FC Schalke 04 vs. 1899 Hoffenheim
Zurück zum Sport.
Die Tragödien gehen weiter …
Natürlich war man sehr schockiert nach dem Spiel vergangenes Wochenende. Die Vorkommnisse im Stadion in Sinsheim waren allenthalben zum mindestens Fremdschämen. Und so bewundernswert es war, wie einige Verantwortliche das Geschehen auf den Rängen zum Anlass genommen haben, es als einmaligen Ausrutscher schulterzuckend zur Kenntnis zu nehmen und zur Tagesordnung übergingen, sondern statt dessen initiativ zu werden, damit dies in Zukunft nicht mehr geschieht und schon gar nicht in diesem Ausmaß, so überrascht war man, wie die Mannschaft reagierte. War das jetzt cool? Lapidar? Nonchalant? Ignorant?
Kein Wort über die emotionale Dimension, die das für jeden Einzelnen der Akteure gehabt haben muss – und damit meinen wir auch das Unwesentreiben im Gästeblock. Doch nicht nur das. Auch sportlich muss das doch für jeden Einzelnen beschämend gewesen sein. Aber weder zum einen noch zum anderen gab es etwas in dieser Richtung. Sportlich wurde lediglich von der herausragenden Qualität des Gegners gesprochen, dass man einige Szenen analysiert und ansonsten das Spiel abgehakt habe.
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.
Den Satz kennt jede/r und nicht wenige wissen auch, dass er aus Goethes Feder stammt. Aber nur die allerwenigsten kennen den Bezug bzw. die Folgezeile. Der Satz bezieht sich auf den „Chor der Engel“, der da singt:
Christ ist erstanden!
Selig der Liebende,
Der die betrübende,
Heilsam und übende
Prüfung bestanden.
Das könnte man natürlich auch auf die Ausschreitungen beziehen, aber hier ist noch mehr Zweifel angebracht, dass diese Situation be- oder gar überstanden ist. Zumindest war die Hoffnung vor dem Spiel da – nicht zuletzt aufgrund der Aussagen aus und rund ums Team –, dass dies sportlich der Fall sei, was uns zur Folgezeile der eingangs erwähnten, zur Redewendung mutierten Sentenz bringt:
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Das Wunder blieb aus, auch wenn zumindest die Aufstellung nicht so wunderlich war wie im Spiel davor. Immerhin gelang es der Mannschaft aber, einen Punkt mitzunehmen, so dass wir am Ende des Spieles nicht mehr den Titel des Werkes in der Tasche ballten, aus dem alle diese Zitate sind:
Faust.
Bekanntlich handelt es sich bei diesem schon mehr als einmal von uns als Aufhänger genutzten Werks um die Figur, die uns wie keine Zweite verkörpert: weit überdurchschnittlich gebildet, trotzdem doof, aber immerhin reif genug, genau auch Zweiteres selbst zu erkennen. 🙂
Im Grunde beschreiben diese Worte aus seinem ersten Monolog im „Der Tragödie Erster Teil“ (den wir vor fünf Jahren sogar mal umgedichtet haben) auch sehr genau und halt (im O/) original unseren Zustand nach dem Spiel gegen Schalke, der Tragödie nicht erster Teil:
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
War das jetzt eine Leistungssteigerung unserer Mannschaft oder eine fast schon Leistungsverweigerung der Gastgeber, die letztlich zu dem Punktgewinn geführt haben? Wenn wir nun mal das Positive annehmen und unserer Mannschaft die Schuld an diesem Punktgewinn geben wollen, drängt sich doch die Frage auf: Warum nicht gleich so?
Weil wir ohne unsere „ABD-Waffen“ antreten mussten (Adamyan, Belfoldil, Dabbur)?
Hm, dass müssen wir schon fast die ganze Saison (A spielte nicht regelmäßig, B noch gar nicht und D ist ja erst seit der Rückrunde da).
Weil nicht nur im Hinterkopf der Spieler die Angst vor einer erneuten Eskalation auf den Rängen mitspielte?
Das können wir sehr gut verstehen und mehr als gelten lassen, aber warum dann vorher so tun, als wäre das (ähnlich dem Schalker Angreifer, der das 1:0 erzielte) an einem (in seinem Falle: der kompletten Abwehr) spurlos vorbeigegangen?
Das Problem dabei ist nur, dass wir so auch schon in der Hinrunde spielten. Da gab es auch gute Gründe für: Umbruch, verletzte Leistungsträger (nebst Belfodil fiel ja auch Samassékou und Kramaric lange aus) und wir waren diejenigen, die das stets berücksichtigt haben, immer eine Lanze für unseren Trainer gebrochen haben, zumal es sich ja auch deutlich besserte („Goldener Oktober“), was ja auch zu einer besseren Punkteausbeute am Ende der Hinrunde als in der Vorsaison führte. Doch aus diesem 2-Punkte-Plus wurde inzwischen ein 2-Punkte-Minus, wobei – und das ist schon interessant – die TSG in dieser Saison ein Spiel mehr gewann als zum selben Zeitpunkt des Vorjahres. Aber das ist letztlich auch nicht kurioser, als dass wir … ja, ja, Perlenkette … gewonnen und Wolfsburg verloren hätte, am Ende es Spieltags auf dem Qualifikationsplatz für die Europa League stünden.
Heiße Magister, heiße Doktor gar
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Kein Schreibfehler, auch wenn „zähen“ aktuell besser passen würde. (Eigentlich sind es fast schon 13, die es uns (sowie die TSG im Profifußball) gibt. Aber wir wollen ja nicht abschweifen … 🙂 )
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum –
Und sehe, dass wir nichts wissen können!
Es wäre der Moment gekommen, wo man sich hätte fragen müssen, ob die Tabelle wirklich so absolut wahrheitsgetreu ist. Aber muss man nicht, denn die Tabelle lügt wahrlich nicht. Statt zwei Plätze gutzumachen, haben wir uns um einen Platz verschlechtert, woraus auch noch zwei Plätze werden können, sollte Köln das Nachholspiel am Mittwoch in Mönchengladbach gewinnen.
Natürlich ist es toll, dass wir diesmal kein halbes Dutzend Tore gefangen haben und überhaupt letztlich wenig Torchancen der Knappen zuließen. (Überhaupt war der Treffer der Schalke erst das 12. Gegentor, das wir in der Fremde kassierten. Damit hat die TSG die wenigsten Auswärtsgegentore aller Bundesligisten zu Buche stehen!) Aber dass wir erst kurz vor der Halbzeit das erste Mal überhaupt halbwegs gefährlich vors gegnerische Tor kamen, ist erschreckend.
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen,
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Stimmt nicht.
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
Stimmt auch nicht.
Dafür ist mir auch alle Freud entrissen,
Stimmt. Aber so was von … Natürlich auch wegen der Idioten … und dass es diese Woche gerade so weiterging, wenngleich inhaltlich überwiegend gemäßigter, aber immer noch maximal nervig, ist ein Zeichen, dass es auch in den nächsten Wochen so weitergehen wird.
Fußball hat, wie die Ereignisse gestern, an den letzten Spieltagen gezeigt haben sowie bedauerlicherweise wohl auch an den nächsten Spieltagen zeigen werden, für so manche nicht wenig mit Hass zu tun, aber der totalen Mehrheit geht es wie auch im „Chor der Engel“ um Liebe:
Liebe am Sport, die befriedigt, wenn mit Lust gepaart gespielt. Am besten vom eigenen Team. Und auch wenn es gute Gründe gibt, Externes in Betracht zu ziehen, ist es doch ratsam, zuerst auch eine konsequente interne Fehleranalyse zu betreiben (Oder wie man auf dem Dorf sagt: „vor der eigenen Haustüre kehren.“).
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
Der Anfang einer solchen Analyse ist die Konstatierung der Ist-Situation. Diese ist definitiv hochgradig komplex und eine Reduktion der Komplexität birgt das Potenzial einer suboptimalen Evaluierung, doch die Gefahr gehen wir gerne mal ein: Bei uns paart sich nichts im Team. Da gibt es keine Achsen, Kombinationsmuster, Staffagen, die einen aufjauchzen lassen. Statt dessen hat das Team einen Fehlpassfetisch entwickelt, der nicht im positiven Sinne atemberaubend ist.
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt;
Es möchte kein Hund so länger leben!
Jetzt wird es schwierig. Maximal niederkomplex sind die nie verstummenden Rufe nach einem Trainerwechsel. Die gibt es bei uns schon immer – und das nicht erst bei Alfred Schreuder. Zumal wir auch nicht wissen, ob die Mannschaft das umsetzt, was er von ihr verlangt. Natürlich wissen wir auch nicht, was er von ihr verlangt, sind uns aber sehr sicher, dass es diese Fehlpassorgien nicht sind. Nur was wir mitbekommen, ist, dass er sich immer vor die Mannschaft stellt. Und es ist auch in der Vergangenheit immer beeindruckend gewesen, wie deutlich er Position bezüglich der Anfeindungen gegen Herrn Hopp bezogen hat, obwohl das eigentlich gar nicht sein primärer Zuständigkeitsbereich ist. Es ist also wahrlich bewundernswert, dass er sich immer in den Sturm stellt. Es wäre aber halt auch schön, wenn er mal einen aufstellt (hat er ja diesmal getan) und sein Team derart ein- und umstellt, dass bei dem Sturm auch mal ein Ball ankommt.
Drum hab ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimnis würde kund;
Olaf Thon – ein Mann, der in der Vergangenheit ja schon oft mit Bonmots aufgefallen ist („Das war kein Foul; ich habe ihn nur leicht retuschiert.“, „Man darf das Spiel doch nicht so schlecht reden, wie es wirklich war.“ sowie „Man hetzt die Leute auf mit Tatsachen, die nicht der Wahrheit entsprechen.“ (Obwohl der Satz immer noch an sich widersinnig, weil er in sich widersprüchlich ist, klingt er heute gar nicht mehr so lustig wie einst.)), meinte in der Halbzeitpause am Sky-Mikrofon, dass er froh sei, dass Sebastian Rudy seine Qualitäten, die er zweifelsohne habe, auch heute nicht zeige. Das war nicht ohne Witz und schon gar nicht ohne Wahrheit. Schlimmer noch: Es traf im Grunde auf jeden zu – bis vielleicht auf Bebou, Kramaric, Kaderabek – und vor allem Samassékou und dann auch auf Baumgartner.
Dass ich nicht mehr mit saurem Schweiß
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
VAR das Abseits? Natürlich wäre das Tor durch Baumgartner nicht gefallen, hätte der Treffer Hübners gezählt. Also wäre das Spiel leistungs?gerecht 1:1 ausgegangen, aber wenn der Videoassistent weiter so gehandhabt wird, vergeht einem nicht nur wegen der Chaoten im Stadion die Lust am Fußball.
Beim Pokalspiel zwischen Eintracht Frankfurt und Werder Bremen sieht das Handspiel niemand: Elfmeter. Bei Hübners Kopfball akzeptieren alle, dass der Ball im Tor ist: Abseits. Doch als beim Borussen-Duell ein Stürmer im Strafraum deutlich weggerumpft wird und die Gladbacher wie wild protestieren: weiterspielen.
Das, liebe Regelhüter, macht den Fußball als Sport kaputt. Natürlich sieht der eine das so, der andere das so, aber wenn es keiner sieht, dann geht es halt weiter. Das ist Fußball – und nicht „Einkick“ statt Einwurf und ähnliche Veränderungen, die ihr jetzt angeblich in die Testphase schickt.
Es gibt doch hervorragende Modelle, die sich bewährt haben, wie z. B. die Einspruchsregelung im Tennis oder beim Hockey. Danach hätte jeder Verein ein oder zwei Vetos. Sollte einem Veto, das sehr zeitnah eingelegt werden muss, stattgegeben werden, bleibt es erhalten, wenn nicht, verfällt es. Und diese Abseitsregelung mit dem Körperteil ist im Nanometerbereich auch Quatsch. Vorderste Ferse zählt, fertig.
Die Vorteile wären klar: Wenn man einen Teil des Fußes als Entscheidungskriterium nimmt, ist das allein schon namentlich nachvollziehbarer, schließlich heißt es „Fuß-“ und nicht, z. B. „Schultereckgelenksball“, wo dann auch noch die „T-Shirt-Linie“ entscheiden soll.
Außerdem wäret nicht ihr an einer Spielverzögerung schuld, sondern die jeweilige Mannschaft.
Liebe Regelhüter, sorgt für die Rahmenbedingungen, damit die Menschen Fußball spielen können, aber spielt nicht mit.
Dass ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Es ist die Spannung, die Ungewissheit und die Liebe zum Sport, die die Leute in die Stadien treibt. Hass und Gewalt in jedweder Form treibt sie weg. Deshalb ist es wichtig, dass ihr da konsequent dagegen vorgeht und euch dabei aber auch an eure eigenen Regeln haltet – Toleranz, Respekt, kein Rassismus etc.
Schau alle Wirkenskraft und Samen,
Wir haben schon gute, junge Spieler. Da ist schon ein großes Potenzial. Und auch Moral. Das sah man nicht nur bei den letzten Spielen der Rückrunde gegen Dortmund, Köln und Union Berlin. Das sah man auch gegen Bremen, Leverkusen, gegen Gladbach und das sah man auch diesmal, insbesondere nach dem zurückgenommenen Ausgleich. Baumgartner hatte natürlich auch Glück, dass ihm der Ball mehr oder weniger vor die Füße fiel, aber er war da, weil er da sein und das Tor wirklich machen wollte. Diese Gier sah man. Was wir nicht sahen, war ein schönes Spiel.
Und tu nicht mehr in Worten kramen.
(Neinnein … das gilt nur für jetzt zu diesem FKick … Also freut euch auf ein Lustspiel … kommenden Samstag in Sinsheim, kommenden Sonntag hier.)
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