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1899 Hoffenheim vs. Hertha BSC

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KITSCH

Mit Mittelmaß im Mittelfeld

Als Kramaric so ziemlich mit dem Schlusspfiff der Partie mit seinem 20. Tor den Siegtreffer erzielte, sorgte er nicht nur aus Hoffenheimer Sicht für ein versöhnliches Ende der Corona-Saison 20/21, sondern auch für einen von zeitgleich vielen Kitschmomenten, denn der Treffer fiel mehr oder weniger im selben Moment, in dem Lewandowski seinen 41. Treffer erzielte und damit den legendären, seit rund einem halben Jahrhundert und als uneinholbar geltenden Torrekord von Gerd Müller brach und sich der 1. FC Köln doch noch auf einen Relegationsplatz köpfte.

Nicht zu vergessen der weitere Kitschmoment in der Partie, als nämlich Sami Khedira ausgewechselt wurde und damit nicht nur die grüne Bühne dieser Partie, sondern sie überhaupt für immer verließ. (Stand jetzt!)

Dass dies passieren würde war noch vorhersehbarer als der Verlauf der Partie, denn bereits vor der Partie bekam der Weltmeister von 2014 aus den Reihen der Berliner ein Spielerinnerungstrikot der TSG von Sportdirektor Alexander Rosen überreicht, womit sozusagen das Spiel schon extrem kitschig begann – insofern, wenn man eines der Kriterien für Kitsch (Deplatzierung (etwas tritt in der Form von etwas ganz anderem auf (z. B. eine Uhr in Gitarrenform))) sehr weit fasst, denn de facto hat der Herr Khedira nie für uns gespielt.)

Was ist denn nun Kitsch?

Es ist zumindest eines am schwierigsten zu übersetzenden Worte aus dem Deutschen, weshalb es Einzug in sehr, sehr viele Sprachen hielt, obgleich sein Ursprung bis heute nicht geklärt ist. Auch eine wirklich (be-)wertungsfreie Definition ist schwierig

  • Kitsch hat keine zweite Ebene. Im Gegensatz zum Kunstwerk, das Spielraum für Interpretation zulässt (und Interpretation sogar fordert), ist Kitsch nicht auslegbar.
  • Kitsch wiederholt, was dem Betrachter bereits geläufig ist. Es bedient Stereotype und Klischees, während von einem Kunstwerk Originalität erwartet wird. (Innovationszwang der Kunst).
  • Es ist Massenware, d.h. leicht zu reproduzieren.

So einleuchtend das klingen mag, so wenig belastbar sind diese Parameter auch. Man denke nur an die Pop-Art von Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Keith Haring oder die Werke von James Rizzi oder Damien Hirst. War es nicht geradezu deren Absicht, reproduzierbar zu sein, da sie z. B. als Siebdruck angelegt sind? Haben diese Werke wirklich eine zweite Ebene? Oder nicht einfach nur das richtige Wording, um als Kunst zu gelten bzw. hierüber eine „zweite Ebene“ zu bekommen?

Andererseits ist es natürlich auch billig, alles Schöne, Leichte und Gefällige als Kitsch abzutun, um sich davon abzugrenzen und sich selbst als ernsthafter Kunstkenner aufzuwerten. Wir zitieren es immer wieder nur zu gern:

Nun, uns kann diese Definition nur recht sein, unsere Spielkommentare sind demnach definitiv kein Kitsch, ja geradezu Kunstwerke, denn zumindest unterliegen sie einem Innovationszwang. Keiner möge dem anderen in Wesen und Inhalt gleichen. Das ist zumindest unser Anspruch an uns, aber wie das halt so ist mit Ansprüchen: Je höher man die Latte legt, desto mehr Kundinnen und Kunden, Leserinnen und Leser etc. laufen drunter weg.

Aber so ist halt auch die Kunst: Nicht jeder kann sich schon einen Reim drauf machen – und es wäre zwar natürlich für den Künstler (oder die Künstlerin) schon, wenn das, was er/sie macht auch der Masse gefiele, aber zumindest muss das, was er macht, sich auf „Masse“ reimen – und „Kasse“ ist es nur in den allerseltensten Fälle, s. Warhol, Lichtenstein, Haring, Rizzi oder eben „den letzten Kunstgott“ Hirst, der angeblich erfolgreicher als Picasso ist/war, also zumindest nahe an der Grenze zum Kitsch, dem Adorno etwas „dümmlich Tröstendes“ zusprach.

Und nichts anderes war das Tor Kramarics.

Wieder spielten wir recht ordentlich, was die Zahlen wie Ballbesitz und Offensivwerte anging, aber wieder gerieten wir durch die im Grunde erste Chance der Gäste im ersten Durchgang in Rückstand.

Nun ging es um nichts mehr, von daher war es blutdruckstechnisch jetzt sooooo schlimm nicht, aber es war auch ärgerlich, dass wir selbst in einem solchen Ananaskick nicht in der Lage waren, das Spiel mal nicht so verlaufen zu lassen wie ach so viele Partien in der alles anderen als kunstvollen Saison. Und so schön, wie der recht frühe Ausgleichstreffer nach Wiederanpfiff war, war das schon nicht „keine Kunst“, aber halt doch erwartbar, ergo: Kitsch. Aber das Gefällige darf ja auch gefallen.

Noch besser hätte es aber natürlich gefallen, wenn spätestens nach dem Unentschieden endlich mal frei losgekickt worden wäre. Vielleicht sollte es das auch, aber zu offensichtlich waren da wieder einmal die fußwerklichen Unzulänglichkeiten unserer Kicker, so dass es auch in der letzten Partie keine Virtuositäten zu bestaunen gab, keine Raffinesse, sondern ein Klischee von einem Fußballspiel. Alles, was es zu sehen gab, hat man in der Partie schon dutzendfach von uns gesehen, was ja nicht schlimm gewesen wäre, würde Selbiges nicht auch auf die Spielweisen anderer Mannschaften zutreffen.

Da war mehr los, als wir noch als „Kunstprodukt“ angesehen wurden – und auch eben so auf dem Platz auftraten: rotzig, frech, forsch, wild, ungestüm. Heute … sind wir beliebiger geworden – aber nicht wirklich beliebter. Wäre es da denn nicht besser, man würde wieder an seine Wurzeln zurückkehren? Die alte DNA der Marke der TSG basierte auf Begriffen wie „Mut“, „Innovation“, „Sicherheit“, „Bodenständigkeit.“ Aber da war die TSG noch „Ein Team. Ein Weg. Einmalig.“

Heute ist sie „Bewegung“ und nennt „das Bekenntnis zum Hochleistungssport“ (wäre ja …äh…unklug, wenn nicht) ebenso zur DNA gehörend wie Innovationen und eine Verpflichtung zur gesellschaftlichen Verantwortung. (Wo der Laie sich ja fragt, ob nun die Verpflichtung in den Genen liegt oder die Verantwortung.) und ordnet dabei die Themenfelder hierarchisch in „Innovationen“, „Mitarbeiter*innen und Spieler*innen“, „Jugend und Fans“, „Ökologie“ und „Afrika“.

Irgendwie sagt das nichts – und doch gerade deshalb so viel. Das ist alles richtig. Und gewiss auch gut. Aber richtig gut? Echt jetzt? Für einen solchen Fußballverein mit einer solchen Tradition? Diese muss ja nicht bis zur Entdeckung des Balles an sich zurückreichen. Aber immerhin sorgten bei uns „Mut“, „Innovation“ und „Sicherheit“ dafür – von der einen Saison mal abgesehen, wo wir aber auch völlig die „Bodenständigkeit“ verloren hatten –, dass wir in der nächsten Saison das Team mit der fünftlängsten Bundesligazugehörigkeit am Stück sein werden. Und das zu erreichen war eine Kunst!

Auch und gerade nicht in dieser Saison mit all ihren bekannten Problemen (Verletzungen und Corona) und Schwächen (Aus gegen Fürth und Molde) war es nicht unbedingt erwartbar, dass wir wieder um die internationalen Plätze mitspielen würden, auch wenn es nach Spieltag 2 und dem Heimsieg gegen Bayern München ganz anders aussah. Da standen wir sogar auf Platz 1. Jetzt, am Ende der Saison haben wir die Platzierung nummerisch verdoppelt. Wir beschließen sie auf Platz 11. Im Mittelfeld. Ein gerechter Platz für Mittelmaß. Doch ist das der Maßstab? Oder sollten wir die Messlatte höher legen? Und was, wenn wir dann an der Höhe scheitern? Tiefer? Da kommt man sofort ins Straucheln.

Vielleicht sollte sich die TSG mehr der Kunst verschreiben – und nach ihren eigenen Regeln spielen, mehr überraschen als überlegen (und dadurch dann überlegen sein (statt sich überlegen zu fühlen) und dadurch wieder an Wert – und mehr Spiele – gewinnen. Und das nicht erst in letzter Minute.

Nun denn, das Team ums Team hat ja jetzt Zeit, die entscheidenden Treffer zu machen.
Und mit diesem Wunsch machen wir jetzt Schluss.

Das war’s.

Für die Saison 2020/21.

Wir danken dir, geneigte/r Leser/in, für deine Zeit, die du für unsere Kommentare aufbrachtest. Wir hoffen inständig, dass es uns gelang, dir das ein oder andere Mal einen anderen Blickwinkel auf das Geschehen gegeben zu haben mit ein bisschen Witz und Spaß und Infohäppchen, die vor allem dein Leben bereichert haben. Darum geht’s uns. Und darum geht’s auch weiter … mit uns. Wir lesen uns wieder Anfang August 2021.

Tschüss.

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