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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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Schachtjor Donezk vs. 1899 Hoffenheim

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Wumms im Schacht

Ein Spaß. Ein Spiel. Einfach klasse!

Der klassische deutsche Tourist besucht im Ausland Kirchen, Museen, Theater. Schön wird sich zuhause eine Liste zurechtgelegt, die dann typisch deutsch vor Ort abgearbeitet wird. Therapeuten empfehlen so etwas gegen Hysteriker.

Natürlich gibt es noch den All-inclusive Pauschaltouristen, der gar nichts besucht – außer die Bars und Discos, Restaurants und Events „seiner“ Anlage. Aber das ist der Fußball-Fan auch nicht. Denn aufgrund der unterschiedlichsten Parameter kann er gar nicht anders, als alles selbst zu übernehmen – und das ist auch gut so. Natürlich hätten einige der Hoffenheimer Fans gerne eine Art Rundum-Sorglos-Paket, aber die TSG wäre ja mit der Muffe gepufft, sich darauf einzulassen. Wo ein Wille ist, ist ein Weg – und da ist es so manchem Fan gerade mal egal, wie weit oder beschwerlich der ist.

Dennoch macht das den Fußball-Fan zu einer besonderen Spezie Tourist: Er interessiert sich vor allem für ein Bauwerk: das Stadion. Sollte es darin ein Museum geben, kann man das noch mitnehmen, ansonsten aber geht es ihm darum, in den Städten, in denen sein Team gastiert, die Zeit in Straßencafés, Restaurants, Bars. Kneipen etc. so lange zu verbringen, bis endlich sein Tempel öffnet.

Damit kommt der Fantourist in den Genuss von etwas, das der klassische Tourist, der immer nach der Bestätigung seiner Erwartung schaut, nie erfassen wird, weil er viel zu sehr mit sich beschäftigt ist: Authentizität, vorausgesetzt natürlich, er hat sich mehr an den Eindrücken der Stadt berauscht, als an dem, was ihm dort eingeschenkt wurde.

Und da hatte Charkiw einiges zu bieten, z. B. einen ÖPNV, der einen für umgerechnet 80 Cent vom Flughafen an das Stadtzentrum fuhr, wo es dann für ca. 60 Cent mit der U-Bahn ins Stadtzentrum ging. Wenn man sich dann durch die Gänge der Schächte der U-Bahn nach oben bewegte, fielen einem Metzgereien auf, die auf einer Fläche von kaum mehr als 1x5m Wurst und Käse feilbieten in einer Art, die der feinsinnige und -staubempfindliche Deutsche verbieten lassen würde.

Ebenso wie die riesigen Regenrinnen. Durchschnittlich haben sie den Durchmesser von Pavel Kaderabeks Oberschenkel, und sie enden gut einen halben Meter über dem Gehweg derart, dass das, was da rausschießt, es Richtung Straße tut, wo es den Fußgängern die Beine in bester Kreisligamanier weghauen könnte.

Wenn sie sich ihre Haxen nicht schon vorher gebrochen haben, denn die Straßen sind uneben, aus den unterschiedlichsten Materialien, zum Teil voller Löcher, dass man sich auch fragen könnte, ob nicht eher die Erhebungen das Problem sind.

Aber – und da staunt der TÜV-Fetischist, WKD-Informant und vollkaskoversicherte Abenteurer aus unseren Breiten nicht schlecht, wie sauber die Stadt ist und dass diese Leute dieses „Erste-Welt-Gefahren-Inferno“ aus fehlenden Spuckschutzen, nicht verdeckter Kabel sowie unebener Fahrbahnen und Gehwegen überleben können. Wohl weil sie müssen, weil es nun mal so ist – und weil es nun mal so ist, haben sie auch gelernt, Dinge zu akzeptieren und zu tolerieren. Das entspannt – nicht nur im Urlaub.

Nun hat der Deutsche gerne ein schönes, entspanntes Leben, aber das sagt er nur, denn viel lieber als ein solches Leben hat er Recht. Und wenn es wo etwas gibt, das er für sich einklagen kann, dann macht er das. Das wissen die Vereine in Deutschland, weshalb sie die Stadien besser nicht in Wohngegenden platzieren. Es würde Klagen en masse geben, wegen angeblich zugeparkter Ausfahrten, totgepisster Buxbäume und/oder überhaupt dem ganzen Lärm, der einem immerhin rund ein Dutzend Mal im Jahr den samstäglichen Mittagsschlaf rauben kann.

Umso besser gefällt einem als Tourist, wenn ein Stadion einen direkten Bezug zur Stadt hat – nicht nur Endstation oder Autobahnausfahrt. Keine zehn Minuten dauerte die Fahrt mit der Metro zum Metalist-Stadion in Charkiw, wo Schachtjor Donezk seine Heimspiele austrägt. (Aufgrund des Krieges, der in seiner Heimat ausgetragen wird, trainiert das Team auch nicht zuhause, sondern in dem eine Flugstunde entfernten Kiew.)

Dann zogen einen die Beats klassisch ukrainischen Eurovisions-Pops in den Bann. Bereits am Bahnsteig umpfte es sehr vernehmlich und umso mehr, je mehr Schlachtplatten und Schachtbuden man auf dem Weg zum Spiel Schachtjor vs. TSG hinter sich ließ. An deren Ende poppte man keine 100 Meter neben dem Stadioneingang an die Oberfläche, wo einen diese so oberflächlichen wie unterirdischen Schallwellen, Schalhändler sowie Pizzalieferautos mit Cafeteria im Heck empfingen. Bääm! Bääm! Bääm!

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Die Mucke spie das von Hochhäusern umgebenene Stadion aus. Umpf! Umpf! Umpf!

Die ganze Trostlosigkeit der Darbietung wurde einem dann im Gästeblock bewusst, denn unfassbarerweise war das ein Live-Act. Im Halbkreis des Niemandslandes zwischen Tor und Tribüne ist ein junger Mann an ein paar Computern und versuchte den Eindruck zu vermitteln, er würde Arbeit verrichten. Sein ärmliches Gewirbel wurde begleitet von zwei Damen, die in gehörigem Abstand fast schon ungehörig knapp bekleidet ebenso mit ihren Armen wirbelten.

Aber es kamen Zweifel auf, ob das wirklich ein Champions League-Spiel war, denn angeblich ist ja alles penibelst genau von der UEFA vorgegeben – und so kannte man das nicht.

DON-TSG_UmpfUmpf Aber natürlich wusste man, dass man richtig war. Allerdings lag das nicht an einer omnipräsenten UEFA(-Sponsoren)-Beflaggung, sondern an einem wohlbekannten Gefährt, das einen wirklich langen Weg zurücklegte – …DON-TSG_Bus

… und auch wieder zurücklegen muss, um die Mannschaft wieder pünktlich aus dem Trainingszentrum zur RHEINECKARENA zu fahren. Aber dann wurde es doch noch „normal“. Es ging los …

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Und wie es losging! Bereits nach acht Minuten gingen wir völlig verdient durch Grillitsch, der 90 Minuten später ebenfalls völlig verdient zum „Man of the Match“ gekürt wurde, in Führung. Nun gut, es hätten auch der 7er oder der 31er der Donezker werden können, denn auch sie spielten beeindruckend stark, aber Grillitsch hatte einen seiner Sahnetage erwischt. Er war der Dirigent eines harmonischen Orchesters, das dem von Nagelsmann et al. komponierten Werk die perfekte Balance von Adagio und Allegro furioso gab, es einfach nur mal plätschern ließ, ihm dann aber wieder Tiefe verschaffte und weitere zahlreiche Höhepunkte.

Weitere Großchancen folgten: Szalai mit einem klassischen Drehschuss, Bittencourt am Ende einer furiosen Kombination mit einem Lehrbuchflugkopfball. Beide ließen jedoch leider dem Torwart keine andere Chance, als die Bälle zu halten. Direkt auf ihn, aber es ging direkt immer weiter. Links wirbelte Schulz, rechts brach sich Joelinton Bahn und auch mal durch, doch Donezk hielt stand und gegen und kam dann auch in einem ihrer wahnsinnig schnell vorgetragenen Gegenzüge zum Ausgleich.

„Druff gschisse!“ schien sich die Mannschaft zu denken – und wir können froh sein, dass wir hier sind und es so sagen können. Auf der Pressekonferenz wäre das aus Respekt vor dem Dolmetscher nicht gegangen, der die Pressevertreter bat, Hochdeutsch zu sprechen. Am Anfang schien es, als sei er der Mann, der sich am besten auf den Gegner vorbereitet hat.

Bis auf die Konter kam in der ersten Halbzeit recht wenig vom ukrainischen Serienmeister, der sich in der ersten Halbzeit wahnsinnig schwer tat, unsere kompakt stehende und agierende Defensive spielerisch zu überwinden. Es war eine Wahnsinnshalbzeit. Begeisterung pur.

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Auch weil unsere Mannschaft sich vom Rückstand nicht nervös machen ließ. Sie spielte weiter sehr mutig nach vorn und erarbeitete sich viele gute Ausgangssituationen und Standards. Insbesondere die Eckbälle kamen diesmal alle gut und einer perfekt auf Nordtveit, dessen Kopfball uns die erneute Führung verschaffte. Das war der reine Wahnsinn, was unser Team als Champions League-Novize, das gegen Düsseldorf noch so strukturlos wirkte, gegen diesen Champions League-Dauerteilnehmer hinlegte.

Das lag aber natürlich auch daran, dass Donezk keine Mannschaft ist, die mauert. Sie lauert. Auf ihre Konterchancen – und das war immer immens gefährlich, denn die brasilianischen Turboaggregate ihrer Offensive waren fair nahezu unhaltbar. Auch nicht für Schulz und Kaderabek, die wir ja schon für schnell halten, aber auch sie ließen die Angreifer von Schachtjor ein ums andere Mal stehen, was immer dann nicht schlimm war, wenn das Kollektiv und die Dopplungen auf den Flügeln funktionierten.

Posch und Kaderabek war so ein Tandem, bei dem das meist sehr gut klappte. Nordveit und Scholz hatten da schon öfter so ihre Schwierigkeiten. Aber das Team funktionierte. Selbst Szalai war oft hinten zu finden und räumte weg, was ging.

Aber es ging immer weniger. Die ersten 60 Minuten kosteten schon verdammt viel Kraft, und die Ukrainer merkten das, erhöhten den Druck auf die Defensive und auf unsere Herzkranzgefäße. Zuber und Demirbay wurden eingewechselt, um für etwas Entlastung zu sorgen, aber es gelang nicht wirklich. Insbesondere Demirbay merkte man fehlende Spielpraxis und Punchlust an, so dass er defensiv leicht überfordert wirkte und offensiv keine Akzente setzen konnte.

Dann fiel doch noch der Ausgleich. Ein fulminanter Fernschuss zerstörte unsere Hoffnung auf einen Start mit Sternchen, denn Donezk stürmte weiter. Und wir wackelten weiter. Die wenigen Entlastungschancen brachten mehr Gefahr als Entlastung, denn die Bälle wurden leider schnell verloren. Aber das Spiel nicht. Und das war das Wichtigste. Ebenso wie die Tatsache, dass sich keiner der Spieler verletzt hat.

Damit wurde die Lazarettliste zum Glück nicht länger. Im Gegenteil, sie lichtet sich so langsam. Dennoch dürfte es kaum Überraschungen in der Startelf am Samstag geben, da wir auch gegen den BVB ein funktionierendes Kolletiv brauchen. Und ein weiteres Erfolgserlebnis.

Es wird ein Kraftakt. Aber das war es Mittwoch auch – und das Team hat Moral bewiesen. Auf einen wenig glorreichen Kick am Rhein folgte eine der stärksten Hoffenheimer Halbzeiten aller Zeiten und der erste Punkt im ersten Spiel in der Champions League. Und das war auch der erste Auswärtspunkt in dieser Saison. Wäre schön, wenn dem der zweite Heimsieg folgen würde.

Wir sind … im Rückblick und Ausblick … voller Euphorie …

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