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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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Eintracht Frankfurt vs. 1899 Hoffenheim

Jugend und Tugend

Kant kickt

Weihnachtszeit = Wunschlistenzeit. Es werden Wunschlisten geschrieben, die meist Einkaufszetteln ähneln.

Und auch unter den Hoffenheim-Fans war in den letzten Wochen verstärkt der Ruf nach Verstärkungen, sprich: Einkäufen die Rede – auf der Torwartposition, für die Verteidigung, das Mittelfeld. Naja, und wenn man schon dabei ist, man kennt das ja von den eigenen Shopping-Touren, wo man sich Sachen kauft, die man eigentlich schon besitzt und große Freude dran hat, z.B. Uhren bei Männern, Schuhe bei Frauen, greift man auch schon mal zu, wenn es nach Schnäppchen aussieht, also hätte man von der Seite gewiss auch nichts gegen noch einen Stürmer gehabt.

Aber dann plötzlich kommt die Erkenntnis, die sich mit Ergebnissen der Glücksforschung deckt, wonach es mehr Genugtuung und Freude bringt, Dinge mehr für Erlebnisse denn Waren auszugeben, dass die schönsten Geschenke bei aller möglichen Inperfektion doch selbst gemacht sind.

Und das war dieser 2:1-Sieg in Mainhattan. Ein Geschenk, das man sich selbst machte. Ein Geschenk, das nicht perfekt war. Aber interessiert das wen? Plötzlich war all das, was zuvor so kritisiert wurde, und das man nach diesem Spiel bei einem anderen Ergebnis wohl auch nicht zu Unrecht kritisiert hätte, schlicht egal.

In der ersten Halbzeit taten wir so gut wie nichts. Die Gastgeber gar nichts. Ja, es gab hüben wir drüben Ansätze von Chancen, aber die wurden pariert oder vergeben. Und aus unserer Sicht war das auch völlig okay.

Die Stimmung war zumindest unter denen, die auf Seiten der Hoffenheimer standen, man muss sagen: trotz der gezeigten Leistung der Mannschaft in der ersten Halbzeit gut. Wahrscheinlich weil man einfach immer noch froh und erfreut war ob der gezeigten Leistungder gleichen Elf vom Dienstag dieser Woche im DFB-Pokal, wo man beim blauen Champions League-Teilnehmer verdient und überraschend cool den Einzug in die nächste Runde geschafft hat – und das mit einer, sofern wir so etwas überhaupt haben, B-Elf.

Toljan für Salihovic, Vestergaard für Abraham und Grahl für Casteels, zudem wie bereits im Ligaspiel in der Vorwoche Schipplock von Anfang an für Modeste.

Nominell schon schwächer – und auch entgegen aller Erwartungen, ist doch die Defensive der am häufigsten kritisierte Mannschaftsteil – und gerade dort nahm der Trainer drei Änderungen vor – und immer anders, als es für gewöhnlich gehandhabt wird, nämlich nicht zugunsten der Erfahrung, sondern der Jugend – und jeder der Herren überzeugte.

So war es natürlich klug und richtig vom Trainer, dieses Momentum auszunutzen und genau dieselbe Startelf dieses Spiel beginnen zu lassen.

Doch die Gastgeber spielten nicht wie die Gastgeber unter der Woche. Jene rannten an, sich fest und konnten so dank eines hervorragenden Lauf- und Passspiels ausgekontert werden, was zu drei schnellen Toren in der ersten Halbzeit führte.

1:0, 2:0, 4:2, wir haben in der Saison schon einiges an Führung verspielt, aber einen Drei-Tore-Vorsprung noch nicht. Das aber hinderte einige der mitgereisten Senioren nicht, ihren defätistischen und jedwede Freude im Keim zu ersticken drohenden Dreck loszuwerden („klappt troddsdeem nedd“). Nun denn, sollen sie doch ersticken an ihren Verbalexkrementen, ist man geneigt zu denken, andererseits scheint es sich bei dieser Unfähigkeit zur Freude um eine Art Mecker-Tourette zu handeln, was wiederum eine Krankheit ist und somit Mitgefühl braucht.

Das hatten die mitgereisten Fans diesmal. Man schien sich innerhalb dieser Gruppe diesmal im klaren, dass das, was man unter der Woche erleben durfte, etwas Besonderes war und nicht das neue Minimum.

Außerdem agierte dieser Gegner anders, verhaltener, so dass das Auskontern so einfach nicht war. Aber allein die Vorsicht der Gastgeber war eine Verbeugung vor der Leistung der ihnen nun gegenüberstehenden Mannschaft. Man wollte ihnen aka uns auf gar keinen Fall ins Messer laufen. Und da wir auch keinen Grund sahen, von Anfang an auf Teufel komm raus auf Sieg zu spielen, ging es für unsere in dieser Spielzeit gezeigten Spielweise atypisch unspektakulär mit 0:0 in die Pause.

Aber ganz anders weiter: Vom Anstoß weg ließ die Mannschaft den Ball und Gegner laufen und erstmalig in diesem Spiel hatte ein Pass dann auch die Präzision aus dem Pokalspiel. Firmino spielte den Ball im entscheidenden Moment durch die Abwehr in den Lauf von Schipplock, der sich im Laufduell gegen die halbe Abwehr der Gastgeber durchsetzte, den Überblick bewahrte, nicht die Nerven und erst nach dem Abschluss den Schuh verlor.

1:0 – das ging ja gut los, wenngleich nicht so gut weiter. Denn wie in anderen Spielen zuvor zeigte sich, dass es kaum einen verletztlicheren Punkt in unserem Spiel gibt als der Moment nach einem selbst erzielten Treffer.

So genügte dem Gegner auch nach Wiederanstoß der erste Angriff über die rechte Seite, ein wirklich schön gespielter Pass auf die Grundlinie, von wo ihn ein Spieler nach innen passen und unsere Leihe an die Gastgeber zum Ausgleich für die Gastgeber einnetzen konnte.

Da machte die Abwehr wieder einmal keine wirklich gute Figur, zumal dieser Ausgleich dem ersten der Vorwoche nicht unähnlich war. Doch bevor man hier in das übliche Kraichgau-Lamento verfallen konnte, erzielte im Grunde im Gegenzug Firmino die erneute Führung für uns. Und a propos Ähnlichkeit: Dieses Tor wirkte fast wie eine Blaupause seines Treffers im Pokalspiel. Der Ball wanderte schön von Spieler zu Spieler, bis er letztlich beim bestplatzierten landete.

Ja, der Pass, der das Tor einleitete, sah live sehr abseitsverdächtig aus, aber der Linienrichter zeigte das ebenso wenig an, wie sein Quergegenüber das Toraus beim Pass vor dem Ausgleich. Ausgeglichene Ungerechtigkeit, wenn man so will.

Im nächsten Gegenzug fiel dann wieder ein Tor gegen uns. Wirkte die erste Halbzeit aufgrund des von beiden Seiten eher unkontrollierten Spielaufbaus wie Fußballtennis ohne Netz, hatte das jetzt was von Fußballtischtennis. Schmetterball auf Schmetterball, doch dieser wurde abgeschmettert. Vor lauter sich frenetisch freuenden Fans der Heimmannschaft erkannte man nicht, dass der Linienrichter auf Abseits erkannt hatte.

Mit diesem Nichttor kehrte dann aber endlich wieder Ruhe und Ordnung in unser Spiel. Nun hatte man den Gegner in der Position, in der wir am stärksten sind. Er musste kommen und wurde dadurch anfälliger für Konter, die wir auch ein ums andere Mal setzen konnten, aber alle allesamt versemmelten.

Das war schon latent kläglich, aber nicht wirklich ärgerlich, denn wie bereits am Dienstag gelang es der Mannschaft den Ball in den letzten Minuten der regulären sowie in der Nachspielzeit weit weg von jedwedem Tor zu halten, so dass die letzten Minuten in ein Einwurf-Eckball-Stakkato verronnen.

Jubel.
Kurz vor halbsechs stand dann der langersehnte und hochverdiente Sieg fest.

Trubel.
Nach Schlusspfiff gab es in der Hoffenheimer Fankurve dann doch Bewegung von diversen Einsatzkräften.

Heiterkeit.
In den Kommentaren herrscht plötzlich so etwas wie Euphorie. Bei nur noch zwei ausstehenden Spielen fehlen nur noch drei Punkte um, wenn 50% der Spielzeit gespielt sind, 50% der Punkte zu haben, die den Verbleib im deutschen Fußball-Oberhaus garantieren.

Alles Armageddoneske ist aus den Foren verschwunden. Dabei verwundert der plötzliche Positivismus ebenso wie der nörglerische Negativismus in den Wochen zuvor.

Und dabei hat die Mannschaft nichts weiter getan, als das, was sie in den Wochen zuvor auch getan hat – und selbiges gilt für das Team ums Team. Sie hielten an ihrer Marschrichtung fest, sie glaubten an sich und ihr Konzept, sie verfielen nicht in Panik, wozu es bei Lichte betrachtet ja auch wirklich keinen faktischen Grund gab.

Sie demonstrierten das, was man auch „deutsche Tugend“ nennt, allerdings nicht im Fußball. Hier steht der Begriff mehr für „Tapferkeit“, „Glaube“, „Hoffnung“ (immerhin drei der sieben Kardinalstugenden (plus „Weisheit“, „Gerechtigkeit“, „Mäßigung“, „Liebe“).

––– Einschub –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Und falls sich hier schon jemand als sehr tugendhaft wähnt, dem seinen der Vollständigkeit halber hier auch die sieben Todsünden genannt, wobei nicht die Sache an sich eine Todsünde darstellt, sondern sie es nur dann ist, wenn sie mit vollem Bewusstsein aus freiem Willen begangen werden:

Superbia ->Hochmut, Eitelkeit, Stolz, Übermut
Avaritia ->Geiz, Habgier
Luxuria -> Wollust, Ausschweifung, Genusssucht, Begehren
Ira -> Zorn, Wut, Rachsucht
Gula -> Völlerei, Gefräßigkeit, Maßlosigkeit, Selbstsucht
Invidia -> Neid, Eifersucht, Missgunst
Acedia -> Faulheit, Feigheit, Ignoranz, Trägheit des Herzens
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Einschubende –––

In der Philosophie lehnt sich der Begriff „deutsche Tugend“, der bitte nicht zu verwechseln ist mit „preußischen Tugenden“ wie Pünktlichkeit, Disziplin, „Kadavergehorsam“, an die Aussage Immanuel Kants, für den es nämlich nur eine Tugend gibt:

„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.“

Das klingt ein wenig nach dem deutschen Sprichwort, wonach „der Wille“ zählt, was aber falsch ist, denn dann wäre ja auch der „freie Wille“ in Ordnung. Aber es muss ein „guter Wille“ genauer gesagt: ein „allein guter Wille“ sein, wobei hier „allein“ auch im Sinne von „absolut rein“ zu verstehen ist.

Denn, so führt Immanuel Kant in seiner „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ weiter aus:

„Verstand, Witz, Urteilskraft, und wie die Talente des Geistes sonst heißen mögen, oder Mut, Entschlossenheit, Beharrlichkeit im Vorsatze, als Eigenschaften des Temperaments, sind ohne Zweifel in mancher Absicht gut und wünschenswert; aber sie können auch äußerst böse und schädlich werden, wenn der Wille, der von diesen Naturgaben Gebrauch machen soll und dessen eigentümliche Beschaffenheit darum Charakter heißt, nicht gut ist.“

Also sollte vielleicht mal der ein oder andere in sich gehen, und sich selbst das größte Geschenk zu Weihnachten machen und sich nach dem Warum und der Güte seines Handelns befragen.

Und wer dabei zu einem positiven Ergebnis kommt, sollte unbedingt damit weitermachen …

🙂

(Bildquelle: Uwe Grün, Kraichgaufoto)

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