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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1. FC Kaiserslautern vs. 1899 Hoffenheim

1. FC Kaiserslautern vs. 1899 Hoffenheim

Klasse. Wilde.

Ein Lustspiel als Vorspiel
– mit Vorspiel an den Grenzen der Verfassung

Es gibt sehr viele Gründe für den Klassenunterschied. Geld ist sicherlich einer, der andere ist die Freude am Spiel mit dem, was uns so einzigartig macht und von den vielen anderen Lebewesen auf Gottes großem Rund unterscheidet: die Sprache. Wenn man also wen einordnen will, orientiert man sich nicht selten an diesen beiden Parametern.

Obwohl Letzteres zu mehren faktisch kein großes Problem darstellt, fokussieren sich die meisten Menschen in ihrem Leben auf das Streben, um Ersteres zu mehren, obwohl dies nachweislich schwieriger ist. Auch von Staats wegen, der ja nie seine Stimme erhebt, dafür Dinge wie die Mehrwertsteuer. Der einzelne aber gibt mit Freuden seine Stimme regelmäßig ab und agiert oft so, als ob es eine Mehrwortsteuer gäbe.

Dabei ist die Idee des „Bloß kein Wort zu viel sagen.“ an sich nicht schlecht, wenn man diese Kürzung dergestalt versteht, dass man etwas klar, präzise und prägnant auf den Punkt bringt. Leider aber wird sie eher so verstanden, als wäre man Angeklagter in einer Verhörsituation. Seltsamerweise führt das aber wiederum im ganz normalen Leben in ganz normalen Situationen zu Silbenkaskaden, in denen die Quantität in keiner positiven Relation zur Qualität des Gesagten steht.

Das spürst du doch gerade auch, geneigte/r Leser/in, nicht wahr? Wie sich da in deinem Kopf die Worte Bahn brechen: „Komm zum Punkt!“

Nun, da kommen wir auch noch hin, aber erst einmal galt es ja zum Spiel zu kommen und da brach die Bahn zu neuen Dimensionen auf. Ohne Worte – dafür mit fast einstündiger Verspätung fuhr der Entlastungszug von Sinsheim los, was für die Fans aus Heidelberg eher zu einer Art Belastungszug für deren Nerven wurde, zumal die Dauer der Verspätung – im Gegensatz zur Zuversicht, pünktlich zum Anpfiff im Stadion zu sein – kontinuierlich zunahm.

Aber es gab ja noch den ganz normalen S-Bahnverkehr, auf den man dann auswich, was den Fans an Heidelberg sehr, den ganz normalen S-Bahnverkehrsnutzern an diesem Samstagmittag sichtlich weniger gefiel. Nachvollziehbarerweise …

Für uns als gebildete Menschen und große Freunde, ja Fans des Grundgesetzes, dessen Werte wir sehr hoch achten – insbesondere die Artikel 1 – 19, in denen sich die Menschenrechte manifestieren, sind solche Erlebnisse enorm wichtig. Sie sind für uns eine Art TÜV: Theorie-Überprüfungs-Veranstaltung.

Dank ihr können wir an uns selbst testen, wie ernst wir das wirklich, wirklich meinen, denn in solchen Momente der wirklichen Wirklichkeit kommt nicht nur so mancher Mensch ins Wanken, sondern auch der eigene Glaube an das Gute in selbigen und an die Unumstößlichkeit der Grundrechte für wirklich, wirklich jede/n, also auch (je)den, der seine Maskulinität (gerne im Rudel) mit allen Mitteln der Akustik zu unterstreichen versucht, sei es per Stimme, per Schlagen der Handfläche auf Fensterscheiben oder per Feuerzeug-unterstütztes Bierflaschenöffnen.

Egal, wie man zu dem Verhalten eines solchen Menschen steht, man kann nicht umhin, unumwunden zuzugeben, dass es ihm sehr gut und nachhaltig gelungen ist, ganz ohne Geld seine Klassenzugehörigkeit darzulegen.

War das jetzt „arrogant“, geneigte/r Leser/in? Inwiefern? Weil spöttisch?

Nun, da gibt es die einen, die es wie der französische Moralist Jean de La Bruyère (1645-1696) sehen, der meinte, dass Spottsucht oft Armut an Geist sei. Oder darin Selbstlob sehen, wie der österreichische Philosoph Emanuel Wertheimer, was – gepaart mit dem alten deutschen Sprichwort über den Duft des Eigenlobs – so manchen die Nase rümpfen lässt. Aber es gibt ja auch durchaus andere Ansichten, wie z. B. jene, dass Eigenlob stimmt, oder die des französischen Schriftstellers Alfred D’Houdetot (1799-1869), demnach feiner Spott ein Dorn ist, der etwas von dem Duft der Blume konserviert hat.

Damit können wir schon eher was anfangen als mit einer moralischen Argumentation, zumal wir es da mit Oscar Wilde (1854-1900) halten, der einst Moral als die letzte Zuflucht von Leuten bezeichnete, die von Schönheit nichts begreifen.

FCK-TSG-Wilde

Überhaupt erwägen wir Oscar Wilde zu einer Art Posthumpräsident h.c. unseres Fanclubs zu machen, denn irgendwie passen so viele seiner Zitate so treffend auf uns:

„Auf seine eigene Art zu denken, ist nicht selbstsüchtig.
Wer nicht auf seine eigene Art denkt, denkt überhaupt nicht.“

“Jeder Eindruck, den man macht, schafft Feinde.
Um populär zu bleiben, muss man mittelmäßig sein.“

„Die Anzahl unserer Neider bestätigt unsere Fähigkeiten.“

(Ja, von ihm stammt auch „Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.“, aber das gehört jetzt nicht hierher.) 🙂

Spannend ist ja, dass solche Aphorismen sich großer Beliebtheit erfreuen, auch hierzulande, wo man ja nicht so gut auf Spott zu sprechen ist, weil ein solcher einem gerne als „Arroganz“ vorgehalten wird. (s.o.). Dabei das ja nicht selten ein moralischer Vorwurf ist, der im Gewahrsein der eigenen Unterlegenheit begründet ist. Man möchte „auf Augenhöhe“ sein. Aber statt alles daran zu setzen, selbst besser zu werden, ver(sch)wendet man seine Energie darauf, den anderen nach unten zu ziehen. Zugegeben, damit kann man „Augenhöhe“ herstellen. Aber auf was für einem Niveau?

Das ist uns Spott schon lieber, der bei allem Schmerz, den er verursachen kann, sowohl wahr als auch witzig ist. (vgl. Zitat D’Houdetot)

Nun genießt halt Witz (insbesondere Wortwitz) in unserem Kulturkreis kein wirklich hohes Ansehen – im Gegensatz zu dem Britanniens, wo nicht nur Spott und Wortspiele, sondern auch Klassenunterschiede eine große Tradition haben. Manche halten Wortspiele sogar für die herausragende Darbietung von Witz. Nämlich die hier … >>)

Links und rechts der Irischen See entwickelte die Gesellschaft aber weniger ein Gefühl des Neids aufgrund der Unterschiede, sondern ein Gefühl des Stolzes aufgrund der Zugehörigkeit, was wiederum das Selbstbewusstsein derer in niedrigeren Klassen stärkt, was ihnen Mut macht, sie bestärkt, ins Risiko zu gehen und im Falle des Scheiterns es gerade noch mal zu versuchen.

Diese Gier wird „von oben“ sogar befeuert, was natürlich damit zu tun hat, dass sie sowieso wissen, dass sie einen nahezu uneinholbaren Vorsprung haben, zum anderen aber auch damit, dass der Konkurrenzkampf untereinander derer unter ihnen ihre obige Position weitaus sicherer macht, als wenn sich die in den niedrigeren Klassen miteinander verbündeten.

Ups, geneigte/r Leser/in, dachtest du gerade an Bayern München, DFB, DFL, UEFA, FIFA? Ts, ts, ts …

Und damit der Anschein der Gemeinsamkeit gewahrt wird, gibt es im Staatswesen Wahlen, bei denen jede/r wahlberechtigte Bürger/in die gleiche Anzahl von Stimmen hat – zur Abgabe. Das muss reichen in puncto Gleichheit und Augenhöhe.

Im Fußball gibt es dafür Pokalwettbewerbe, die zumindest auf nationalem Niveau diese Illusion der Gemeinsamkeit aufrechterhalten und oben und unten zusammenführen – meist mit erwartbarem Ausgang, weshalb die unterklassigeren Mannschaften den Besuch aus der Beletage oftmals ohnehin nur als Vorspiel zum Trikottausch ansehen.

Manchmal aber gibt es besondere Zusammentreffen – entweder ist da der Klassenunterschied nicht sooo groß oder die Rivalität ist es seeehr, was oftmals geografische Gründe oder historische und manchmal auch sozialpsychologische hat, die insbesondere dann zu Tage treten, wenn es einen „Klassenwechsel“ zwischen den beiden Mannschaften gab. Bei dem gestrigen Pokalspiel kam alles zusammen.

Exakt fünf Jahre, zwei Monate und drei Wochen ging es für uns zurück an den Ort unserer Wiedergeburt. Hier Filmaufnahmen von selbiger:

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Wie schnelllebig der Fußball ist, zeigt allein die Tatsache, dass es gestern in den Teams nur noch einen gab, der damals dabei war: unseren damaligen Co-Trainer – und Julian Nagelsmann war es auch, der vor dem Spiel klarmachte, was er sehen wollte: den Klassenunterschied, denn inzwischen spielen wir in der Champions League und der 1. FC Kaiserslautern in der 3. Liga, wo er aktuell auf Platz 15 steht.

Das ist natürlich schon bitter, dass ein solcher Verein mit einer solchen Historie so wenig Zukunft hat (Stand jetzt), zumal man da ja gar nicht soooo weit zurückgehen muss. Noch Ende des letzten Jahrtausends schrieb der Verein Geschichte, als er als erster Bundesliga-Absteiger DFB-Pokalsieger wurde, in der Folgesaison in Runde 1 ausschied und in der Saison drauf sein erstes Spiel gleich bei den Bayern zu bestreiten hatte, dieses 1:0 gewann, und am letzten Spieltag jener Saison vor den Bayern stehend als Aufsteiger Deutscher Meister wurde.

Danach schrieb er weiter Geschichte, auf und außerhalb des Platzes, insbesondere den Geschäftsbüchern, wenig rühmliche, denn vor allem schrieb der Verein tiefrote Zahlen – und das trotz besten Voraussetzungen: großes Stadion, viele, treue Fans sowie die Gründung der DFL, was den Bundesligisten bisher ungekannte Einnahmen brachte und eigentlich beste Voraussetzungen schuf, den Klassenunterschied auf ewig zu zementieren … hätte es da nicht auf der einen Seite Menschen gegeben, die nicht verstanden, wie mit Geld umzugehen ist, und auf der anderen einer, der das tat, der ehrgeizig war, der nicht lamentierte, sondern seine Möglichkeiten dafür einsetzte, besser zu werden, weil er zu denen da oben gehören wollte.

Und es ist gewiss nicht so falsch, wie es vielleicht scheinen mag, aber wenn Hopp bei der TSG einen Bruder im Geiste hat, dann ist es Nagelsmann. Beide schauen auf sich, keiner jammert wegen der Umstände, beide sind mutig, risikobereit, weil traumrealisierungsgierig.

Die Liste der Abgänge der letzten Jahre ist lang, ebenso die aktuelle Verletztenliste der TSG – und auf beiden stehen (für uns) große Namen. Und was kommt von Nagelsmann?

Kein Wort der Klage. Die Devise heißt Angriff. Egal, was ich habe, ich will mehr. Das Maximum. Jedes Spiel gewinnen. Konsequenz wäre: Meister. Und Pokalsieger. Mit meinem Team. Ja, ich werde es zum Ende der Saison verlassen. Aber jetzt bin ich hier. Jetzt lebe ich hier und für den Verein. Und wenn ich hier nicht mehr lebe, will ich hier nicht gestorben, sondern unsterblich sein.

Geneigte/r Leser/in, erinnerst du dich noch an den Anfang? Hast du aufgepasst? Womit lassen sich Klassenunterschiede am ehesten überbrücken? Geld, ja, da half Hopp tat- und zahlungskräftig mit, und (? na? na? genau: ) Sprache – und da hilft Nagelsmann – und ihm sein Alter.

Gewiss sind schon alle Verrisse geschrieben, wenn wir nach acht Spieltagen auf Platz 15 stehen sollten. Und das Maß an Häme und Spott, das sich über uns und auch ihn ergösse, nähme Dimensionen an, was bei (humanistisch) gebildeten Menschen ein Maximum an Fremdschämen auslöste, aber … – und das ist sehr wichtig –  … dazu müssten wir ja erstmal da stehen.

Jetzt stehen wir ja erst einmal auf Platz1, wie alle anderen. Und vielleicht stehen wir an Spieltag 8 sogar noch schlechter da, was ja passieren kann, zumal weitere Verletzungen, Sperren und auch die Folgen der Spiele in der Champions League nicht ausgeschlossen sind, aber sollte das einen vom Willen abhalten, seine Ziele erreichen zu wollen und dies auch zu sagen?

Gewiss sagen da nicht wenige, dass zumindest Letzteres nicht so klug ist. Eben wegen der möglichen Konsequenzen im Falle des Nichterreichens. Diejenigen seien erneut daran erinnert, dass man sie auch erreichen kann – und dass Sprache den (Klassen-)Unterschied, Spielern Beine und aus Spielern eine Mannschaft machen kann.

Im ersten Spiel 2018/19 unterschied sich die erste sehr von der gewohnten Elf: Kobel, Posch, Bittencourt, Grifo, Joelinton – und in den letzten Minuten wartete die letzte Elf mit noch mehr (oder weniger) Neuen auf: Hoogma, Brenet, Belfodil – und trotzdem war es ein Team, das nur einen Weg kannte (nach vorne), obwohl es einmalig bleiben wird (in der Konstellation).

6:1 – da muss man nichts zum Spiel schreiben. Wer, wann, wo, wie wen in Szene setzte und traf, ist da wirklich wurscht. Wichtig war der unbedingte Wille, dieses Spiel souverän führen und früh entscheiden zu wollen – und dann nie nachzulassen.

Letzteres hat nicht wirklich so gut geklappt. Und man darf bei der Höhe des Siegs nicht übersehen, dass der Gegner zu keinem Punkt und auf keiner Position unsere Klasse besaß. Dennoch ….

  • … kassierten wir den Gegentreffer nach einem Standard (wie so oft in der Vorsaison),
  • … kam unsere Hintermannschaft schon mal ins Schwimmen, wenn es etwas schneller wurde (wie in der Vorsaison),
  • … gab es Situationen, wo dem Gegner ein Pass genügte, um unsere komplette Abwehr zu überrumpeln (wie in der Vorsaison).

Da war also wahrlich nicht alles Gold, was glänzte. Manchmal war es auch die Sonne – und manchmal auch der Torwart der Gastgeber:

Aber trotzdem war da bei uns sehr, sehr viel Schönes bei. Die offensichtlich einstudierten Kombinationen klappten so perfekt, dass es teilweise was von Trainingsspiel hatte, was unsere Jungs da auf der grünen Bühne darboten – und das war gewiss nicht die Mannschaft, die nächsten Freitag beim Rekordmeister die neue Saison offiziell eröffnen wird.

Am 2. August 1997 legte dort unser gestriger Gegner den Grundstein für eine Sensation … und wir sind gespannt, was unsere Mannschaft 21 Jahre, drei Wochen und ein Tag später dort legt – außer mit Sicherheit sich ins Zeug. Auch einen Grundstein? Vielleicht für den ersten Sieg in München?

Letzte Saison hatten wir beste Chancen. Nach weniger als einer Viertelstunde führten wir bereits 2:0 bei den Bayern. Dann machten die Gastgeber ernst – und fast schon einen Klassenunterschied deutlich. Und diesmal? Lassen wir unseren Posthumpräsidenten h.c. zu Wort kommen:

Sich selbst zu überraschen ist, was das Leben lebenswert macht.

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