelt sich eine gewisse Harmonie wider:
1:2 – 1:2 – 0:0 – 1:3 – 1:3
Die Liste liest sich musikalisch gesehen nicht unharmonisch. Und irgendwie erinnert sie auch eine klassische IQ-Test-Aufgabe, mit der Frage: „Was kommt als Nächstes?“
Nach dem Spiel gestern wäre jeder überfroh, würde sich das Muster am Mittwoch mit einem (torlosen) Unentschieden ergänzen lassen. Daran glauben mag man auch, aber kann man das auch? Realistisch gesehen?
Nun schließen sich ja „Glauben“ und „Realität“ per se weitestgehend aus. Also wollen wir an eine Überraschung am Mittwoch glauben und dazu auch die Geister von ehedem berufen, als wir schon mehr als einmal als megakrasser Außenseiter gegen Borussia Dortmund spielten – und das Spiel sogar gewannen – einmal durch ein wahrscheinlich schon in Vergessenheit geratenes 1:0 unter Holger Stanislawski daheim, einmal durch das ewig unvergessliche 2:1 auswärts unter dem inzwischen stark unter Druck geratenen Markus Gisdol.
Aaaaaaaber … die Dortmunder spielen zur Zeit noch schneller und präziser als die gestrigen Gastgeber. Die 1:0-Führung war sehr schmeichelhaft. Das Tempo, das die Mainzer an diesem wunderschönen Fußballabend vorlegten, brachte unsere Mannschaft schon sehr früh sehr oft in Verlegenheit. Zwar konnten die Mainzer daraus vorerst kein Kapital schlagen, weil wir zu Anfang gar nicht so instabil in der Abwehr standen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Tor fallen würde.
Dass dies uns gelang war sehr überraschend, aber natürlich angenehm und mit der Hoffnung verbunden, dass das Tor Selbstbewusstsein und mehr Sicherheit im bis dahin nicht existenten Spielaufbau geben würde, aber das tat es nicht.
Im Gegenteil: Nur wenige Minuten später erzielten die Mainzer durch einen Tempogegenstoß den Ausgleich.
Überraschend war, obwohl ja außer der Egalisierung der überraschenden Führung nichts passiert war, dass die Mannschaft durch diesen Gegentreffer noch verunsicherter wurde und es keinen Rhythmus mehr gab. Der Ball wurde meist planlos weggeschlagen – und wenn er mal bei einem Mitspieler ankam, tat er das höchstens einmal. Die Notenskala reicht hier aus …
Es gab bis zur Halbzeit keine einzige Situation, wo der Ball über drei oder mehr Stationen in den eigenen Reihen blieb. Die Mainzer hatten nämlich im Gegensatz zu unseren Spielern Zugriff auf ihre Gegenspieler, was natürlich zu Fehlpässen führte.
Zum Glück war aber auch das Spiel der Mainzer nicht fehlerfrei, so dass wir unsererseits noch zu zwei sehr großen Konterchancen kamen, die wir allerdings nicht nutzen konnten. Insbesondere die von Volland war fast schon sinnbildlich vergeben, denn es war gut vorbereitet und auch gar nicht mal schlecht geschossen, aber es fehlte halt das Überraschungsmoment und der Ball landete da, wo der Torhüter die wenigsten Probleme mit dessen Abwehr hatte.
So war man zur Halbzeit unzufrieden zufrieden, denn man lag immerhin zum Spiel zuvor nicht zurück, obwohl man eigentlich die ganze Zeit seinen Gegenspielern hinterher rannte – und man hatte, obwohl diese mehr auf Fehler des Gegners als auf eigenes Können zurückzuführen waren, mehr Großchancen als in irgendeinem anderen Spiel bisher in der Saison.
Und vielleicht … schließlich wurde es gegen Bremen in der 2. Halbzeit auch besser. Das war auch diesmal der Fall. Endlich blieb der Ball mal über mehrere Stationen in unseren Reihen und man konnte etwas das Tempo herausnehmen. Ein Allegro („gehend, schreitend“) ist ja auch mal schön.
Natürlich sind ein Vivacissimo („sehr lebhaft, sehr lebendig“) oder ein Presto („sehr schnell, geschwind“) spektakulär, weil sie einen mitreißen. Aber wenn ein (Geigen- oder Fußball-)Spieler die hierfür nötige Technik nicht hat, ist es einfach nur ein Graus.
Von daher war es ganz okay, dass die Spielanlage eher an ein Larghetto („breit, langsam“) erinnerte, ein Andante („langsam, ruhig“), das aber jederzeit die Möglichkeit in sich barg dank der vertikalen Komponenente sogar zu einem Prestissimo („äußerst schnell“) zu werden. Einmal wurde sie auch wahr, aber auch diese Chance, wenngleich ungleich weniger aussichtsreich, vergab Volland.
Die Spielanteile begannen sich zu nivellieren, als Mainz durch einen Sonntagsschuss am Freitagabend wieder in Führung ging. Wieder ging es schnell bei den Gastgebern, wieder ging der Verteidiger nicht früh und nah genug ran: Rückstand.
Auch der letzte Treffer war auf einen Mangel an Körperkontakt bereits im Mittelfeld zurückzuführen. Wieder wurde schnell gespielt, wieder verloren daraufhin die Ordnung im Mittelfeld, wieder ein Abpraller, an den wir nicht rankamen, wieder Tor für den Gegner.
Im Anschluss zogen sich die Mainzer zurück und überließen uns das Spiel. Gisdol witterte da wohl noch eine Chance und brachte, Kuranyi und Uth für Schwegler und Kim, aber das brachte auch nur auf dem Papier mehr Stärke in die Offensiv, denn wenn schon mit wenig Mann wenig Ordnung im Spiel nach vorne war, war klar, dass sich das mit mehr Männern auf ähnlich wenig Platz nicht bessern würde.
Wir hatten in der Tat dann noch zwei, drei Chancen, was am Ergebnis zu drehen, aber es gelang nicht. Die Mainzer ließen nichts mehr anbrennen – ganz im Gegensatz zu den Fans („und denen, die es noch werden wollen“, wie der Mainzer Stadionsprecher die Idioten im Hoffenheimer Block sehr diplomatisch betitelte, die glaubten, nach dem 1:2 Pyros abfackeln zu müssen), die nach dem Spiel ihren Unmut gegenüber den Spielern bekundeten, die, wo sie schon keinen Spielrhythmus entwickeln konnten, so doch immerhin Takt bewiesen und sich der Kritik der Fans am Zaun stellten.
Das ist löblich, birgt aber Abnutzungsgefahren, denn Selbiges taten sie auch nach dem katastrophalen Kick im DFB-Pokal, wo sie dadurch trotz der Niederlage Situation und Gemüter befrieden konnten. Das war diesmal auch noch der Fall. Aber die Frage ist, wie oft das noch gelingt, bevor wir die erste Blockade des Mannschaftsbusses durch die Fans haben. Wäre ja an sich auch kein Problem, eher eine Art Fan-Normalität, aber die Frage ist, was das mit den ohnehin schon verunsicherten Spielern machen würde. Vielleicht aufwecken. 🙂
Aber das ist eigentlich nicht Aufgabe der Fans, und im Grunde nicht einmal die des Trainerstabs, sondern die Aufgabe der Spieler selbst. Die Trainer haben lediglich dafür zu sorgen, dass sie von der ersten notfalls bis zur letzten Minute wach bleiben und dass da richtig Musik im Spiel ist – mit der richtigen, sprich: harmonischen Mischung aus Tempi sowie horizontalen und vertikalen Komponenten.
Die Fragen der nächsten zwei Wochen wird sein:
Wird sich die Mannschaft demnächst von ihrer besseren Seite zeigen? Oder werden die Spiele wieder vergeigt? Dann dürften vielleicht nicht neue Seiten, auf jeden Fall aber neue Saiten aufgezogen werden.
Denn wenn wir nach dem Stuttgart-Spiel weiter nur ein Punkt haben, kriegt gewiss nicht der normale Fan Hemmo …, Hämmo…, Hämorrid … Pickel.
P.S.: Aber wir wollen nicht nur meckern … und auf die Überschrift zurückzukommen …
Hier ist er … der Schlüssel zum Erfolg
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