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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. 1 FC Kaiserslautern

 

Regen bringt Segen

oder: Im Lot ist nicht alles. Wie bei Lot vieles.

Anders als landauf landab einem Akademiker unterstellt wird, ist uns Überschwang nicht fremd. Überheblichkeit schon.

So waren (nicht nur) wir sehr glücklich über den gestrigen Sieg, wissen aber sehr wohl, dass wir außer diesem Spiel noch gar nichts gewonnen haben. Und dank unseres immanenten Faktenfetischs wissen wir auch, dass das Beste am Spiel das Ergebnis war.

Dieser Faktenfetisch ist aber auch die Grundlage unseres Humors, was sich am besten in einem Sprichwort aus jenem Land zeigt, welches für seinen Witz berühmt und bei nicht wenigen aufgrund seiner Schärfe, die ja aus nichts anderem als aus der Gegenüberstellungen von Fakten beruht, berüchtigt ist und als Mutterland des Fußballs gilt, und welches ganz hervorragend zum aktuell noch größeren Thema passt:

Every cloud has a silver lining.

Während der Deutsche sich latent eher darüber aufregt, dass er seinen klassischen Jahreszeithobbies nicht nachgehen kann (Frühjahrsputz, Winter- auf Sommerreifenwechsel), könnte er sich ja auch darüber freuen, dass ihn dieses Jahr keine, sogenannte „Frühjahrsmüdigkeit“ überkommt, denn: wo kein Frühjahr, … is’ klar, ne?

Selbstredend lässt sich das nicht 1:1 auf unsere Situation übertragen, denn jeder Hoffenheim-Fan ist froh, dass man es „irgendwie“ mit viel, viel Dusel in die Relegation geschafft hat.

Dennoch: Sobald man sich eine Weile der Freude hingegeben hat, kommt der Blick zurück – und mit ihm der Zorn über die Verheißungen zu Saisonbeginn, die Transfers, die Trainer, wobei man Gisdol außen vorlässt.

Die Bemerkungen, dass man sich ja bei dem Verein nicht sicher sein könne, ob man mit ihm auch in die nächste Saison startet, ist wohl das, was der Deutsche „Galgenhumor“ nennt, der aber (s. „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, Sigmund Freud) nichts anders ist als ein Versuch offensiver Trauma-Bewältigung, da, selbst wenn der sprachliche Inhalt der Bemerkung die Zukunft kommuniziert, sie eigentlich die Vergangenheit thematisiert – und damit zum Scheitern verurteilt.

Hier mag kurz an die Vernichtung von Sodom erinnert werden, als Gott Lot und seine Familie unter der Vorgabe rettete, den Blick nicht nach hinten zu wenden. Als seine Frau es tat, erstarrte sie zur Salzsäule.

Und das bringt uns eigentlich schon zum gestrigen Spiel: Man kann unseren Spielern nicht vorwerfen, dass sie zurückgeblickt hätten oder in irgendeiner Form erstarrt wären. Aber frei aufspielen? Sieht anders aus. Nur so. Als Fakt.

Die Beine schienen zu wollen, aber der Gegner gab unseren Spielern nicht nur dankenswerterweise viel Raum, sondern damit auch oft viel Zeit zu denken – und da hat man sich oft bei der Vielzahl von Anspielmöglichkeiten für die schlechteste entschieden – zum Gegner selbst. Immerhin war der aber seinerseits so fair, das Spielgerät ebenfalls nach nur wenigen Ballberührungen wieder uns zu überlassen. Von wegen „Derby“ …

Nein, das war es wahrlich nicht, auch wenn einige der Fans der Gäste durch das Zünden von Bengalos (so wurde es durchgesagt, aber von dem zu urteilen, was zu sehen war, schien sich eher eine Streichholzschachtel aus Fernost selbst entzündet zu haben) oder Verbalscharmützel mit kreisenden Armbewegungen entweder einen solchen Derby-Charakter zumindest auf den Rängen demonstrieren wollten – oder aber, und das könnte jeder verstehen, ihnen war schlicht kalt – und das Spiel ihrer Mannschaft erwärmte sie nicht.

Dabei ging es gleich mit Volldampf los. Und wer weiß, was passiert wäre, hätte Casteels die einzig klare Chance der Gäste in der ersten Halbzeit nach weniger als vier Minuten, entstanden durch einen Ausrutscher von Abraham, der darüber hinaus wie eigentlich die gesamte Defensive eine klasse Partie machte – die Einschränkung bezieht sich natürlich auf das Gegentor, nicht gerade noch so um den Pfosten lenken können?

Hat er aber – und wir dann die erste Chance unsererseits genutzt – und das, selten genug in der Saison, aus einer Standardsituation, die auch genau so einstudiert schien. Freistoß Salihovic, Firmino lief in den freien Raum, drin.

In der Folgezeit lief es dann weniger gut zusammen, aber es reichte, um aus der zweiten Chance das zweite Tor zu erzielen, wieder eine offensichtlich einstudierte Situation, bei der alles und jeder perfekt lief. Volland auf Beck – Beck auf die Grundlinie – quer vors Tor – am vorderen Pfosten einer und am hinteren: Firmino, 2:0. Halbzeitstand.

An Effizienz kaum zu toppen – und darauf kommt es in einem solchen Spiel an. Und wollten wir nicht immer so ein Spiel haben? Hatten wir nicht genau das, was uns zu Anfang der Saison seitens der damaligen sportlichen Leitung als (Wunsch-)Ziel ausgegeben wurde – ohne aber bis September warten zu müssen? Ein Flutspiel an einem Donnerstagabend? DEM Termin der Europa League.

So fühlt sich das also an. Und es ging auch gleich um was, also nichts mit Gruppenphase oder so – das hatte schon was von Finalrunde. Rein faktisch betrachtet., was Termin und Konstellation angeht. Nicht unkomisch … und dann auch die Werbewirkung.

Zwei Spiele live im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen. 6,20 Millionen Zuschauer. Marktanteil 20,4 %. Das heißt: Hoffenheim konnte sich all jenen zeigen, die vor jedem fünften eingeschalteten Fernseher saßen. Vielleicht und sehr wahrscheinlich drückte nicht jeder unserer Mannschaft die Daumen, aber immerhin hatten wir dadurch eine Präsenz, die wir schon lange nicht mehr hatten und auch nicht erreicht hätten, wären wir auf irgendeinem anderen Platz gelandet. Silver lining.

Diese Präsenz hatte aber natürlich auch ihren Preis: So mussten die Werbebanner am Stadiondach abgehängt werden, die Anzeigetafel zeigte keine Sponsoren, die Bandenwerbung andere als sonst üblich und auch das Fahnenschwenken der Fanclubs musste entfallen, aber das war es wert – auch wenn wir natürlich gerne unsere Fahne, die ja ansonsten top telegen platziert ist, nicht nur national, sondern auch international, das Spiel wurde angeblich in rund sechzig Ländern live übertragen, geschwenkt hätten.

Andererseits auch ein Vorgeschmack auf das, was wäre, wenn wir in Wettbewerben spielen, die nicht von der DFL, sondern eben von der UEFA veranstaltet werden. Doch wenn wir diese Spiele dann auch alle so letztlich souverän mit 3:1 gewinnen, wäre uns das auch recht. Aber: „per aspera ad astra“, wie der Lateiner sagte. „Durch das Raue zu den Sternen“ – und genau die sind ja in so manchen Wettbewerbs Logo.

Doch greifen wir nicht vor. „Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt“, wie der deutsche Volksmund die lateinische Redewendung wiedergibt. Und im Spiel galt es, wie die Buddhisten empfehlen, „Ganz entspannt im Hier und Jetzt“ zu sein.

Die Halbzeitführung gab auch Anlass dazu. Der Beginn der 2. Halbzeit nicht. Eher zur Sorge.

Wildes Gewusel, irrwitzige Ballverluste und das so lange, bis einer davon bestraft wurde und die Gäste den Anschlusstreffer erzielten durch den Mann, auf dessen Abseitsposition man sich sonst das ganze Spiel über ebenfalls verlassen konnte – was wir auf die aufmerksame Arbeit unserer Abwehr zurückführen.

Die Nervosität war greifbar. Da diese aber kein Trikot trägt, griff sich unser Trainer den guten Sven, wechselte ihn ein – und er machte ihn dann rein, den Ball, mit seiner zweiten Berührung desselben.
Damit war der alte Abstand sowie der Glaube an den Klassenverbleib wieder hergestellt.

Bis dahin ist es aber noch ein bisschen Weg. Ca. eine Stunde mit dem Auto und dann die Spielzeit in des Gegners Stadion. Aber da dies gerne von den Gastgebern als „Hölle“ bezeichnet wird, müssten wir uns eigentlich notfalls auf unsere Connections unseres global gefragten Gastautoren, den wir für die Nachbetrachtung des letzten Spiels gewinnen konnten, sowie eben die verlassen können, von denen wir offensichtlich nicht verlassen sind: die guten Geister.

Denn wie sprach der Herr zu Lot, nachzulesen in Genesis (nein, nicht bei der Popband von ehedem, sondern in der Bibel das 1. Buch Mose), 19,17:

„Errette deine Seele und sieh nicht hinter dich; auch stehe nicht in dieser ganzen Gegend. Auf den Berg rette dich, dass du nicht umkommst.“

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