Image Image Image Image Image Image Image Image Image Image

Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

Scroll to top

Top

No Comments

1899 Hoffenheim vs. VfB Stuttgart

non claritas non veritas

oder: Warum nicht nur Wissenschaft Wissen schafft …

Es ist die Reflektionskompetenz, die einen Akademiker auszeichnet. Das für andere nachvollziehbare Herleiten und Schlussfolgern. Das rationale Begründen des Wies und Warums. Auf der Suche nach Wahrheit. In dem Bemühen um Klarheit. Aber wer will das wissen? Was bringt’s? cui bono?

Oftmals nutzt der Akademiker dabei auch Prämissen. Mit ihnen kann er zwar eine Theorie aufstellen und gegebenenfalls wird diese Theorie sogar eines Tages in der Praxis als wahr nachgewiesen, aber was ändert sich dadurch?

Stein und Feder fallen unterschiedlich schnell auf die Erde. Das sieht ein jeder. Das weiß ein jeder. Und je nach Gewicht fallen die Gegenstände in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Und trotzdem ist das Gewicht nicht die bestimmende Größe der Geschwindigkeit. Es ist das Drumherum, die Luft, ihre Masse und ihre Geschwindigkeit. Denn nimmt man sie weg, so die Prämisse von Galileo Galilei, müssten Stein und Feder unabhängig von ihrem Gewicht gleich schnell zu Boden fallen.

Damit hatte er sogar Recht, wie nach der Erfindung der Vakuumpumpe von Robert Boyle anschaulich demonstriert werden konnte. Und mit dem Gravitationsgesetz von Sir Isaac Newton konnte sogar erklärt werden, warum dem so ist. Aber ist das nun wahr?

In der Wirklichkeit, in der Welt als Ganzes, nicht im Labor, ohne Vakuumpumpe, hat sich durch diese Erkenntnis nichts verändert: Stein und Feder fallen unterschiedlich schnell auf die Erde.
Dient die Wahrheit wirklich der Klarheit?

Letztere fehlte der Abwehr, sagte Marco Kurz auf der Pressekonferenz nach der 0:1-Niederlage gegen den auch Tabellennachbarn aus dem Schwabenland. Das hat sogar zu der Nachfrage geführt, was genau er damit meine, aber leicht fiel ihm die Erklärung nicht.

Er verwies auf Absprachen, Zuordnungen, die auf Basis von Erkenntnissen, die aus bekannten Quellen, z. B. Videoaufzeichnungen, gewonnen, jedoch nicht eingehalten wurden.

Die Klarheit also herrschte in der Kabine.
Die Wahrheit lag auf dem Platz.

Es ist ein Phänomen, das jeden Trainer unserer TSG nach vier, fünf Spielen zu ereilen scheint: Die Diskrepanz zwischen Klarheit und Wahrheit nimmt von Spiel zu Spiel zu.

Niedergeschlagen nach der Niederlage sitzen sie dann in der Pressekonferenz und versuchen das Scheitern des Experiments zu erklären. Dies aber immer unter der Prämisse der Richtigkeit der eigenen Versuchsanordnung.

Dabei hätte der Trainer doch bis auf den gelb-gesperrten Firmino alles so lassen können, wie in der Vorwoche. Die Änderung des Systems war dabei gewiss theoretisch begründ-, aber umsetzbar war sie nicht. Wer beklagt, dass stets vier Spieler im Angriff auf einer Linie stehen, so dass kein Rück- und Passspiel in die Tiefe möglich ist, muss sich halt auch fragen, ob die Spieler, die er aufstellte, die Spieler für dieses Halbfeld sind oder ob es nicht einfach zu viele Spieler waren, die sich ihrem Naturell entsprechend mehr an der gegnerischen Abwehr und der durch sie existierenden Abseits- als an der Mittellinie orientieren.

De Camargo, Volland, Joselu, Usami … das klingt schon sehr offensiv. Aber es war nicht konstruktiv, weil nicht kreativ. Lag es doch am Fehlen von Firmino? Auch er ist nicht gerade ein Garant für ein sicheres und gelungenes Kombinationsspiel in die Spitze, aber er ist nicht nur für so manchen Fehlpass gut, für den ihn die lokale Kardiologen-Vereinigung Provisionen zahlen müsste, sondern auch für ein im positiven Sinne überraschendes Moment.

Das fehlte an diesem Sonntagabend völlig. Stattdessen stritten sich in Abwesenheit von Firmino Polanski, Johnson, Joselu um die Provision der Kardiologen. Und als dann Weis kam, wollte er offensichtlich auch noch was abhaben.

Aber da war das Spiel längst gelaufen. Bereits nach weniger als drei Minuten fiel das spielentscheidende Tor. In und aus einer Situation, in der wir klar den Ball hatten. Doch statt eines Spielauf- gab es Spielabbau: Rückpass, Querpass, Querpass, Querpass in der Abwehr. Die gegnerischen Angreifer trabten auf unsere Innenverteidigung zu, sie wich und spielte dann den Ball noch weiter zurück zu Gomes, der den Ball dann nur noch nach vorne dreschen konnte, von wo er postwendend zurückkam. Außen wurde dann unser Verteidiger überlaufen und der Gegner kam in den Strafraum, flankte ungehindert über die Abwehr, wo sich zwei weitere Angreifer ungehindert absprechen konnten, wer den Ball in das mehr oder weniger leere Tor befördern soll. Sie einigten sich und Sekunden später vereinigte sich die gesamte gegnerische Mannschaft zum Jubel in unserem Fünfmeterraum.

Wieder ein sehr frühes Gegentor und wieder gelang es uns in den über 80 Minuten, die noch verblieben, nicht, diesen Treffer zu egalisieren, geschweige denn das Spiel zu drehen.

Klar, hier im Sinne von nachvollziehbar, dass der frühe Gegentreffer die Mannschaft aus dem Konzept brachte.

Hell’s Bells, they’re takin‘ you down
Hell’s Bells, they’re draggin‘ you around

In diesem Sinne aber unklar, warum sie es nicht wieder erlangte. Schließlich war noch viel Zeit, der Gegner selbst schwach und auch nicht gerade vor Selbstbewusstsein strotzend. Zudem hatte er noch Donnerstagabend kicken müssen und tat dies ohne großen Erfolg.

Aber so ist das mit den Prämissen. In der Theorie, im Labor, auf dem Reißbrett, der Taktiktafel funktionieren sie. Da ist immer alles klar. In der Praxis, auf dem Platz, gibt es noch andere, nicht selten unberechenbare Faktoren, wie Wind respektive Gegner. Und Motivation.

Ob es aber an der Einstellung lag oder der Aufstellung, das zu reüssieren ist müßig. Manchmal reicht es einfach nur, die Fakten zu determinieren. Und das ist in dem Falle sehr einfach: Das Spiel war scheiße.

Zehn Punkte Rückstand bei zwölf ausbleibenden Spielen auf Platz 15. Ein Punkt vor Platz 17. Nächste Woche könnten es vier werden.

Dazu ist es aber nötig, dass die Heimmannschaft das tut, was jener zuvor erwähnte Galileo Galilei über unseren Heimatplaneten feststellte:

Sinnend die Blicke zum Himmel erhoben,
Forscht Galilei dem Sternenlauf nach,
Strebt zu entziffern die Räthsel da droben;
Und in dem grübelnden Geiste wird’s Tag.

Ob auch die Satzung spricht:
„Erde, du regst dich nicht!“ –

Lauter und stärker in deutlicher Klarheit,
Mit unumstößlicher, ewiger Wahrheit

Ruft es der Himmel noch:
„Ja, sie bewegt sich doch!“
Quelle

Diese Erkenntnis dauerte aber ihre Zeit, bis sie in den Köpfen der Verantwortlichen war. 1632 publizierte er seine Entdeckungen – unter Papst Urban VIII. Es brachte ihm viel Ärger ein. Er musste sich dafür vor der Inquisition verantworten. Erst 360 Jahre später – unter Papst Johannes Paul II. – wurde er rehabilitiert.

Diese Zeit hat die Mannschaft nicht.

Das ist klar. Und wahr.

Submit a Comment