Image Image Image Image Image Image Image Image Image Image

Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

Scroll to top

Top

No Comments

VfB Stuttgart vs. 1899 Hoffenheim

Rock’n’Ball

oder: Aus einer anderen Zeit

Weder Casteels, Beck, Delpierre, Compper, Johnson, Williams, Rudy, Vukcevic, Roberto Firmino, Usami, Joselu, Volland, Salihovic und schon gar nicht Schröck, ja nicht einmal Babbel, Widmayer, Müller, nur Dietmar Hopp waren geboren, als der Rock’n’Roll aufkam. In den früher 1950er Jahren war das. Und das, was unsere Mannschaft im Spiel gegen den bis dahin Tabellenendenachbarn zu sehen war, war das (fast) auch: Da rollte der Ball. Das rockte.

Der Mensch an sich – eine selbstkritische Masse an funktionierenden und interagierenden Gehirnzellen vorausgesetzt – zweifelt. Wer bin ich? Was mache ich? Ist das gut? Ist das wirklich gut? Warum mache ich das? Wozu? Welche Sinnhaftigkeit steht hinter dem Verfassen von Bemerkungen zum Spiel? Stehen Aufwand und Entlohnung in einem an sich in welcher Form auch immer gearteten lohnenswerten Verhältnis zueinander? Wird das optisch und kognitiv von Mammalia ab dem Niveau eines sus scrofa domestica femina perzipiert. Anders gefragt:

Liest das eine Sau?

Klicks sind keine Views, Views sind keine Reads, Reads sind keine Aaaaahs. Aaaaber:

In einem Zusammenspiel von Euphorie und Eitelkeit ist man geneigt zu glauben, die Mannschaft kennt unsere Seite („klick“), nimmt unsere Anmerkungen zum Spiel zur Kenntnis („view“), setzt sich damit auseinander („read“) und: „Jaaaah!“

Was haben wir uns hier nicht echauffiert über mangelnde Passgenauigkeit, miserable Ballbeherrschung, hanebüchene An-, Ab- und Zuspiele, über Langeweile und Langsamkeit, über die Spieler im einzelnen, die alles waren außer dem, was man gemeinhin unter „einer Mannschaft“ versteht und insbesondere als Fan sehen will.

Was durften wir diesmal sehen? Fußball. Fußball, wie man ihn als Fan sehen will. Das war Hoffenheimer Traditionsfußball. Das war 1899 weit, weit weg von 2010 ff.

Selbst den Reportern der direkt übertragenden Fernsehanstalten fiel es schwer, ihr sonst gewohntes Hoffebashing anzustimmen, zu früh war die Mannschaft zu gut, zu cool, zu überlegen.

Natürlich: Hätte die Heimmannschaft ihre beiden Chancen in den ersten Minuten genutzt … wer weiß. Hätte Deutschland seine Chancen in den ersten Minuten im EM-Halbfinale gegen Italien genutzt, liefen heute bestimmt mehr Nivea For Men-Werbespots. Es ist also immer alles zu irgendwas gut …

Und während die meisten Menschen gegen 20 Uhr biorhythmisch abfallen, steigerte sich das Tempo unserer Mannschaft von Minute zu Minute. Wenig überraschend war es Usami, der eine besonders hohe Frequenz anschlug. Zu hoch für die Gastgeber, sein Schuss zu gut für den Torhüter, zu schön: unsere Führung bereits nach 5 Minuten beim irgendwie nicht nur wegen der Tabellensituation ungeliebten Nachbarn.

Aber – und das war das eigentlich Grandiose: Usami war an diesem Abend mal nicht zu schnell für das eigene Team. Auch die hier oft und jedes Mal völlig zurecht gescholtenen Rudy und Firmino zeigten, dass sie schnell und schön und auch passsicher Fußball spielen können. Sie hatten jederzeit mehrere Anspielmöglichkeiten, die sie auch nutzten. Gut, diese hatten sie auch in den Spielen davor, aber da beschränkten sie sich auf Compper, Delpierre und den jeweiligen Torwart. Diesmal … ging der Ball (der Bauch, treue Leser werden die Referenz verstehen) nach vorne. Folge: Rückkehr des Zaubers.

Nicht die ganze Zeit. Immer noch gab es Fehlpässe, die sich einem bei Chips und Weizenbier nicht erschlossen, aber zwei wunderbare Kontertore in der 2. Halbzeit, unter anderem, fast schon mit dem Wiederanpfiff, die Torpremiere von Joselu.

Oh, da kamen sie dann wieder, die Mikrofonoberlehrer der Nation, die von „Abseits“ zu berichten wussten, weil in ihrem nicht gerenderten Standbild sechs Pixel jenseits ihrer Einblendung etwas nicht ganz so war, wie sie glauben, dass es richtig, genannt regelkonform sei.

Irgendwie erinnern deren Regelauslegungen immer auch an Grammatikregeln in der Schule, die meist, aber bei weitem nicht immer stimmen, wie z. B. kein „would“ in einem if-Satz. Völliger Kokolores. Und wo wir gerade bei Schule sind: Irgendwie erinnert diese Einblenderitis auch stark an Dürrenmatts „Physiker“. Sinn und Moral? Was gemacht werden kann, wird gemacht werden. Und da die Technik nun mal solche Möglichkeiten heutzutage bietet, haben wir heute halt CSI Bundesliga.

Man muss dem Torwart des Gegners danken, dass er trotz mehrfachen Nachfragens dieser Basisfragenschleudern am Spielfeldrand aus dieser Momentaufnahme keinen Bohei machte. Das Leben ist kein Standbild. (Mal schauen, wann der Satz demnächst wo auftaucht. Darin sähen wir dann mehr als ein Indiz dafür, dass wir wahrgenommen werden. Ob auch „für voll“ … ist das wichtig?)

Wie gesagt, die 2. Halbzeit hatte gerade erst begonnen. Hoffenheim führte erstmals an dieser Stätte 2:0. Da kam natürlich Hoffnung auf. Aber trotz aller Endorphine, der Bauch blieb flau. Man kennt seine Hoffen- aka Pappenheimer. Und auch die Gastgeber haben ja gerade wenige Tage zuvor und das in der Ferne gezeigt, dass sie in der Lage sind, ein solches Ergebnis noch zu ihren Gunsten zu verändern.

Diesmal nicht.

Diesmal spielten sie uns, wie man so sagt, in die Karten, genauer gesagt, den Ball vor die Füße. Und diesmal wussten wir nicht nur, was damit zu tun ist, wir taten es auch – sofort, schnell, direkt, nach vorn.

Rock’nRoll wird auf Musik im 4/4-Takt getanzt, die typischerweise einen deutlichen Offbeat aufweist. Im Gegensatz zum Offbeat der Musik wird der Tanz auf den Schlägen 1 und 3 betont. Die Musik ist mit 46 bis 52 TPM sehr schnell.

Zu schnell für die Gastgeber. Bei unserem dritten Tor war das Spielerverhältnis erst 5 gegen 3 zuletzt 3 gegen einen – Offensive (wir) vs. Defensive. Der Torwart der Heimmannschaft konnte einem Leid tun:

Zwei Glanzparaden seinerseits reichten nicht gegen unsere, man muss sagen, auch wenn die Militarismen schon seit längerem nicht mehr usus sind in der deutschen Sportberichterstattung, wenn man mal den Kommentar beim Vielseitigkeitsreiten während der Olympischen Spiele ausnimmt, als der Moderator wenig moderat verkündete: „Seit 2008 wird zurückgeritten!“, Kanoniere.

Unsere Spieler schossen wirklich aus allen Lagen aka Körperhaltungen auf sein Rechteck, doch so sehr er sich auch wand und aufbäumte, beim dritten Versuch fiel er dann: der dritte Treffer.

Endlich gab auch der Bauch Ruhe. „Bringste mir auch eines mit?“ – und man genoss live rund eine halbe Stunde Auslaufen mit Ball.

Der 1. Sieg gegen diesen Gegner. Zwar noch keine wirkliche Fußballdominanz, doch eine zeitweise Fußballfulminanz, die Lust auf mehr machte.

Es kommt Bewegung ins Spiel. In weniger als zwei Wochen von Platz 18 auf nun zwei Punkte hinter dem Deutschen Meister. So kann’s weiter gehen …

… und schon Samstag tut’s das auch!

Submit a Comment