Schalke 04 vs. 1899 Hoffenheim
Agonie & Theologie
Die Relativität von Fakten
Agonie (agonía (gr.): „Qual“, „Kampf“) bezeichnet einen länger andauernden Todeskampf, die Reihe von Erscheinungen, welche, das allmähliche Erlöschen der Nerventätigkeit anzeigend, dem Eintritt des Todes unmittelbar vorausgehen. (…) Anzeichen sind: Unruhe, Beklemmung, Krämpfe, Irrereden (…) Die Erscheinungen der Agonie gestalten sich unterschiedlich und können sich von wenigen Minuten bis hin zu mehreren Stunden erstrecken. (…) Die Zeitphase vor dem Tod kann lethargisch-kraftlos oder aggressiv sein.
(wikipedia)
0:2.
Es war das vierte Spiel in Folge, das unsere Mannschaft in der Bundesliga verlor, und das dritte hintereinander, bei dem wir keinen gültigen Treffer erzielten.
Gründe wurden gesucht – und gefunden. Aus dem rhetorischen Versatzbaukasten wurden gezogen:
„zu ersetzende Stammspieler“
„fehlender zweiter Anzug“
„fehlendes Selbstvertrauen“
Nichts davon ist von der Hand zu weisen. Alles ist richtig. An sich. Aber als Grund für die Art und Weise, wie wir spielen? Es ist ja nicht so, dass es ausschließlich an dem wirklich harten Rundenstart liegt. Drei Gegner eines solchen Kalibers hintereinander hat kein anderer Verein wegzustecken. Und das am Anfang einer Runde, das ist gerade für junge Spieler in der Tat gewiss nicht leicht. Aber andererseits müsste es eine Herausforderung sein, die Kräfte freisetzt.
Aber über genau die scheint die Mannschaft nicht zu verfügen. Die Fitness entspricht so gar nicht mehr dem, was man früher von Rangnicks Recken kannte. Und das scheint nicht das einzige zu sein, was im System Rangnick nicht so richtig rund läuft.
Zwar spielte die Mannschaft auch diesmal phasenweise ganz ansehnlich. Aber halt harmlos und in allem, was man im weiteren Umfeld zum Aspekt „Torabschluss“ zählen könnte, auch in diesem Spiel unfassbar unkonzentriert. Und wenn es konditionell nicht stimmt und auch die technische Seite die Aura des Optimum nicht einmal annäherend streift, dann muss man sagen, sind wir mit Platz 9 noch gut bedient.
Der Fan ist das schon lange. So wird entsprechend unter den Fans in den Foren die Fragen aller Fragen gestellt – und es wird kritisiert, was noch vor kurzem absolut undenkbar war.
Nein, an Herrn Hopp lässt man nichts (zurecht) kommen. Kritik an Dietmar Hopp? Das würde im Umfeld der RheiNeckArena so empfunden, als würde man Gottes Eltern beleidigen.
Neinnein. Es geht um den Trainer: Erreicht er noch die Spieler? Und das nicht nur telefonisch? Passt er sie in sein Konzept oder passt er sein Konzept ihnen und ihren Möglichkeiten an? Seine Körpersprache war auch schon motivierender. Meist sitzt er da – und schaut. Das ist ein passives Verhalten. Ob das den Aktiven hilft? Haben sie überhaupt den Spaß, den sie brauchen, um die Leistung zu bringen, die sie könnten. Von einer Blockade im Kopf ist die Rede. Es gibt nicht wenige, die würden sie woanders vermuten.
Und wie es halt in solchen Situationen ist, entwickelt sich der Magnetismus der Missgeschicke, formvollendet formuliert in der Wegmann-Weisheit („Erst hatten wir kein Glück. Und dann kam noch das Pech dazu.“), der besonders in seiner Umkehrung deutlich verifiziert: Wir hatten mehr Torschüsse und mehr Ballesitz, der Gegner am Ende die Punkte, weil die Tore – und das aus fast keiner Chance zwei Tore.
Und ie waren wie bereits letzte Woche auch äußerst unglücklich in ihrer Entsteung. Bei fast allen war ein Abpraller dabei oder der Ball wurde abgefälscht, das mutet schon als Beweis für das Brehm’sche Theorem der Pedes-Exkrement-Relation an. („Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß!“) Dazu noch ein nichtgegebener Elfmeter. Da passt gerade so ziemlich alles zusammen, was einem Fan nicht passen kann.
Und sogar die Redaktion der Hoffenheimer Internetseite scheint so langsam in Agonie zu verfallen, zumindest ist sie nicht frei von Glaubenszweifel:
Am kommenden Wochenende braucht die Rangnick-Elf nun unbedingt einen Sieg, um den unteren Tabellenregionen nicht noch näher zu kommen.
Das klingt doch sehr distanziert für ein vereinseigenes Medium. Da hätte man doch eher erwartet, dass man sich darauf konzentriert zu erwähnen, dass man nun mit großen personellen Schwierigkeiten gegen die ersten drei Mannschaften der Liga gespielt hat – und man nun hofft, mit den Rückkehrern vom Afrika-Cup und den Genesenen und wieder Spielberechtigten wieder zu alter Stärke zurückzufinden. Oder so …
Aber auch hier Druck aufzubauen („unbedingt“), scheint … nun: psychologisch überraschend. Wenngleich es natürlich stimmt. Aber: Wäre die katholische Kirche die Institution, die sie heute ist, hätte sie sich intern ausschließlich auf das konzentriert, was wirklich und wissenschaftlich nachweislich wahr ist?
Der Fan wankt in seinem Glauben, aber er wird nicht fallen. Auch nächste Woche wird er wieder (Geld-) Opfer bringen, um ihn milde und gnädig zu stimmen für die eigene Sache. Er braucht ein Zeichen. Am besten mehrere – und das wäre, wenn es endlich wieder mal nur in des Gegners Kasten klingelt. Und haben auch wieder die seinen Segen, die inzwischen längst in Ungnade gefallen sind. Und das sind nicht die Spieler …
Amen.
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