VfB Stuttgart vs. 1899 Hoffenheim
Symptome und Syndrome
Wie krank ist die TSG?
Immer mehr Menschen leiden unter Bluthochdruck.
Nach Angaben der Hochdruckliga hat etwa ein Viertel der Weltbevölkerung einen zu hohen Blutdruck. Bis 2025 rechnet sie damit, dass dieser Wert auf 29% ansteigt. Das wäre 1,5 Milliarden Menschen.
Als Ursachen für die Hypertonie gibt der BDI (NICHT: Bundesverband der Industrie, sondern der Bundesverband Deutscher Internistinnen und Internisten) ein zu hoher Body-Mass-Index, zu wenig körperliche Bewegung, erhöhter Kochsalz- und Alkoholkonsum, Rauchen, Stress über längere Zeit sowie zwei Syndrome an: das Schlafapnoe-Syndrom sowie das metabolische Syndrom.
Spiele der TSG wie das gestrige gegen den VfB Stuttgart haben es also nicht in diese Liste geschafft.
Das Interessante daran ist, dass man eine Vorstellung hat, was es bedeutet. So spricht man vom Schlafapnoe-Syndrom, „wenn es während des Schlafens zu Atempausen (Apnoe) kommt. Diese Atemaussetzer treten sehr zahlreich auf und führen zu einem kurzen Unterbruch des Schlafes.
Betroffene merken davon selber meist nichts, leiden aber infolge des gestörten Schlafes an einer ausgeprägten Tagesmüdigkeit.“ (Quelle) bzw. vom metabolischen Syndrom, „wenn verschiedene Risikofaktoren für eine Herzkreislauferkrankung zusammenkommen. Dazu gehören ein erhöhter Bauchumfang (zu viel Bauchfett), erhöhte Blutzuckerwerte, erhöhter Blutdruck und erhöhte Cholesterinwerte.“ (Quelle)
Das leuchtet ein und kommt einem bekannt vor. Was dabei aber überhaupt nicht geklärt ist, ist das Wort „Syndrom“. Was ist das eigentlich? Wikipedia sagt dazu:
Ein Syndrom bezeichnet in der Medizin und der Psychologie eine Kombination von verschiedenen Krankheitszeichen (Symptomen), die typischerweise gleichzeitig und gemeinsam auftreten. (…) Die Bezeichnung als Syndrom geschieht dabei zunächst rein beschreibend: Sie lässt ganz offen, ob es sich um Krankheitserscheinungen handelt, die ursächlich oder pathologisch-anatomisch miteinander verbunden sind, und ist unabhängig davon. Manchmal ist im klinischen Alltag die sichere Diagnose einer konkret vorliegenden Symptomatik nicht möglich. Dann wird oft von einem „Syndrom“ gesprochen, um anzudeuten, dass zumindest eine grobe, vorläufige diagnostische Zuordnung versucht wird.“
Keine Überraschung? Oder gar Enttäuschung?
Das Spiel war es auf jeden Fall, auch wenn es bis zur 17. Minute nur Ersteres war, denn endlich einmal verschlief unser Team den Anfang nicht. Sie war präsent und auch dominant. Der Ball lief gut und recht sicher in den eigenen Reihen, obwohl es uns auch da schon nicht gelang, unsere Flügel in Szene zu setzen. Doch das fehlende Flügelspiel wurde mehr als wettgemacht durch ein sehr gefälliges Mittelfeldspiel und teilweise schöne Einzelaktionen – wie eben jene von Bebou, der der verdiente und krönende Abschluss verwehrt blieb. Sein Ball krachte nur an die Latte – und da sogar eher an deren unteren Bereich.
Nein, die Definitionen. Findest du, geneigte/r Leser/in, sie nicht sehr, sehr bemerkenswert? Nicht? Könnte es vielleicht daran liegen, dass du zu schnell gelesen hast?
Also bei dem Schlafapnoe-Syndrom merken die Betroffenen davon „selber meist nichts“ (!), leiden (?) aber infolge des gestörten Schlafes an einer ausgeprägten (?) Tagesmüdigkeit.“ Der Umkehrschluss: Wer tagsüber oft sehr müde ist, hat Schlafapnoe. Das lässt sich locker behaupten, da man von den Atempausen ja nichts mitbekommt. Also ist es nicht ausgeschlossen, das man sie hat. Es sind aber auch viele andere Ursache für einen gestörten Schlaf möglich. Deshalb heißt es ja auch nur Syndrom, denn ein Syndrom steht ja auch für die Unmöglichkeit einer sicheren Diagnose im klinischen Alltag, d. h. die Mediziner wissen nicht, woran was liegt, aber es könnte das sein. Aber halt auch was anderes.
Beim metabolischen Syndrom ist es ähnlich. Wenn die vier Bereiche erhöht sind, erhöht das bestenfalls die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der Diagnose, aber mehr auch nicht. Es ist nur ein Wort, das medizinisch und kompetent klingt. (vgl.
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- „Amortisationstherapie“ (also die Behandlung, bei der die Klinik/die Praxis am meisten mitverdient)
- „maligne Bradiphrenie“/„extraorbitalinfraluminiert“ (dumm)
- „ideopathische Störung“ (wenn der Weißkittel nicht weiß, was es ist).
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Heutzutage gibt es immer weniger Krankheiten. Es gibt aber immer mehr Syndrome, die es dann, obwohl ja an sich wertfrei, dank „Disease Mongering“ schaffen, als Krankheiten angesehen zu werden. Dazu zählen das Burnout-Syndrom, das Restless Leg Syndrome, ADHS sowie das „Sissi-Syndrom“.
Nun bestreitet ja niemand, dass es all das gibt. Oder schon immer gab. Nur nahm man es halt anders wahr („völlig am Arsch“, „Zappelbein“, „wild“, „Prinzessinnengetue“) und die Frage ist einfach, wie gesundheitsgefährdend ist es wirklich.
„Neben wirtschaftlichen oder narzisstischen ärztlichen und pekuniären pharmazeutischen Interessen spielt hier offensichtlich das Bedürfnis oder zumindest die Bereitschaft vieler Menschen eine Rolle, lieber „unverschuldet“ in eine Krankenrolle zu geraten, als aus anderen Gründen als dysfunktional zu gelten. Die diffusen Diagnosen exkulpieren die Betroffenen. Sie sind nicht mehr nur einfach so müde, faul, leistungsschwach, unkonzentriert, verstimmt oder nur alt, sondern weil sie als krank erklärt werden. Dies aber passt gut in die Tendenz unserer Zeit, in der „dysfunktionale“ Züge nicht gerne ins gesellschaftliche Gesamtbild integriert, sondern pathologisiert mit medizinisch-therapeutischer Zuwendung „belohnt“ werden,“ wie Dr. med. Dirk Arenz im Deutschen Ärzteblatt schreibt. Und wir alle kennen zumindest Allgemeinmediziner, die privat gerne einräumen, dass mindestens 80% ihrer Klientel sich am einfachsten nur mal zwei, drei Tage ins Bett legen und nichts machen sollte, aber das nicht akzeptieren, sondern statt dessen darauf bestehen, den Praxisbesuch mit einem Rezept mit mindestens drei Medikamenten drauf zu beenden. Sie wollen „krank“ sein – und nicht selten auch –geschrieben werden.
Dieses „Disease Mongering“ macht es möglich. Es gibt diese Krankheiten und für die, die sie haben, sind sie auch schlimm. Aber es sind keine wirklich relevanten, für die Pharmaindustrie wirtschaftlich interessanten Mengen. Dafür gibt es eben diese Methode.
Sie erweitert nämlich enorm „die Grenzen dessen, was im öffentlichen Bewusstsein als behandlungsbedürftige und behandelbare Krankheit wahrgenommen wird, um den Markt für diejenigen zu vergrößern, die eine Behandlung verkaufen.“ (Dr. med. Gisela Schott, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft / Wissenschaftlicher Fachausschuss der Bundesärztekammer)
Oder, wie die Süddeutsche Zeitung „diagnostiziert“:
„Einer therapiesüchtigen Gesellschaft bietet eine boomende Befindlichkeitsindustrie Leiden und Leidensablass für jede Lebenslage. (…) Unterschiede in der Entwicklung und Schwankungen der Leistung werden plötzlich als pathologisch definiert. (…) Was früher als normal galt, wird von der Medizin neuerdings für abweichend und behandlungsbedürftig erklärt.“ Es ist (s. o.) eine Win-Win-Situation.
Das erklärt auch die enorme Zunahme an Menschen mit Bluthochdruck. Man muss nur die Normwerte verändern.
Bis in die 80er-Jahre galt ein Grenzwert von 160/100 mmHg; die meisten Ärzte sahen allerdings bei ihren Patienten in der Regel die Formel „100 plus Lebensalter“ für den oberen (systolischen) Blutwert als akzeptabel an.
Ein 70-Jähriger galt somit auch mit einem oberen Wert von 170 mmHg als gesund. Heute würde er als Hochdruck-Patient, also Hypertoniker, eingestuft und müsste Medikamente nehmen. Denn 1983 legte die Weltgesundheitsorganisation WHO diesen Grenzwert auf 140/90 mmHg fest. Gemäß US-Richtlinien sind allerdings Menschen mit einem oberen Blutdruck von 120 mmHg schon im „Frühstadium“. So wurden 45 Millionen Amerikaner plötzlich „Prä-Hypertoniker“. (Quelle)
Die TSG hat gestern, so der allgemeine Tenor, zum gewissen Teil schön, aber größtenteils einen schönen Scheiß gespielt. Aber stimmt das denn? Schauen wir uns die Werte an:
- Wir gaben 13 Torschüsse ab (VfB: 14) – und lagen damit über unserem bisherigen Schnitt von 12.
- In puncto Laufleistung lagen wir ebenfalls nur knapp hinter dem VfB (113,18 km :113,64 km), aber damit rund einen Kilometer unter unserem Durchschnittswert in dieser Saison (114,51 km).
- Dafür waren wir in den Bereichen gespielte Pässe, Passquote, gewonnene Zweikämpfe und Ballbesitz deutlich besser als der VfB.
Über die ganze Saison bisher gesehen sind wir auch Ligaspitze:
- Platz 1: Alutreffer
- Platz 2: Flanken aus dem Spiel / Sprints / intensive Läufe
- Platz 3: Ballbesitz
- Platz 4: Laufdistanz
- Platz 5: Tore
Das Problem ist nur, dass wir (damit mit Ach und Krach) auf Platz 11 in der Tabelle stehen. Das hat früher zwar auch niemanden gefreut, aber auch nicht wirklich so wahnsinnig gemacht, dass man eine histrionische Persönlichkeitsstörung (HPS) hätte diagnostizieren können.
Inzwischen kann man insbesondere in den einschlägigen Fan-Foren diese Form der Persönlichkeitsstörung zuhauf feststellen, die sich durch egozentrisches, dramatisch-theatralisches, manipulatives und extravertiertes Verhalten ausdrückt. Typisch sind extremes Streben nach Beachtung, übertriebene Emotionalität und eine Inszenierung sozialer Interaktion, wie sie das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information nach ICD-10-WHO Version 2019 (F60.4) definiert.
Nach den Nagelsmann-Jahren haben sich die Werte, genauer: die Erwartungswerte auf Fanseite verschoben – sowohl in puncto Spielweise, Punkteausbeute, Tabellenplatz aber halt auch Trainerpersönlichkeit. Entsprechend bringen sie ihre Forderungen, die sich eben nicht auf Daten und Fakten in Gänze stützen, sondern auf Eindrücke, zum Ausdruck. Und gerne eben nach so einem Kick.
Und bar jeder Vorstellung, was denn passieren würde, würde man diesem, ihrem Begehren nachgeben. Freie Trainer wären Dirk Schuster, Mirko Slomka, Bruno Labbadia, Manuel Baum, Daniel Thioune, Florian Kohfeldt, Heiko Herrlich sowie ein gewisser Markus Gisdol und nicht zu vergessen: Domenico Tedesco, Jürgen Klinsmann, Jogi Löw. Will die wirklich wer? Und was, wenn dieser Trainer dieser Mannschaft nicht das Kicken so beibringen kann, wie es wohl Nagelsmann gelang?
Didi Hamann ist nun nicht als Psychologe bekannt. In seinem Nachspiel-Kommentar zum gestrigen Spiel „analysierte“ oder „diagnostizierte“ er ein anderes Symptom: das Wohlfühlumfeld in Hoffenheim. Dies sei ursächlich für die fehlende Spieleinstellung der Protagonisten.
Das kann stimmen. Immerhin haben wir mit Prof. Mayer einen Psychologen in der Geschäftsführung. Er könnte ja mal der Frage, ob es in Hoffenheim so etwas wie ein LPR-LHS („Leistungspotenzialreduktion durch Lethargie-Harmonie-Syndrom“) gibt, nach- und im Falle eines positiven Befunds auch dagegen vorgehen.
Aber es sind Zweifel angebracht. Ja, dass Vereine wie Fürth und Augsburg ganz unten in der Tabelle stehen, könnte dafür sprechen, aber was war mit dem HSV, Schalke 04, Werder Bremen oder den anderen Traditionsvereinen, die es nach einer oder mehreren Ehrenrunden in der 2. Liga jetzt wieder ins Oberhaus geschafft haben – wie dem 1. FC Köln, Eintracht Frankfurt oder eben dem gestrigen Gegner? Diese sind definitiv nicht bekannt für ein „Wohlfühlumfeld“.
Aber natürlich muss es einen Grund dafür geben, dass wir so schwankend spielen, dass es uns in dieser Saison nicht gelingt, zwei Spiele hintereinander bzw. ein Spiel von An- bis Abpfiff auf konstant hohem Niveau zu spielen bzw. einfache Fehler zu vermeiden.
- Das 1:0 fiel nach einer Ecke. Ein Kopfball. Am Fünfmeterraum. Und der Torschütze musste nicht einmal springen.
- Dem 2:0 ging ein maximal unnötiger Ballverlust im Mittelfeld voraus. Der Treffer war das Ende eines Sololaufs mit inkl. Begleitservice.
- Beim 3:0 durfte der Stürmer auch einfach mal allein in Richtung Sechzehner und von da dann ungestört aufs, äh: ins Tor schießen.
Ansonsten hatte der VfB keine wirklich nennenswerte Chancen, während wir zwei Mal hintereinander den Kopf im Fünfmeterraum nicht hinter den Ball bringen, obwohl uns daran kein Gegenspieler hindert. Dass wir dennoch ein Tor erzielten, war natürlich so schön wie glücklich. Aber warum wir dann in den verbleibenden Minuten (gefühlt) mehr Rückpässe spielten als Bälle in die Spitze, erschloss sich niemandem.
Schlafapnoe? Oder war es dem Team genug, trotz der Niederlage tabellarisch vor dem VfB zu bleiben? Das kann ja wohl nicht sein, weil so auch wohl kaum bleiben wird.
Zwar ist jetzt Länderspielpause, aber wir müssen freitags ran(, während Skov am Dienstag davor noch gegen Posch, Grillitsch und Baumgartner spielt). Gegen Köln, wohl die Mannschaft der Stunde. Dann kommen die Bayern. Und dann Kiel, mit dem bisherigen TSG-Jugend-, ihrem neuen Cheftrainer Marcel Rapp. Und dann Hertha, wo es ja auch nicht wunder täte, säße bei ihnen wer anders auf dem Cheftrainerstuhl. Und sollte das daneben gehen …
Aber wir wollen im Hier und Jetzt bleiben. Noch ist nichts verloren, was die gesamte Spielzeit angeht. Außerdem, wenn wir schon nach vorne schauen wollen, spielen wir erstens ja immer dann am besten, wenn es keiner erwartet. Zweitens stellte bei der gestrigen Hauptversammlung des e. V. Dietmar Hopp seine Ideen zur Zukunft der TSG vor, „die darauf abzielen, dauerhaft Platz 6 und besser zu belegen.“ (Quelle)
Stand jetzt sieht das nach Fernschuss aus. 🙂
Aber daran erkennt man, dass es im Verein noch Menschen gibt, die noch Ambitionen haben, hochgradigst motiviert sind und mit Hochdruck (und hoffentlich nicht: Bluthochdruck) daran arbeiten, dass auch die Herrenprofimannschaft der TSG maximalen Erfolg hat.
Zumindest einen …
Möge er noch sehr lange ohne Symptome und Syndrome, also körperlich und geistig einfach und gesund bleiben. Die TSG braucht dieses Vitamin D.
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