1899 Hoffenheim vs. 1. FC Nürnberg
Die 7 Todsünden
Die Meta-Ebene des Spiels
„Schon wieder.“
„Das gibt’s doch gar nicht.“
„Bereits das sechste Spiel, in dem wir mit 1:0 führen und dennoch nicht als Sieger vom Platz gehen!“
Das und noch wesentlich Emotionaleres gab es nach dem Spiel zu hören. Die Enttäuschung war groß. Verständlich. Unsere Mannschaft hatte gut eine Handvoll Chancen pro Halbzeit, den Gegner im Griff, der wiederum seinerseits nur eine pro Halbzeit hatte, und dennoch reicht es am Ende „nur“ zu einem Unentschieden. Fast schon Pawlow’sche Reaktion: Man fordert Änderungen, Maßnahmen, Verstärkung.
Es wird Zeit, dass es Weihnachten wird. Nicht, dass Dietmar den Weihnachtsmann macht und irgendeinen 2.Liga-Teenager aus Brasilien herbeischafft, der unser Mittelfeld ergänzt und unser Spiel variiert und strukturiert. Die Mannschaft braucht keine Geschenke, das Umfeld braucht Besinnung und Einkehr.
Die Mannschaft muss nicht ver-, sie muss gestärkt werden. Sie spielt gut. Sie spielt phasenweise sogar sehr gut. Nur die Ergebnisse spielen halt nicht mit. Und da steht der Fan und muss sich entscheiden, was ihm wichtiger ist: das Spiel oder das Ergebnis.
Und man muss sich selbst fragen, woher denn diese Enttäuschung rührt. Hat daran nicht eher die eigene Einstellung schuld denn die Einstellung der Mannschaft bzw. das Ergebnis? Man übernimmt sich gerne, wenn man unreflektiert (An-)Sprüche übernimmt. Und dann verlernt man, das Gute zu sehen, sondern weist auf einmal Züge an sich auf, die alles andere als gut sind.
Hochmut
„Gegen Nürnberg MUSS man gewinnen.“ – Zugegeben, die Franken zählten nicht zu unseren Angstegegnern und auch in der Tabelle stehen sie hinter uns, dennoch ist der Anspruch überheblich. Vielleicht gab es diesen Glauben nicht nur außerhalb der Mannschaft. Dass würde den Mangel an maximaler Motivation erklären.
Neid
Eine der hilfreichsten Methoden der Erkenntnis ist ja die Umkehrung. Hätten wir ohne Chance fünf Minuten vor Schluss den Ausgleich erzielt, sprächen wir womöglich von optimaler Chancenverwertung. Und dazu gab es in dieser Saison schon einige Beispiele zu unseren Gunsten, die bei dieser Liste des Lamentierens gerne übersehen wird.
Zorn
Im Fußball ist das ja die Emotion, die bedauerlichweise einen Großteil des Geschehens um das Spiel herum ausmacht. Fanausschreitungen, Blockaden von Mannschaftsbussen, Proteste der Unverantwortlich…äh…Verantwortungslos…also die, die nichts zu sagen und zu tragen haben, gegen Verantwortliche, oftmal vorgetragen in einer Weise, in der sich Eloquenz und Vehemenz diametral gegenüberstehen, scheinen fast schon zur Fußball-Folklore zu zählen. Hier scheint der Volkssport nach der bloßen Unterhaltung, der Zerstreuung, seinen volkssozialwirtschlichen Sekundärnutzen nutzen zu haben: der Kompensation eigener Frustration. Aber welcher intelligente Erwachsene kann allen Ernstes inselbegabten 20-25jährigen die Verantwortung für sein Seelenheil übertragen?
Wollust
Für wen oder was muss die Mannschaft in einem europäischen Wettbewerb spielen? Für sich selbst? Oder für das Ego derer, die an einem Donnerstag abend im Dezember gewiss nicht ins Stadion gegen, um sich das Gruppenspiel gegen den bulgarischen Vertreter anzuschauen, welche aber dann gewiss jene sein werden, die sich darüber aufregen, wenn das Sonntagspiel dann gegen einen Tabellen-15. verloren wird? Man muss sich dieses Ziel gut überlegen. Schließlich gibt es ziemlich viele Beispiele deutscher Mannschaften, die im UEFA-Cup die Saison begannen und sich am Ende derselben (fast) in Liga 2 wiederfanden.
Geiz
Nicht gerade ein Wort, das einem in Zusammenhang mit unserem Verein so ad-hoc einfällt. Aber vielleicht ist der Geiz eher im Umfeld, auf den Rängen zu suchen. Vielleicht ist es die Nähe zu den Schwaben, bekanntlich ein Stamm, der auch unter anderem für seinen pädagogischen Leitsatz bekannt ist „Nicht geschimpft, ist gelobt genug!“, vielleicht ist es einfach nur die Verwöhn-mich-Anspruchshaltung einer Zuschauerschaft, die sich jederzeit abwenden könnte, da ihr die Region doch genug andere lebenswerte Abwechslung bieten könnte, vielleicht, vielleicht, vielleicht, Tatsache ist, dass der Zuschauer der Rhein-Neckar-Arena weit weniger Unterstützer der Mannschaft ist, als vielmehr Juror.
Trägheit
Die Beweglichkeit des Körpers beginnt im Kopf. Nichts ist rege, wenn der Geist träge. Und immer nur an der Hinrunde der Premierensaison zu verharren, zeugt nicht gerade von mentaler Flexibilität. Wir spielen jetzt im 3. Jahr in der 1. Liga und haben es in der kurzen Zeit geschafft, das Image des Aufsteigers abzustreifen. Das ist ein enormer Gewinn, worauf man auch mal stolz sein kann. Und das: Stolz, ist keine Todsünde.
Völlerei
Es ist menschlich und auch gut, immer mehr, immer besser werden zu wollen. Nach den Zahlen tat das unsere Mannschaft nicht:
In der Saison 2009/10 spielte Hoffenheim am 3. Samstag im Dezember (dem 16. Spieltag) zuhause nach einer 1:0-Führung 1:1 und rutschte dadurch vom 6. auf den 7. Platz zurück. Wir hatten nach 7 Siegen, 4 Unentschieden und 5 Niederlagen 25 Punkte und eine Tordifferenz von +12.
In der Saison 2010/11 spielte Hoffenheim am 3. Samstag im Dezember (dem 16. Spieltag) zuhause nach einer 1:0-Führung 1:1 und rutschte dadurch vom 6. auf den 7. Platz zurück. Wir haben nach 6 Siegen, 6 Unentschieden und 4 Niederlagen 24 Punkte und eine Tordifferenz von +10.
Dennoch hat unsere Mannschaft diese Saison gewiss mehr Klasse und Stil als im Vorjahr. Natürlich wäre es noch schöner, wenn dann auch die Ergebnisse stimmen würden, aber langfristiger Erfolg braucht ein Fundament – und das haben wir – und darauf lässt sich aufbauen.
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