1899 Hoffenheim vs. SC Freiburg
Magie und Kausalität
Der etwas andere Zauberfußball
Es ist an der Zeit aufzuhören: das Modell Hoffenheim, Spielstärke, Kombinationsfußball, Technik, Taktik, individuelle Klasse – es war einmal.
Und das ist das Problem. Nicht an sich, aber dadurch hat die Mannschaft wie auch alle, die bei dem Verein in einer Führungsposition sind, die Messlatte selbst extrem hoch gelegt. Und wer Fußball als Eventmarke verkauft, muss auch mit den Konsequenzen rechnen: Das Eventpublikum ist sehr unzufrieden und sehr schnell sehr ungehalten – und der Kündigungstermin des Dauerkartenabos rückt näher.
0:0 trennten sich beide Mannschaften zur Halbzeit, was hoch unnötig war. Denn unsere Mannschaft hatte in Person von Ibisevic schon nach zwei Minuten eine glasklare und kurze Zeit später eine weitere sehr deutliche Torchance. Seiner Körpersprache war anzumerken, wie nah ihm das ging, was ging wiederum einem Großteil des Publikum am Sitzfleisch vorbei. Ich habe bezahlt, ich bin in einem Zirkus, man möge mich unterhalten.
Ein verständliches Ansinnen, schließlich weiß man ja, was die Mannschaft kann, man hat es ja schon einmal gesehen – und das nicht nur einmal, sondern eine ganze Hinrunde lang, wenngleich nicht in Sinsheim.
Aber an der Arena liegt es gewiss nicht. Woran aber denn? Das ist eine einfache, wie gewiss nicht leicht zu beantwortende Frage. Vielleicht stellt man sie sich nicht und sucht statt nach Erklärungen nach Schuldigen. Dabei wäre es auch hier sinnvoll, sich einfach weitere einfache Fragen zu stellen:
Fangen wir in der Abwehr an:
Warum spielt Compper, obwohl er unter Druck nicht mehr die Sicherheit hat, die ihm einst eine Einberufung zur Nationalmannschaft einbrachte? War es nur ein kurzzeitiges Hoch oder ist er nur aktuell in einem Tief? Wenn Letzteres, wer ist dafür verantwortlich, dass er da rauskommt? Und warum spielt er trotzdem, zumal es ja eine personell Alternative gäbe?
Mittelfeld:
Warum spielt Eduardo so anders, wenn er für sein Land spielt? Bekommt er dort mehr Bälle oder mehr Zuspruch? (Wer ist dafür verantwortlich? – Und wem jetzt nichts weiter einfällt als das Stammtischstakkato vom gutbezahlten Profi, der sich gefälligst den Hintern aufzureißen habe, der möge sich vorstellen, er wäre im brasilianischen Hinterland und würde wo arbeiten, wo man von ihm erwartet, mit Menschen zusammenzuarbeiten, deren Sprache er nicht spricht und noch schlechter versteht als die des Chefs. Dennoch erwarten alle von ihm Top-Ergebnisse. Nur sich vorstellen …) Und trotzdem war er wieder der Spieler mit den meisten Schüssen und Torschussvorlagen …
Warum spielt Maicosuel seit geraumer Zeit wenig mit seinen Mannschaftskameraden, sondern versucht abschlussfrei durch Soli zu glänzen? (Wer ist dafür verantwortlich?) Und wo war seine taktische Position diesmal? Gibt es dafür einen Namen? Eine offensive Sechs als hängende Spitze?
Warum spielt Salihovic? (Wer ist dafür verantwortlich?) Ein Mann, der zwar Ecken und Freistöße treten kann, aber mehr für die Galerie, denn für die Gefahr vor des Gegners Tor, wenn der Ball überhaupt soweit kommt. (Wer ist dafür verantwortlich?) Meistens bleibt er in der Mauer des Gegners hängen, wobei der Ball dann immerhin einen Akteur auf dem Platz erreicht hat, was so selbstverständlich nicht ist. Er muss ein komplett anderer im Training sein. Auf dem Platz erinnert er an die „Kinki-Kicker“ der Jugend, die primär durch Theatralik auffielen, damit man eben dem letzten Aufriss aus der Dorfdisko zeigen kann, wie engagiert man ist und auch keine Angst vor dem Schiri hat – und das ist wirklich der einzige Zweikampf, den er nicht scheut, aber, wie die meisten, verliert er auch den.
Warum spricht keiner mit Gustavo? (Wer ist dafür verantwortlich?) Jetzt einmal davon abgesehen, dass die Mannschaft ohnehin sehr wenig miteinander auf dem Platz spricht, muss doch zumindest eine Art Not-Laut geben, wenn sich ein Gegenspieler von hinten nähert. Gab es nicht, dafür einen Fehlpass, viel Verwirrung, einen unglückliche Torwartabwehr und das Gegentor.
Sturm:
Ibisevic hat in der Saison bereits neun Tore für Hoffenheim erzielt. Er ist damit in der laufenden Saison der Rekordtorschütze der Mannschaft. Als bekannt wurde, dass er zur zweiten Halbzeit nicht wiederkommt, gab es Applaus. Ein solches Verhalten ist schon sehr befremdlich, andererseits aber natürlich auch Ausdruck der Geister, die man rief – Hauptsache, sie sind zahlreich und zahlkräftig.
Der für ihn eingewechselte Prince Tagoe agierte noch unglücklicher, was aber nicht durch alexikalische Akustik kommentiert wurde.
Dass es doch nicht die dritte 0:1-Heimniederlage in Folge wurde, verdanken wir dem Mann, der gar keine andere Wahl hatte, als das Tor zu machen, schließlich war es, der in den insgesamt 92 Spielminuten auf sagenhafte 107 Ballkontakte brachte: Simunic.
107 Ballkontakte – und das als „letzter Mann“. Diese Zahl zeigt entweder, dass der Gegner Raum und Mann sagenhaft gut deckte. Oder aber, wie wenig Bewegung in unserem Spiel war. (Wer ist dafür verantwortlich?)
Letzte Saison war die Balleroberung das Signal auszuschwärmen. Der ballführende Spieler hatte immer mindestens zwei Anspielmöglichkeiten. Bei diesem Spiel war der ballführende Spieler die ärmste Sau – und, wie gesagt, Josip Simunic war sehr, sehr oft am Ball.
Im Grunde landete jeder Abwurf, jeder Abschlag von Hildebrand, ganz gleich, wie weit oder wohin er warf oder schoss nach spätestens drei Ballberührungen bei unserem Abwehrchef, der einem dann erst recht richtig Leid tun konnte, denn sobald er den Ball annahm und dafür für einen Sekundenruchteil seinen Blick senkte und zum Spielgerät hin wandte, um es sicher unter Kontrolle zu bekommen, fand eine ganz besondere Form der Magie statt.
Denn sobald der wieder aufblickte war der einzige Mitspieler, den er noch sehen konnte, Hildebrand. Alle anderen verschwanden hinter ihren Gegenspielern. So ist es dann natürlich auch nicht möglich, ein Spiel sicher aufzubauen. So bleibt ja nur der lange Ball oder eben ein Solo. Beides risikobehaftet, aber einmal ging es ja doch gut und der Ball seit langer, langer Zeit wieder ins Tor des Gegners.
Jetzt sind es noch sechs Punkte, um jene 40 Punkte zu haben, die einen sicher vor dem Abstieg retten. Das ist leider jetzt leider doch noch ein Thema für den sportlichen Bereich. Und die Zukunft wird zeigen, ob es wirtschaftlich bergab geht. Das Spiel der Mannschaft zur Zeit ist in ihrer aktuellen Konstellation unter der derzeitigen Führung nicht attraktiv – weder für Zuschauer noch für Sponsoren.
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