1. FSV Mainz 05 vs. 1899 Hoffenheim
Falsch gepolt?
Eine Mannschaft ohne Anziehungskraft
Sepp Herberger gilt nicht nur als Trainerlegende. Auch dank seiner Zitate erlangte er den Ruf einer Konifer… Korüff… eines wahren Philosophen.
Merkmal all seiner Aperçus war die rigorose Reduktion der Komplexität von Materie – und nicht nur philosophisch, sondern vor allem physikalisch gebildete Menschen wissen, was aus so etwas resultieren kann: Sprengkraft.
Diese ist heute aber weitestgehend verpufft. Zu sehr haben sich relevante Parameter geändert, so dass Herberger nur noch für Nostalgikerinnen und Nostalgiker als Hegel des Fußballs taugt, auch wenn Letzterer so manchem Hoffenheimer Forenfan zu denken geben dürfte, wie diese Handvoll Zitate belegen dürften – und das sind die leicht verständlichen:
- „Eigensinn ist die Parodie des Charakters.“
- „Der Weg des Geistes ist der Umweg.“
- „Ein freier Mensch ist nicht neidisch.“
- „Der Widerspruch ist das Erheben der Vernunft über die Beschränkungen des Verstandes.“
- „Die Ungeduld verlangt das Unmögliche, nämlich die Erreichung des Ziels ohne die Mittel.“
Schon fett, ne? Im Gegensatz zu Herberger. Der war ein schlanker Mann, was man auch hören kann – legt man Hegels „Die Sprache ist der Leib des Denkens.“ zugrunde, siehe/lies:
- „Fußball ist das Theater des kleinen Mannes.“
- „Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht.“
- „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“
- „Der Ball ist rund.“
- „Das Spiel dauert 90 Minuten.“
Was davon stimmt denn noch?
- Stimmt nicht mehr, was nicht nur an dem immer größer werdenden Frauenanteil derer liegt, die sich für Fußball interessieren – oder der Zunahme der Körperlänge des Menschen in den letzten Jahrzehnten, sondern schlicht am Geld.
Natürlich meinte Herberger mit dem „kleinen Mann“ den wirtschaftlich schlechter gestellten und gegebenenfalls der (Hoch-)Kultur gegenüber weniger aufgeschlosseneren Mitmenschen, aber die unmittelbare Partizipation am Fußball ist ihm, dem „kleinen Mann“ – ganz gleich, ob im Stadion oder den Medien –mit „kleinem Geld“ nicht mehr möglich. Und eine Förderung aus Steuermitteln gibt es für Fußball auch nicht. - Das ist zumindest fragwürdig, denn heutzutage liegt der Reiz nur noch insofern im Ausgang des Ungewissen, als dass der Grad der Erfüllung der Erwartung variieren darf/kann. Der Erfüllung an sich ist manifest.
- Stimmt nicht mehr. Heute ist nach dem Spiel erstmal Interview.
- Stimmte noch nie. Ein Fußball ist eine Abstraktion, bei der gewölbte Flächen ineinandergreifen und von daher nicht rund sein kann. Das war schon damals so zu seinen Zeiten, und so war das auch beim WM-Ball von Katar)
- Stimmt schon lange nicht mehr. Meist geht es länger wegen der Nachspielzeit, wobei es da beim DFB sogar noch einen Unterschied gibt zwischen „verlorener“ Zeit, wie Auswechslungen, Verletzungsbehandlungen etc.), die nachgespielt werden müssen, sowie „vergeudeter“ Zeit, also Zeitspiel.Es gibt allerdings Ausnahmen, bei denen das Spiel ebenfalls keine 90 Minuten dauert(e):
-
- der „Ahlenfelder“, der gerade seinen 49. Geburtstag feierte. (Hintergrund)
- die TSG Hoffenheim 2024/25
Hä? Falsch gepolt?
Nein!
Wie bereits am Donnerstag war das Spiel im Grunde nach drei Minuten beendet. Wieder fiel nach weniger als 180 Sekunden nach Anpfiff das erste Tor für den Gegner – und wir erst aus allen Wolken und dann die Mannschaft auseinander.
Was am Donnerstag aber aufgrund der Systemumstellung und fünf neuer Spieler in der Startelf sowie eben psychologisch aufgrund des Baumann-Bocks halbwegs nachvollziehbar war, warf diesmal aber Fragen auf – vor allem die, ob die Mannschaft überhaupt ineinander war, also ein Ganzes.
„Das Wahre ist das Ganze.“ sagt Herb…äh…Hegel – und das, was die TSG da heute spielte war wahrlich nicht das Wahre. Darüber, also Hegels Satz, lässt sich trefflich reflektieren, aber wir wollen lieber das Thema anders das tun, was der Mannschaft mit ihrem Spiel nicht gelang: es vertiefen. (Har, har) – und das weniger philosophisch als physikalisch – von wegen rigoroser Reduktion der Komplexität von Materie. Diese gelang nämlich zu keinem Zeitpunkt, und folglich entwickelte die Mannschaft in ihrem Spiel auch keinerlei Sprengkraft.
Als Schicker antrat, war das auch nicht sein primäres Ziel. Er wollte vor allem die Anziehungskraft erhöhen. Das war ein gutes und nachvollziehbares Ansinnen, zumal es – rein physikalisch gesehen – auch einfach schien: eine negative Grundhaltung im Umfeld sowie ein positive auf dem Spielfeld = BÄÄM! (Zauberwort: Magnetismus)
Soziologisch ist es wieder etwas anderes. Da konkurrieren ja zwei Attitüden. Zum einen gibt es da die auf dem Magnetismus basierende Aussage, „Gegensätze ziehen sich an.“, zum anderen jenes „Gleich und gleich gesellt sich gern.“, wobei es hier derart viele Parameter gibt (Herkunft, Bildung, Alter etc.), dass sich hierzu keine eindeutige Aussage treffen lässt. (s. empirische Untersuchung anhand des SESKI-Datensatzes (Studie zur Ehequalität unter Berücksichtigung der Sozial- und Familienstruktur, des Konfliktpotentials und des Interaktionsverhaltens))
Zur Umsetzung dessen holte er nun seinen alten Weggefährten Ilzer, mit dem das in der Vergangenheit ja bereits funktionierte. Aber es hängt halt vom Material ab. Wobei … im Grunde sind alle Materialien magnetisch bzw. magnetisierbar. Aber es ist halt unterschiedlich leicht bzw. schwer, weswegen wir in der Schule lernen, dass Eisen (Stahl), Nickel, Kobalt stark magnetisierbar sind – im Gegensatz zu (z. B.) Glas, Holz, Plastik.
Um einen Gegenstand zu magnetisieren, muss man die Elementarmagnete in diesem ausrichten, indem man mit einem Magneten mehrere Male in die gleiche Richtung über den Gegenstand streicht.
Durch Erhitzen oder Erschüttern kann ein Gegenstand entmagnetisiert werden. Beim Erhitzen passiert dies, weil die Elementarmagnete im Magneten durch die Wärme in Unordnung gebracht werden – und im Grunde verhält es sich auch beim Erschüttern so, denn durch eine Erschütterung wird ebenfalls Energie in einen Gegenstand eingebracht. Diese Energie durch das Erschüttern sorgt ebenfalls dafür, dass die Elementarmagnete in Unordnung geraten und so der Gegenstand entmagnetisiert wird.
Die Erschütterung in Mainz erfolgte halt sehr frühzeitig und offensichtlich war die Magnetisierung im Vorfeld nicht stark genug, um die Elementarmagnete stabil zu halten.
Im Nachspiel-Interview beklagte dies auch Anton Stach, der ja zum Ausdruck brachte, dass wohl nicht alle Mitspieler auf Linie waren.
Man konnte aber auch – rein physikalisch gesehen – den Eindruck gewinnen, dass der Ball nicht oder falsch gepolt war. Das zumindest würde erklären, warum er partout nicht in unseren Reihen bleiben wollte.
Ja, geneigte/r Leser/in, du hast Recht: Es ist eine nur bedingt lustige Erklärung für die Leistung der Mannschaft, aber irgendeine Erklärung muss es ja geben, warum wir erneut keine Spannung aufbauen konnten bzw. es einen solchen Spannungsabfall nach dem Gegentor gab.
In den ersten Sekunden gingen wir ja noch drauf und auch die erste Chance der Gastgeber überstanden wir noch unbeschadet, aber nachdem es nach ihrer zweiten Chance das ersten Mal in unserem Kasten klingelte, was das Ding dong, also gelaufen.
Immerhin dauerte es diesmal länger bis zum 0:2 – eine wochentagsgemäße Granate in den Winkel –, aber in der Zwischenzeit konnten wir keinerlei Energie entgegensetzen, Spannung oder gar Anziehungskraft aufbauen. Die gewünschte Reduktion von Komplexität durch konsequentes Vertikalspiel war zwar erkennbar, aber, um es mal weniger hegelianisch auszudrücken, man kann halt nur Tore schießen, wenn man aufs Tor schießt – und das tat die TSG in der ersten Halbzeit nur ein Mal durch Stach. In der 2. Halbzeit gar nicht. Nur Nsoki köpfte einmal aufs Tor der Hausherren, aber da waren die 90 Minuten fast schon rum.
12 Spiele, Platz 14 – und erstmal keine Chance selbst mit einem Sieg im nächsten Ligaspiel sich groß in der Tabelle verbessern zu können. Drei Punkte beträgt der Rückstand auf Platz 13. Dafür beträgt der Vorsprung auf Platz 16 nur zwei Zähler. Also noch mehr Spiele und Ergebnisse dieser Art sollten und können wir uns nicht leisten.
Und auch keine Experimente. Die halbe Mannschaft unter der Woche zu schonen, hat sich nicht ausgezahlt. Also wäre es vielleicht ratsamer, dieselbe Elf am Mittwoch im Pokal antreten zu lassen. Auf dass sie sich einspielt. Wie gesagt: Man muss mit einem Magneten mehrere Male über einen Gegenstand in die gleiche Richtung streichen, um ihn zu magnetisieren.
Aber dazu braucht es halt vor allem … einen Magneten. 🙂
Und da gibt es Dauer- bzw. Permanentmagnete, also Ferrit-Magnete (aus Eisen), AlNiCo-Magnete (aus Aluminium, Nickel, Cobalt), SMCO-Magnete (aus Samarium und Kobalt) sowie Neodym-Magnete (aus Neodym, Eisen und Bor), die aber alle industriell hergestellt werden und nur dann funktionieren, wenn die Mischung perfekt stimmt. Auf Basis von Neodym, eine Art der sogenannten „seltenen Erden“, gibt es auch Supermagnete, die je nach Größe enorme Kräfte haben. Aber die sind eben selten.
Was wir nicht wollen, ist ein Elektromagnet, da der nur dann seine Anziehungskraft entfaltet, wenn Strom durch ihn fließt. (vgl. Erfolgsfan).
Also bleiben wir bescheiden: Uns würde ein Ilzer als Magnetitstein genügen. Der setzt sich aus abgekühlter eisenhaltiger Lava und Stickstoff zusammen (also der Magnetit) und ist damit von Natur aus magnetisch – im Grunde wie wir (Alt-Hegelianer).
Wir vereinen das Positive wie das Negative – These und Antithese –, stoßen ab und ziehen an – gleichzeitig, weil … richtig gepolt. Und noch ‘n Pluspunkt: nicht leicht zu erhitzen und erst recht nicht zu erschüttern.
Weiter T S Geht’s …
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