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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. Eintracht Frankfurt

Startverzögerung

Über Nato, NASA und die Notwendigkeit von Socken

Alle Fans der TSG hofften, dass die Mannschaft in ihrer ersten Heimpartie unter dem neuen Trainer neu durchstartet. Es hat nicht geklappt. Und auch sonst wenig …

Das zur Zeit wohl am häufigsten benutzte Attribut zur Beschreibung der Leistung unserer Mannschaft ist katastrophal. Das ist mit den üblichen Einschränkungen, u. a. dass es hier sich nur um Fußball handelt, sicherlich etwas drastisch, aber halt auch nicht völlig von der Hand zu weisen.

  • tiefster Tabellenkeller
  • nur ein Sieg in einem Dutzend Spiele in der Saison
  • darunter noch kein Heimsieg
  • bereits über 300 Minuten ohne Torerfolg.

Und dabei startete man doch mit ganz anderen Zielen in diese achte Spielzeit im Oberhaus, doch irgendwie will bzw. wollte die TSG mit ihrem erhofften Raketenfußball noch nicht so richtig zünden, aber zum Glück ist die TSG 1899 Hoffenheim kein „Nato“-Verein. Damit soll nicht auf die fehlende Verteidigungsfähigkeit unserer Mannschaft angespielt werden, sondern auf die eher humoreske Auflösung der Abkürzung, wonach die vier Buchstaben für „No action, talk only“ stehen.

Denn was immer man der TSG nachsagen will, entscheidungsfaul ist sie nicht – und dabei dann auch nicht zimperlich. Vor zwei Wochen wurden zwei große Veränderungen vorgenommen. Für den Geschäftsführer und die Trainer hieß es – zumindest bei der TSG – „EdeKa“ („Ende der Karriere“). Also ist hier wohl eher angebracht, von wenig Talk und maximal Action zu sprechen.

Das gilt allerdings noch nicht für die Mannschaft. Doch trotz des Wechsels scheint ein Ende der Misere nicht in Sicht. Auch gegen die Eintracht erzielten wir kein Tor, wieder fehlten uns überraschende Momente nach vorn, immer noch eiert unsere Mannschaft ziemlich plan- und hilflos durch den Raum. Das sieht alles andere als gut aus – und nicht wenige Menschen geben, liest man die Kommentare in den diversesten Foren und Kanälen, die Saison für die TSG bereits verloren. Aber was ist schon von einem Schwarzseher zu halten, der sagt: „Ich weiß.“?

Die Leute wissen gar nichts. Sie haben Angst – oder sind schadenfroh – und lassen sich im virtuellen Raum darüber aus. Das ist in Ordnung, das dürfen sie, nur ist es der Sache nicht dienlich, weshalb es umso wichtiger ist, dass die Entscheider kühlen Kopf bewahren und das Beste aus der Situation machen.

Die Situation der TSG Mitte der Hinrunde der Saison 2015/16 ist nämlich durchaus vergleichbar mit der Situation der NASA am 13. April 1970.

Mit den Worten: „Houston, we’ve got a problem,“ (NICHT: „Houston, we have a problem!“) gelang der Besatzung der Apollo 13 wohl die größte Untertreibung vielleicht nicht gerade der Menschheits-, aber zumindest der Raumfahrtgeschichte.

Kurz zuvor war einer der Sauerstofftank 2 der Kommandokapsel explodiert. Das führte zur Beschädigung des daneben befindlichen Tanks 1. Die Folge davon war das absehbare Ende der drei Brennstoffzellen, die Strom und Wasser erzeugten, da diese mit Sauerstoff aus den beiden Tanks gespeist wurden. Und trotz dieser aussichtslosen Situation war jedem klar, dass die Mission nicht erfüllt werden kann – vorgesehen war die Landung im Fro-Mauro-Hochland zur Platzierung des ALSEP (Apollo Lunar Surface Experiments Packages) für geologische Forschungszwecke – aber die Menschen gerettet werden müssen. Diese Er- bzw. dieses selbstverständliche Bekenntnis führte zu einem weiteren geflügelten Wort, das Gene Kanz, der Flugdirektor der Mission zu den Bodentruppen in Houston sagte:

„Scheitern ist keine Option!“

Das ist leicht gesagt, aber nur schwerlich umzusetzen, Tausende von Kilometer entfernt, ohne dass man direkten Einfluss auf das hat, was da wirklich passiert – und einem die wichtigsten Ressourcen ausgehen. Die NASA wird gottfroh gewesen sein, dass es damals noch kein Internet gab und das Mediennutzungsverhalten ein anderes war. Vielleicht gab es auch einfach noch mehr Respekt für und Vertrauen in die Menschen, die die Verantwortung trugen und auch die Möglichkeit hatten, dieses Katastrophe noch zu einem glimpflichen Ende zu führen.

Und man kann sagen, das Ende von Apollo 13 war mehr als glimpflich. OK, die ganze Aktion brachte nichts außer horrende Kosten, und die Rettungskapsel landete viele tausend Meilen entfernt vom ursprünglich geplanten Ziel. Aber letztlich ging es darum, dass die Astronauten überlebten – und das taten sie dank zweier Faktoren, auf die heute leider kaum wer mehr setzt: Kreativität und Vertrauen.

Kreativität braucht immer Inspiration, aber das hat nichts mit Kunst oder küssenden Musen zu tun. (Aber auch nichts mit umgedrehten Blumentöpfen als Lampenschirme.) Kreativität ist die Fähigkeit, unter Druck funktionierende Lösungen zu entwickeln. Menschen, die sich nur an Vorschriften halten können oder Wert auf Einhaltungen gewisser (Hack-)Ordnungen legen, sind in solchen Situationen tödlich.

Die Lösung ist bekannt: Die Mannschaft nahm durch Zündung einer Landerakete eine Kurskorrektur vor, tauchte dabei längere Zeit in den Mondschatten ein, so dass niemand wusste, wo sie ist und ob das geklappt hat, schaltete dann fast alle Energie ab und verließ sich zum Großteil der Rückreise auf die Anziehungskraft der Erde, schaltete erst kurz vor dem kritischsten Zeitpunkt, dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre) ihre Aggregate wieder an und last but not least baute die Crew mit Hilfe der Bodenstation aus an Bord befindlichen Plastiktüten, Panzerband und einer alten Socke einen Adapter für das Luftreinigungssystem, um den lebenswichtigen Sauerstoffvorrat für sich selbst zu gewährleisten.

Und wie bei Apollo 13 hat sich auch der TSG schon zu Beginn der Mission abgezeichnet, dass es größere Probleme geben würde, denn bereits beim Start gab es erhebliche Probleme.

1970 waren es starke Vibrationen, die dafür sorgten, dass sich das mittlere Triebwerk der zweiten Stufe über zwei Minuten zu früh abschaltete, was durch gewisse Automatismen so gut geregelt werden konnte, dass es nur minimale Abweichungen von der geplanten Route gab.

In der Saison 2015/16 war es das miserable Saisoneröffnungsspiel, das vergeigte Spiel in der 1. Runde des DFB-Pokals, die einem sehr früh das Gefühl gaben, dass da was im Argen lag. Allerdings konnte dieser Eindruck durch zwei unglücklich verlorene Spiele gegen Bayer Leverkusen und Bayern München kompensiert werden.

Nach und nach zeigte sich aber, dass Unheil droht, was dann nach dem Spiel gegen den HSV zur unweigerlichen und unvermeidlichen Explosion und damit Trainerwechsel führte, der von außen betrachtet allerdings auch noch nicht zu einer allzu deutlichen Verbesserung der Gesamtsituation beitrug.

Aber wie bei Apollo 13 muss man sich jetzt fragen, was man denn will? Sollte Europa jemals das Ziel der Mission gewesen sein, ist das wohl, wenn alles normal läuft, definitiv nicht mehr zu erreichen, obwohl Borussia Dortmund letzte Saison zeigte, dass man das auch noch nach Platz 18 erreichen kann, wobei dabei auch sehr viel zusammenkam.

Nein, gewiss ist das jetzige Ziel, wieder Kontrolle in den instabilen Körper zu bringen und die TSG im Mai 2016 sicher in der 1. Liga landen zu lassen.

Natürlich wäre dafür der erste Heimsieg der Saison sehr hilfreich gewesen und gewiss war das Spiel jetzt keine Offenbarung, auch war keine wirklich drastische Verbesserung im Zusammenspiel der Komponenten zu sehen, aber wer so denkt, vergisst etwas ganz Wesentliches, weshalb die Apollo-Analogie ja so gut zur Beschreibung der TSG in ihrem jetzigem Zustand passt: Stevens kann nur versuchen, die TSG wieder stabil auf Kurs zu bringen, mit dem, was da ist – und sei es eine alte Socke.

Viele hat die Startaufstellung Kuranyis überrascht, manche seine Leistung verärgert, dabei war er es, der in der ersten Halbzeit gut und gerne fünf gute Chancen hatte, endlich sein erstes Tor für die TSG zu markieren.

Zudem war er ein recht guter Ballverteiler, sofern sich ihm eine Anspielstation bot, was aber auch nicht so oft der Fall war. Im Gegensatz zu früher „haurückte“ die Mannschaft nicht nach, sondern bewahrte immer ihre Defensivposition, was das Spiel nach vorne allgemein träge machte, aber dafür die Sicherheit bot, im Falle eines Ballverlustes während eines Konters bessere Chancen zu haben, kein Gegentor zu bekommen – und damit kommen wir mal zu den positiven Nachrichten:

  • 2 Spiele unter dem neuen Trainer
  • keine Niederlage
  • insgesamt rund 200 Minuten ohne Gegentor
  • wesentlich weniger, weil auch spätere Ballverluste
  • Abstand auf die vor uns platzierte Mannschaft verkürzt.

Bestand der Spielaufbau früher meist aus der Variante Baumann – Süle – Baumann – Vorsah-Gedächtnispass – Ballverlust hat sich das unter Stevens bereits verändert in ein Baumann – Süle – Schwegler – Süle – Baumann – Schwegler – Rudy – Schwegler – Rudy – Schwegler – Rudy – Süle, mit dann zwei Varianten a) Vorsah-Gedächtnispass, b) Baumann – und das Ganze wieder von vorn.

Das sah nicht wirklich spektakulär aus, aber es gab immerhin zumindest psychisch etwas Sicherheit, weil wir so den Ball kontrollierten, was ja an sich wenig bringt, aber, noch wichtiger, nicht schadet.

So hatten wir in dem Spiel gegen die Eintracht auch in den ersten beiden Minuten 100% Ballbesitz und zwei Freistöße, wobei der zweite, der auch bereits nach einer einstudierten Variante aussah, auch durchaus durch Kuranyi zum Tor hätte führen können. War aber nicht, dafür aber auch nicht der Gegenzug der Eintracht dank der ersten von vielen starken Szenen unserer Nr. 1 Oliver Baumann, der ein ganz hervorragendes Spiel machte und bestimmt ein gutes Dutzend bester Chancen der Frankfurter zunichte machte.

In der ersten Halbzeit hielten wir auch noch ganz gut dagegen, was man über unsere Elf in der zweiten Halbzeit nicht sagen konnte. Dabei drehten auch die Frankfurter nicht wirklich auf, nur schienen unsere Mann platt zu sein, was zum gleichen Ergebnis führte: Der Führungstreffer der Eintracht lag in der Luft – und doch hatten wir in der Phase unsere beste Chance nach einem beherzten Angriff von Kim, an dessen Ende dann der Ball bei Volland landete, der diesen dann ganz knapp am Pfosten vorbei ans Außennetz setzte.

Das war auch der Abschnitt im Spiel, wo dann auch der gar nicht mal so schlechte Gesamteindruck aus der ersten Halbzeit kippte, weil von unserer Elf einfach gar nichts nach vorne ging. Sinnbild hierfür war die Passstaffette Schwegler – Rudy, die sich zwischenzeitlich den Ball völlig ungestört gefühlt 200 mal hin und her spielten, ohne auch nur einen Meter Raum zu gewinnen.

Spätestens dann platzte wohl Stevens der Kragen und er wechselte Polanski für Rückpass-Rudy ein. Leider ersetzte er ihn fast 1:1. Erst als dann Amiri seine Chance bekam, wurde es etwas lebhafter, wenn auch nicht mehr wirklich zwingend, während die Gäste weiterhin das Unmögliche versuchten: Baumann zu überwinden.

Er sollte und wird seinen Platz bei Stevens weiterhin sicher haben. Bei allen anderen ist er wohl sich selbst noch nicht so sicher. Diesmal standen Uth, Zuber und Kaderabek nicht einmal auf dem Spielberichtsbogen, für Letzteren Strobl diesmal rechts in der Verteidigung.

Ansonsten scheint er zumindest noch auf die Spieler mit der größten Erfahrung zu setzen, was eine Erklärung für die Aufstellung Kuranyis, Vollands und Vargas’ ist. Allerdings wurde dabei die Anbindung an das Mittelfeld vergessen: Schwegler stand immer sehr weit hinten, Rudy/Polanski stets mit dem Rücken zum gegnerischen Tor und Schmid versuchte zu wuseln.

Beim nächsten Spiel in zwei Wochen in Berlin werden wir ganz sicher wieder eine neue Startelf haben. Stevens wird gar keine andere Wahl bleiben als so zu agieren wie Gene Kanz, dem Chef der Bodentruppe in Houston, der ja im Hinblick auf eine Lösung sagte: „Mich interessiert nicht, wofür etwas gedacht ist. Ich will wissen, was es bringt.“

Natürlich verlässt man sich dabei zuerst einmal auf die Elemente, die sich bereits früher bewährt haben, und ändert dann die diversen Zusammenstellungen, bis man endlich die Lösung gefunden hat, die das gewünschte Ergebnis bringt. Da ist seine Kreativität gefragt – und von den Fans Vertrauen.

Dazu muss Stevens auch das tun, was Kanz tat, sich auf Eingebungen, Berechnungen, Planungen, Simulationen, Experimente, Schlussfolgerungen, Änderungen und Ausführungen und Auswertungen vertrauen, während das Objekt der Begierde sich weiterhin im freien Fall bewegt.

Aber die ersten prinzipiellen Punkte scheinen ja schon einmal zu funktionieren, so dass man durchaus auch zuversichtlich sein kann, dass Stevens mit den An-Bord-Mitteln eine Lösung findet, mit denen wir dann auch wieder durchstarten können, z. B. junge Socken.

Und die TSG braucht wahrlich einen Relaunch, denn so schön es ist, dass wir kein „Nato“-Verein sind, als „NASA“-Verein wird man die Klasse auch nicht halten können. („Neue Abwehr. Schwächelnder Angriff.“)

Nächste Chance – 22.11.15, 15.30 Uhr in Berlin. Der Countdown läuft …

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