VfL Bochum vs. 1899 Hoffenheim
Ein großer Kampf
und ein kleiner Maulwurf
Maximale Maloche für maximalen Ertrag
Initium arduum est. Sagt man so. Also der Volksmund. Und das bewahrheitete sich auch in dem Gastspiel der TSG beim VfL Bochum. Aller Anfang ist schwer.
Und dieser Anfang zog sich. Mindestens eine Stunde lang, wobei der Anfang der zweiten Halbzeit besonders schwer war, denn in der ersten Viertelstunde nach Wiederanpfiff hatten wir mehr als Dusel, nicht in Rückstand zu geraten. Doch der Volksmund sagt auch: Das Glück ist mit den Tüchtigen. Und auch das bewahrheitete sich. Die TSG gewann trotz einer wieder mal erstmaligen Startelf-Aufstellung und dank einer starken kämpferischen Einstellung seit Ewigkeiten mal wieder beim VfL Bochum.
Das Tor des Tages schoss Tom Bischof.
Der Tor des Tages war der Gästekeeper.
Aber verantwortlich war wer/was ganz anderes. Meinte zumindest unser Torschütze, der nicht nur dank seines Treffers große Freude bei uns auslöste, sondern auch viele Erinnerungen, obwohl er das – im Gegensatz zum Schuss – gewiss nicht beabsichtigte. Aber Mehrwert ist Mehrwert.
Und noch wichtiger als die drei Punkte ist doch, dass man im Leben was zu lachen hat, Freunde hat, mit denen man flachsen kann, was wir hier nicht botanisch meinen, obwohl man das so sehen könnte, würde man noch mehr ausholen als Bischof bei seinem Schuss. Und das machen wir jetzt mal schnell … Man könnte nämlich auch sagen: initium linum usitatissimum erat. („Am Anfang war der Flachs.“)
Linum usitatissimum ist der botanische Fachbegriff einer der ältesten Kulturpflanzen (Gemeiner Lein, Saat-Lein, Haarlinse oder Flachs genannt), die zur Faser- und zur Ölgewinnung angebaut wird. Der lateinische Zusatz, oder wie Fachleute sagen: Artepitheton, bezieht sich auf die vielfältige Verwendbarkeit, denn
usitatissimum stellt einen Superlativ dar (meist verwendet / am gebräuchlichsten) und bezieht sich auf die vielfältige Verwendbarkeit der Pflanze. Aus der Verarbeitung zur Herstellung von Stoffen, wofür sie geflochten wird, leitet sich das Wort „Flachs“ ab. Das aber kann auch ein Verweis sein auf eine leichthin gemachte spaßige Äußerung – und nichts anderes war ja der Verweis Bischofs, wonach das Tor auch einem kleinen Maulwurf zu verdanken sei.
Er meinte damit gewiss talpa europaea, also das Tier, das in unseren Breiten einen walzen- bis spindelförmigen Körper mit kurzem Hals besitzt, auf dem ein spitz zulaufender Kopf sitzt, und die unterirdisch grabend leben. Ihre Vordergliedmaßen sind kräftig und schaufelartig gestaltet sowie weit nach vorn verlagert, die Handflächen zeigen beständig nach außen.
Die beim Graben anfallende Erde schiebt der Maulwurf mit dem Kopf beziehungsweise dem Rüssel je nach Bodenbeschaffenheit alle 50–100 cm an die Erdoberfläche, wodurch die typischen, circa 25 cm hohen Erdhaufen zum Beispiel im Rasen entstehen und aus einer ebenen Fläche für Unebenheiten sorgen.
So hoch waren die Unebenheiten auf dem Grün des Bochumer Grases nicht, weshalb Bischof ja auch nur von einem „kleinen“ Erdwerfer sprach.
So, „Erdwerfer“, könnte man den Maulwurf nämlich auch nennen, hat sein Name doch nichts mit seinem Maul zu tun, sondern leitet vom (althochdeutschen) „molte“ für „Erde“ ab.
Doch wir dachten bei Bischofs Erklärung dabei (auch) an die tschechische Zeichentrickserie, die 1957 vom Prager Zdeněk Miler geschaffen wurde, und in der dem Leben in der Natur die Umwelt in der Stadt sowie dem naiv-kindlichen Leben der Tiere der Alltag der Menschen gegenübergestellt werden sollte: „Der kleine Maulwurf“.
Dass der Held dieser Geschichte eben ein Maulwurf wurde, lag daran, dass Miler beim Sinnieren darob, was für eine Figur der Held der Serie werden sollte, der Legende zufolge, über einen Maulwurfhügel stolperte. Und daraus entstand der Film Wie der Maulwurf zu seinen Hosen kam, mit dem Miler den Silbernen Löwen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig gewann.
Es gibt keine Zufälle. Hosen. Eine wunderbare Metapher. Gerade für diese Partie, hatten wir diese doch bei den letzten Partien dort immer gestrichen voll – und entsprechend scheiße gekickt. Diesmal nicht.
Apropos:
Und wer denkt bei der Themenlage nicht an Paul Breitners „Die anderen hatten die Hosen gestrichen voll. Bei mir lief’s ganz flüssig.“
Das tat es auch nicht – also spielerisch gesehen – weder bei uns noch bei den Bochumern.
Es war ein Spiel, das von Anfang an schwer (s. o.) in Gang kam.
Sehr viel (Zwei-)Kampf, sehr viele Unterbrechungen, wenig Torraumszenen hüben wie drüben. Den ersten richtigen Schuss aufs gegnerische Tor gaben wir in der 37. Minute ab.
Die Hausherren waren da schon präsenter vor unserem Kasten, in dem wieder Oli Baumann stand. Aber auch er hatte sooo viel nicht zu tun, denn das meiste wurde meist von Chavez und Östigard weggeköpft, -grätscht, -schossen.
Ein geordneter Spielaufbau ließ lange auf sich warten, aber zum Abschluss kamen auch wir kaum.
Zu Beginn der 2. Hälfte kamen wir kaum aus unserer Hälfte, während die Gastgeber ihr Eckballkonto in die Höhe schraubten. Zudem hatten sie einige Freistöße am Strafraum, konnten aber keinen davon in was wirklich Gefährliches ummünzen. Und wenn es gefährlich wurde, kamen eben Chavez und Östigard angerannt, -flogen, -grätscht. Und wenn sie dann doch mal durch- und deren Bälle aufs Tor kamen, war da ja noch unser Oli, der in seiner Rehazeit nichts an seiner Ruhe, Souveränität und Reaktionsschnelligkeit verloren hatte.
Überraschender waren da schon die technischen Unzulänglichkeiten vor allem im ersten Durchgang von Bischof und Kramaric. Auch Becker gelang es diesmal nicht, Ruhe und Struktur in unser Spiel zu bringen, aber auch sie brachten sich vor allem defensiv fulminant ein. Das war das, was am meisten gefiel bis dahin: Es war EIN Team.
Und dann fiel Orban. Im Strafraum. Und allen war klar: Elfer. Aber des Schiris Pfeife blieb stumm. Und auch der Griff zum Ohr blieb aus – und dahin spielten wir dann auch den Ball, auf dass der Kölner Zeit zum Eingriff hatte.
Aber der nahm ihn nicht vor, dafür der Schiri in seine Taschen und zeigte unserer Bank, die sich nicht einkriegte ob der Ignoranz, die Farbenvielfalt seiner Karten.
Wesentlich cooler als unsere Bank reagierte Kramaric, der sich so sicher war, dass der VAR den Schiri auf seine gravierende Fehlentscheidung hinweisen müsste, dass er sich ganz entspannt einen Ball von einem -jungen hat zuwerfen lassen und schon mal an den Elfmeterpunkt schritt, während der Rest rund um den vierten Offiziellen herumtanzte.
Doch die Schiedsrichter blieben bei ihrer Meinung, die sie exklusiv hatten. Ja, Orban wurde nicht umgesenst – oder gestempelt –, doch es war eindeutig, dass der Verteidiger der Hausherren mit seinen Stollen den Fuß Orbans traf, was bei den heutigen Materialien der Schuhe einfach extrem schmerzhaft ist und halt ein Foul. Im Strafraum. Die Aktion Kramarics, der ja aus seiner Position selbst sah, was ebenso absolut nachvollziehbar war – wie seine Fassungslosigkeit, dass es bei der Entscheidung blieb.
Aber vielleicht gab das der ohnehin motivierten Mannschaft jetzt noch mehr Adrenalin, denn die Angriffsbemühungen wurden nun mit mehr Verve angegangen, ohne dabei die Defensive völlig zu vernachlässigen. Und wenn die Hausherren mal zu einem Tempogegenstoß kamen: Chavez, Östigard.
Aber ansonsten hatten wir in der Phase des Spiels die beste Phase unseres Spiels – und eben Bischof, der in einer an sich unübersichtlichen, aber auch ungefährlichen Situation aus 20 Meter einfach mal aufs Tor schoss. Er traf den Ball weder voll noch richtig, aber das sorgte dafür, dass er mehrfach leicht und unregelmäßig aufsprang – und über die Arme des Gästekeepers ins Netz.
Ja, das hatte was von „aus dem Nichts“, aber aus unserer Sicht, war das egal – und ausgleichende Gerechtigkeit für den nicht gegebenen Elfmeter.
Fünf Minuten Nachspielzeit gab es. Noch höher als die Konzentration unserer Mannschaft war nur noch der Puls auf den Rängen der mitgereisten und herrlich gekleideten TSG-Fans. Und entsprechend dem Dress in Ballonseide hob die Kurve dann auch ab, nachdem der Schlusspfiff ertönt war.
Da dauerte es zwar noch ein paar Minuten, bis Bischof die Erklärung für das Tor gab, aber der Maulwurf als Metapher passt auch bestens zum Spiel: Es war ein Gewühle und ein Geschaufele. Aber wir kommen so langsam von unten raus. Und was noch mehr Freude machte:
Es gab keinerlei Verwerfungen in unseren Reihen. Da spielte EIN Team. Da gewann EIN Team. Und da feierte EIN Team – bestehend aus den Spielern vor und den Fans just an der Stelle, wo es in der Vorsaison noch Knatsch gab, wo die Fans dem Verein drohten, Rosen zu entlassen, und Kramaric meinte, 99% der Fans verstünden nichts von Fußball. Streit, Spiel, vorbei.
Nach dem Schlusspfiff verstanden sich alle bestens. Und das sowie das Ergebnis sind doch schon mal ein super Start in die Wochen der Entscheidung. Und er macht Hoffnung:
Ut initium, sic finis est.
(„Wie der Anfang, so das Ende.“)
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🙏In der Mannschaft scheint’s zu stimmen. Erdwerfer hin – Elfmeter her. Wieder mal köstlich zusammengefasst. Sermo iucundus 😉
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