VfL Bochum vs. 1899 Hoffenheim
Adorno und Abseits
Das Spiel und die Philosophie
Kaum ein anderes Wort hat einen solchen Werteverfall in den letzten Jahren erlebt wie „Philosophie“. War dieser Begriff früher nur der hohen Wissenschaft des Denkens vorbehalten, hat heutzutage jeder eine.
Früher hätte man das „Motto“ genannt, nein, ein Mensch hat eine Philosophie.
Ein Unternehmen hat keine Leitsätze mehr, sondern eine Philosphie.
Und eine Fußballmannschaft braucht keine Spielauffassung, es hat ja eine Philosophie.
Ja, ja, so weit ist es also um die „Liebe zur Weisheit“, was ja Philosophie wortwörtlich übersetzt heißt, gekommen. Aber besitzen Menschen im Allgemeinen eine Liebe zur Weisheit? Unternehmen? Fußballmannschaften?
Gewiss haben Sie ein Interesse an Wahrheit. Doch auch über diesen Begriff lässt sich trefflich philosophieren. Was ist das? Für Menschen meistens Wahrnehmung. Für Unternehmen Sendung und für Fußballer bekanntlich das auf dem Platz.
Wahr ist demnach, dass der VfL Bochum gegen 1899 Hoffenheim nach Toren mit 2:1 gewonnen hat. Aber sind sie auch der Sieger? Selbstverständlich. Aber unsere Mannschaft hat nicht verloren.
Sie hat immer noch viele Verletzte. Sie hat wieder gut gespielt und viel gekämpft, aber erneut nicht den erhofften Lohn davon getragen – und sie hat sich trotzdem wieder nicht aufgegeben.
Wie bereits im Pokalspiel Mitte der Woche, das wir ebenfalls mit 2:1 auf des Gegners Platz verloren, hatte unsere Mannschaft phasenweise sogar sehr gut gespielt, hatte rein quantitativ das Spiel dominiert, geriet aber nach der ersten Chance des Gegners in Rückstand, kämpfte und erzielte auch den Ausgleich. Doch maximal drei Minuten später geriet der Gegner durch eine Unachtsamkeit der Abwehr wieder in Führung, die er dann auch nicht mehr hergab.
Wenn sich so etwas aber in so kurzer Zeit wiederholt, drängt sich die Frage nach dem Grund auf – und jetzt wird es philosophisch.
Die ganz großen Ziele (Europa) hat der Verein und haben auch die Fans mit Realitätsbezug aufgegeben. Es geht jetzt darum, sich in der 1. Bundesliga zu etablieren, was auch erreichbar sein dürfte, was wiederum weniger der eigenen Stärke als vielmehr der Schwäche der letzten vier Mannschaften zu verdanken ist. Aber wie dem auch sei, das Minimalziel wird erreicht. Aber warum nicht mehr?
Lassen wir einmal die DSF-Argumente (fehlende Spieler, Trainer, Tagoe etc.) außen vor und suchen Trost bei Theodor W. Adorno und seiner (Achtung, Überleitung! (Schlagwort: Minimalziel)) Minima Moralia, die zudem den wunderbaren Untertitel trägt: Reflexionen aus einem beschädigten Leben.
Und nicht selten ist es ja so, dass der, der Trost sucht, Erkenntnis findet. Nehmen wir nur die drei bekanntesten Zitate aus dem Werk:
„Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“
Das zweifelsfrei wahr – und weise (womit wir uns aber nicht in die Diskussion um den Ankauf der CD mit den illegal erworbenen Daten angeblicher Steuersünder einschalten wollen). Ist aber der Umkehrschluss möglich? Kann man sagen, dass es kein falsches Leben im richtigen gibt? Ja, man kann. Aber das wäre weder weise noch wahr.
Übertragen auf das Spiel unserer Mannschaft sieht man ja, dass die Spielanlage richtig ist, auch die Rahmenbedingungen für die Akteure sind richtig und auch die intentionalen Interaktionen auf dem Platz sind richtig. Aber alles richtig zu machen, ist falsch. Da jeder weiß, was richtig ist, weiß man auch, wenn man dem gegenübersteht, was man tun muss, um seine Vollendung zu unterbinden. Die Virtuosität des Spiels ist der Wiedergabe von Noten gewichen. Das erklärt, warum wir trotz rund 60% Ballbesitz kaum Chancen haben. Dem Spiel unserer Mannschaft fehlt das Überraschungsmoment.
Einmal allerdings, einmal war dieses Momentum da und keine drei Sekunden auch der Ball im Netz der Bochumer.
„Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen.“
Bochum hat das Spiel nicht gewonnen. Unsere Mannschaft war es, die das Spiel nicht gewonnen hat. Dankenswerterweise war der Gegner auch so fair, weit mehr über die Punkte denn das eigene Tun zu freuen. Oftmals war es auch knapp, obwohl die Entscheidung des Schiedsrichters, beide Male nach einem Torerfolg auf Abseits zu entscheiden im Gegensatz zum Platzverweis gegen Gustavo richtig war.
Es ist also immer noch so, dass wir die Starken sind. Allerdings müssen wir uns dessen bewusst sein und keine Angst vor der Dominanz haben. Die Konsequenz wäre ein stärkeres Selbstbewusstsein, auch vor Fehlern, weshalb man auch einmal dazu neigen würde, immer mehr Bälle willentlich nicht ganz richtig, also anders, für den Gegner überraschend und somit potenziell erfolgreicher zu spielen.
Das ist nach solchen Niederlagen(serien) nicht ganz einfach. Aber es muss sein, auch wenn es schwer ist, wie schon Adorno wusste:
„Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.“
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