VfL Wolfsburg vs. 1899 Hoffenheim
Ein Spiel, wie ein Gedicht:
was du siehst, das ist es nicht.
Lehren aus einem leeren Kick
Diese Spielberichte sind ein Hobby. Und eine Herzensangelegenheit. Sie sollen die Freude am Fußball mit der Freude am Lernen verbinden. Aber nicht „lernen“ im Sinne von „Abfragewissen schaffen“, sondern Spaß am Neuen, ganz klassisch „widda was glernt“.
Zugegeben, manchmal ufert das etwas aus, aber das kennt man aus manchem Gag: Der Mann sagt am 19 Uhr, er geht noch kurz Zigaretten holen, und kommt strunzevoll nach Mitternacht nach Hause. Im Gag gibt es dann noch eine mehr oder weniger witzige Pointe – und alle haben gut lachen.
So passiert das auch hier: Man hat einen Gedanken, den man kurz Gassi führen will, und auf einmal passiert etwas auf dem Weg. Eigentlich will man ja nur kurz das loswerden, was einem vorgesetzt wurde, nachdem man es verdaut hat. Aber dann dreht man nicht nur seine Runde, manchmal dreht man auch am Rad, manchmal durch. Und dann verliert man sich in seiner Gedankenwelt, verläuft sich auch mal, so dass man zwar nicht gleich auf den Punkt kommt, aber, wenngleich es verwirrt, was es nicht soll, sondern bereichern, voller Eindrücke, letztlich dann doch, auch wenn es an sich nicht schön war, also trotz vieler Einschübe und Kommata, zurück.
Nun sind wir hier, geneigte/r Leser/in, nicht in der Schule. Und schon gar nicht im Literaturunterricht, wo man ja gezwungen ist, sich zu fragen: „Was will der Autor uns damit sagen?“ Und da muss man dann Werke, meist Gedichte lesen, die da zum Teil was ganz anderes bedeuten sollen, als das, was da steht, u. a.
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- „Das Lied von der Glocke“ (Schiller) – Allegorie auf das Leben
- „Der Panther“ (Rilke) – Der eigene „goldene“ Käfig
- „Die Loreley“ (Heine) – Verklärung, Selbstbetrug, Projektion
- „Die unmögliche Tatsache“ (Morgenstern) – Gaslightning
- „Heideröslein“ (Goethe) – Vergewaltigung
- „Stufen“ (Hesse) – Propagandakritik
- „Was es ist“ (Fried) – Pragmatismuskritik
Man kennt das auch aus der Popmusik.
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- „Sag’ mir, wo die Blumen sind” (Orig.: „Where have all the flowers gone“ (Seeger) – Kriegskritik
- “Born in the U.S.A.” (Springsteen) – Systemkritik
- „Vamos a la playa“ (Righeira) – Atomkriegssatire
Na? Widda was glernt? 🙂
Im Literaturunterricht lernt man aber auch was über Stilformen, z. B. den Unterschied zwischen „auktorialem Erzähler“ (Außenansicht) und „Ich-Erzähler“ (Innenansicht), „Erzählzeit“ (so lange dauert es, die Geschichte zu erzählen) und „erzählte Zeit“ (so lange dauert es, eine Handlung innerhalb einer Geschichte zu erzählen).
Ein langer, langweiliger Einstieg? Gar nix passiert? Nun …
willkommen im Spiel.:-)
Denn auch in der Partie beim VfL Wolfsburg passierte anfänglich aber mal so gar nichts. Die einzige Möglichkeit der Erkenntnis, also des Lernens (in unserem Sinne), war, dass ohne Kramaric und ohne Damar eine Idee ohne Nutzen ist.
Vielleicht basierte sie auf dem Meta- (nicht: Mega-) Gag, ohne Leitwolf gegen die Wölfe anzutreten. Vielleicht war es aber auch nur Belastungssteuerung (Kramaric) und Quittung (Damar). Was auch immer es war, es war keine gute Idee und auch nicht witzig.
Auch wenn Prömel schon lange bei der TSG spielt, spielte er aufgrund von vielen Verletzungen selten. Nun spielte er das erste Mal in einem Ligaspiel in dieser Saison von Anfang an, aber ihm fehlte zumindest zu Beginn deutlich das Standing und das Vertrauen im Team, das eigene Spiel leiten und dirigieren zu können. Das aber ist in Anbetracht dessen, dass er mit diesen Spielern noch nie als Führungsfigur auf dem Platz stand, auch nicht verwunderlich.
Sehr löblich wollen und müssen wir an der Stelle anmerken, dass er aber im Gegensatz zu früher auf jegliche Dirigentenposen verzichtet hat – und schon gar nicht, was er früher sehr oft machte, hinter einem Gegenspieler. Diesmal signalisierte er nicht, dass er frei und anspielbar war, er war es. Nur wurde er diesmal oftmals – einfach aus nachvollziehbarem Mangel an Routine – übersehen.
So spielten wir wirr zu Beginn der Partie, die Abstände stimmten nicht, die Abläufe stimmten nicht und auch nicht die Absicherung nach hinten. Ein Pass in die Tiefe reichte, und es gab den ersten Schuss aufs Tor in diesem Spiel, es war unser Tor, und der war drin. Also wieder mal Rückstand.
Aber dieses Tor war eine Art Aufwachmoment fürs Team. Es spielte plötzlich strukturierter. Nicht gefährlicher, schon gar nicht schneller oder besser, aber immerhin strukturierter. Das gab dieser Startelf Sicherheit auch in den Abläufen. Sie kam öfter und näher an den Sechzehner und dann auch einmal rein. Das erste Mal. Und Tor.
Wouter „Fejnvoet“ Burger platzierte eine Hereingabe von Coufal millimetergenau neben den Pfosten ins Netz.
Halbzeit.
Der Kosovo ging (Asllani, Hajdari), Kroatien kam (Kramaric) – und Kabak, was nichts damit zu tun hatte, dass gerade Helloween war (türk. „kabak“ – dt. „Kürbis“ („Na? Widda was glernt, ne?“ – Hatten wir zwar schomma, aber wir sind ja hier nicht in der Schule.)), sondern dass Hajdari seit der 4. Minute mit der Belastung einer gelben Karte spielte.
Und dass Asllani für Kramaric rausmusste, überraschte. Nicht aufgrund seiner Leistung, denn aufgrund ihrer war der Wechsel mehr als nachvollziehbar, denn der Trainer sah wohl wie wir, dass er auf dem Feld nicht ins Spiel fand, dann kann man ihn ja auch gleich rausnehmen. Sondern was das für das Mittelfeld bedeutete, schließlich ließ Ilzer das unangetastet, so dass Kramaric offensiver als zuletzt agieren musste; eine Maßnahme, die sich bei seiner Geschwindigkeit nicht aufdrängt, die sich aber keine fünf Minuten nach Wiederanpfiff auszahlte. Flanke von links, Kopfball von Prömel. Führung.
Das war natürlich seitens der Gastgeber wie bereits beim Ausgleich „luftig“ verteidigt, aber erstens kann uns das egal sein, und zweitens war, wie sich Prömel in der Luft durchsetzte, schon aller Ehren wert – und ein Tor.
Doch sehr sich die spielerische Klasse von Kramaric in der Offensive auszahlte, so wenig sorgte das Plus an körperlicher Breite von Kabak (im Gegensatz zu Hajdari) für ein Minus an Raum in unserer Defensive. Fünf Minuten nach unserem Führungstreffer genügte den Gastgebern wieder ein einfacher Pass in die Tiefe zum Torerfolg. Ausgleich.
So wird das nichts mit der Meisterschaft, schließlich gewinnt man diese angeblich mit der Abwehr. Aber mit dem Sturm gewinnt man Spiele – und wenn der nicht funktioniert, dann eben das offensive Mittelfeld. Wieder mal rund fünf Minuten nach dem Tor, fiel das nächste: Hereingabe Prömel und wieder war es Wouter „Fijnvoed“ Burger, der den Ball mit nur einer feinen Berührung neben den Pfosten (diesmal den linken) ins Netz netzte.
(Für alle Schülerinnen und Schüler: So was nennt man figura etymologica.)
Also, auch wenn wir Prömel oft seiner figura pavonia zeihen, diesmal hätten wir ihm jegliches pfauenhafte Auftreten verziehen, wenn er aufgrund dessen, wie er dieses Spiel spielte (noch eine) mit Stolz stolziert wäre (und noch eine).
Das Problem, das wir zu dem Zeitpunkt hatten, war, dass noch sehr lange zu spielen war. Rund eine halbe Stunde galt es, den Wölfen Paroli zu bieten, was sich – zum Zeitpunkt der garantierten Erkenntnis, also – im Nachhinein als ein Leichtes herausstellte.
Für einen Moment schien es noch leichter zu werden, aber das Tor, das nicht nur unser Fan-, sondern auch unser Romantikherz völlig verzückt hätte (Kopfballablage von Kabak auf den inzwischen ebenfalls eingewechselten Bebou), wurde nach gefühlt zwei Stunden, acht Minuten wegen Abseits um Kniescheibendicke zurückgenommen.
Nun denn, es reichte auch so.
Wieder ein Auswärtssieg. Platz 2 in der Tabelle gefestigt und in der Gesamttabelle auf Platz 6 vorgerückt. Das sah vor ein paar Wochen doch ganz anders aus – und wir werden auf jeden Fall in der oberen Tabellenhälfte in die nächste Länderspielpause gehen. Wenn es ganz doof läuft, auf Platz 8. Wenn es ganz perfekt läuft, auf Platz 4.
Freuen wir uns nach dem einen aufs nächste

Erinnern wir uns doch zu gern an deren letztes Gastspiel zurück. Das erinnerte uns übrigens auch an ein (englisches) Gedicht, das ganz und gar nicht verklausuliert ist:
If – von Rudyard Kipling.

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