Borussia Mönchengladbach vs. 1899 Hoffenheim
Nein.
Konzept statt Punkte?
„Wer durch Straucheln gehen lernt, dem geht’s gut;
aber wer durchs Fallen straucheln lernt, dem geht es sehr übel.“
Johann Heinrich Pestalozzi
Wir sagen hier nichts weiter zum Spiel. Wer es gesehen hat, wird wissen, warum. Wer es nicht gesehen hat, kann sich glücklich schätzen. Ihm bleibt das Wichtigste, was Menschen haben: Träume, Hoffnungen, Zuversicht.
Auf der Seite unseres Vereins beginnt der Spielbericht mit den Worten „Die schöne Serie ist gerissen!“ Es ist nicht das einzige, was da am Samstag riss. Auf Seiten der Fans war es der Geduldsfaden.
Gewiss würde es so manchem gefallen, wenn wir wortgewandt und -waltig uns über diese ja fast schon arbeitsrechtlich relevant anmutende Darbietung äußern, aber wir besitzen dann noch noch etwas, was weitaus wichtiger ist, als seinem vorhandenen Unmut über die Unfähigkeit vieleser dies- und jenseits des Rasens Luft zu machen und Gehör zu verschaffen: eine gute Kinderstube.
Darf man auf jemanden treten, der am Boden liegt? Darf ich jemandem, der es offensichtlich nicht kann, sagen, dass er es nicht kann. Darf ich jemandem vorwerfen, dass seine Ambitionen in reziproker Relation zu seiner Kompetenz stehen?
Und selbst, wenn man all dies darf, was brächte es? Wenn wir denn schon keine hehren Ziele mehr hegen bzw. so verfolgen zumindest wir noch ein höheres Ziel: den Erfolg unserer 1899 Hoffenheim – und dafür ist es manchmal ratsamer, sich ein wenig in Diplomatie zu üben getreu dem alten Merksatz:
Sage nicht alles, was du weißt.
Aber wisse immer,was du sagst.
Nun sagen in Hoffenheim seit geraumer Zeit viele Menschen vieles. Der eine sagt, dass der Verein, der bewusst auf junge Spieler setzen will, kein Ausbildungsverein sei, und definiert ungekannte Ziele („Nichtabstieg“), der andere proklamiert den Wahrheitsgehalt der Tabelle und der Wichtigste von allen verkündet seinen Rückzug.
Woher stinkt der Fisch nochmal?
Dass Herr Hopp nicht wegen des Hickhacks des Winters, sondern vor allem nach Investitionen von rund einer Viertel Milliarde Euro (und das ist mehr als mancher Staat pro Jahr in einem Jahr erwirtschaftet) ist nachvollziehbar.
Erschreckend hingegen scheint, dass niemand da zu sein scheint, der sich darüber freut und sich nun aufdrängt, um in diesem Schritt seine Chance zur Profilierung sieht. Vorbei die Zeit, wo man in der zweiten Reihe steht und glaubt, die Erste Geige spielen zu können. Es wird ein Kapellmeister gesucht, aber alles, was die aktuell Verantwortlichen zu streichen scheinen, sind die Segel.
Wer dagegen neue Saiten aufziehen will, sind die an der Seitenlinie. Aber auch nach nunmehr zwei Monaten scheint es nicht gelungen zu sein. Da ist keine Musik (mehr) im Spiel. Kakophonie am Ball – und Logorrhoe am Mikrofon.
Diese vermeintliche Härte, die aus den Worten nach den Spielen sprechen soll, kündet von purer Hilflosigkeit und einer Kommunikationsinkompetenz, die in dieser Branche aber immer üblicher wird.
Früher gingen Spieler bis in die Haarspitzen motiviert ins Spiel, heute scheinen sie bis in die Fußspitzen informiert. Konzepttrainer. Das ist die Perfektion der Theorie. So etwas ist auch wichtig. Grundlagenforschung. Frei nach Samuel Beckett:
Versuche und irre.
Versuche es nochmal und irre besser.
Das ist das A und O des Erfolgs – allerdings nur in den akademischen/forschenden Arenen. In den Arenen des Fußball nicht. Hier zählt nur das „Ah! und „Oh!“- und vor allem „Tooor!“
Das ist nicht schwierig. Klappt aber bei uns 2011 nicht mehr. Aber statt hier stark zu sein und sich zu hinterfragen, gibt es „schonungslose Videoanalysen“ direkt nach dem Spiel. Was immer das ist. Was immer das sein soll. Man schaut fern und spricht über die Fehler der Spieler in den einzelnen Aktionen. Was soll das bringen? Nun, angeblich werden Haustiere dadurch stubenrein, dass man sie im Falle einer nicht-stubenreinen Aktion direkt und unmittelbar damit konfrontiert (Schlagwort: „Gesicht in die Scheiße“ – wie gesagt, angeblich), aber es darf bezweifelt werden, dass dies 1:1 so auf Fußballer zu übertragen ist. Zumal gefragt werden darf, ob es wirklich die Spieler sind, die für die Scheiße verantwortlich sind.
Wie dem auch sei: Am Ende gibt es ein Ergebnis und dieses findet sich dann wieder in der Gesamtübersicht wieder, die so gesehen natürlich immer die Wahrheit sagt. Das tut sie aber immer und für jeden – und damit ist die Aussage absolut generisch und erkenntnisfrei. Oder soll mit dem Verweis auf die nichtlügende Tabelle illokutiv kommuniziert werden, dass man nicht besser ist? Dem würden wir objektiv zustimmen. Nach dem Spiel wären wir überrascht, wenn wir auf Platz 9, also obere Tabellenhälfte, in der 2. Liga stünden! Das wir das in der 1. Bundesliga immer noch tun, grenzt an ein Wunder.
Aber selbst, wenn ich als Verantwortlicher der Meinung bin, meine Mannschaft ist bestenfalls Mittelklasse, ist die Frage nach der Notwendigkeit der Kundgebung dieser Ansicht. Das ist Legitimitaion von Schwäche statt Motivation für Stärke. Wer so etwas sagt, entschuldigt präventiv schlechte Leistungen („Wir sind nicht besser.“) statt gute Leistung zu fordern.
Und nach dem Spiel? Werden Konsequenzen angedroht. Was soll das denn? Warum die Spieler bestrafen? Werden sie dadurch besser? Das Gegenteil ist eher der Fall …
Bei den sportlich Verantwortlichen ist es ja genauso: Sie werden hart angegangen. Aber sie sagen ja auch nicht: OK, Fans, wir haben es eingesehen, das Ganze ist doch eine Nummer zu groß für uns und wir schauen lieber noch ein, zwei Jahre zu und lernen, wie man das richtig macht, sondern da heißt es ja auch trotzig „Wir bleiben unserer Linie treu“. Wenn sie „wir“ sind, wer sind dann die anderen?
Das klingt nach Durch-, Aus-, aber nicht sehr nach Miteinander. Und deshalb noch mal die Frage nach dem Ursprung der „ichthyologischen Olfaktorik“.
Es stehen schwere Spiele an. Gegen Mannschaften, die das glatte Gegenteil sind von der unsrigen: motiviert, strukturiert, homogen, spielspaßgetrieben und gut eingestellt. (Das einzige, was bei uns eingestellt ist, ist der Spaß am Spiel.)
Es ist nicht schön anzusehen, was da gerade auf und neben dem Platz passiert. Und es tun auch immer weniger, es sich ansehen. Auch das müsste gewissen Leuten zu denken geben. Aber das scheint zu anstrengend. Lieber gibt man wieder Interviews.
Unser Vorschlag zur Güte: Gebt euch die Hand. Sprecht. Lacht. Ihr müsst nicht mal siegen. Nur Fußball spielen. Das reicht uns schon. Denn alles andere reicht uns erst recht.
Klar braucht Fußball ein Konzept. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir Konzeptfußball wollen. Wir wollen das sehen, was Fußball sein kann: ein einfach schönes Spiel. Einfach so. OK? Schön.
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