FC Augsburg vs. 1899 Hoffenheim
*agros
Bestellte Punkte
Indogermanistik ist eine Wissenschaft, die mittels historisch-vergleichenden Methoden Ursprung und Entwicklung der indogermanischen (oder „indoeuropäischen“ genannt) Sprachen erforscht. Zu diesen Sprachen zählen – vereinfacht gesagt – bis auf wenige Ausnahmen alle Sprachen zwischen dem Atlantik und dem Himalaya.
Da dies ein riesiges Gebiet ist unterteilt man diese – wieder vereinfacht gesagt – in Ost und West, genauer: Satemsprachen bzw. Kentumsprachen. (Die Fachausdrücke hierfür orientieren sich am altpersischen (genauer: avetischen) sowie dem lateinischen Wort für die Zahl 100.)
Diese Gruppen werden dann weiter unterteilt, im Falle der Kentumsprachen in beispielsweise baltische, slawische, romanische, keltische, germanische Sprachen – und letztere (u.a. luxemburgisch, friesisch (niederdeutsch), niederländisch, Afrikaans, Pennsylvania Deutsch, isländisch, färöisch, norwegisch, schwedisch, dänisch, deutsch, englisch, jiddisch) in nord-, west und ostgermanische Sprachen, wobei alle ostgermanischen Sprachen ausgestorben sind.
Der Indogermanistik geht es im Grunde um nichts anderes als den Ursprung der Sprache. Da es hiervon aber keinerlei schriftliche Aufzeichnungen gibt, sind das alles nur Mutmaßungen oder Theorien.
Und das soll dann eine Wissenschaft sein? Ja, geehrte/r Leser/in, genau deshalb ist es eine, nur haben es die Geisteswissenschaften da etwas schwerer als Naturwissenschaften, die ja auch von Theorien nur so wimmelt, z. B. die Evolutionstheorie, die Relativitätstheorie, Atom-Modelle, um nur mal die geläufigsten zu nennen. Diese Theorien haben sich aber bis heute als richtig im Sinne von haltbar bestätigt, wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass sich alles ganz anders verhält, aber dann müsste halt jemand erst einmal eine andere Theorie entwickeln und diese auch nachvollziehbar begründen, wodurch sich diese Theorie auch vom echten u/o virtuellen Stammtischgeschwätz unterscheidet. Auch die reine Negation einer Theorie reicht nicht, um sie zu widerlegen, unabhängig davon, wie viele Menschen eine Theorie nicht glauben. Masse / Klasse. Quantität / Qualität. Du weißt, was gemeint ist.
Aber was es mit dem Indogermanischen zu tun haben soll, leuchtet nicht ein?
Nun, Wissenschaft ist ehrlich. (Nein, nicht „gute Wissenschaft ist ehrlich“. Das wäre ein Pleonasmus – ähnlich wie „tote Leiche“, „kleiner Obulus“, „persönliche Anwesenheit.“ Wissenschaft, die nicht gut ist, ist keine Wissenschaft.) Deshalb zeigen Sprachforscher auch immer an, wenn es für ein Wort oder einen Wortbestandteil keinen Beleg gibt, sondern es sich in dem Fall um ein reines Konstrukt handelt. Dies sieht man vor allem bei etymologischen Erklärungen (also Wortherkünften) – oder in unserer Überschrift – im Gegensatz beispielsweise zur Werbung an dem Sternchen VOR dem Wort.
*agros ist also kein Schreibfehler. Es hat nichts mit „aggro“ zu tun, was auch nicht zum gestrigen Spiel passen würde, was ja wahrlich vieles war, aber (dankenswerterweise) nicht aggressiv. In den ersten zwanzig Minuten (mindestens) war es ja nicht mal ein Spiel, was aber am *agros lag.
*agros ist der „Ort, wo gesammelt/geerntet wird“, sprich „Feld“ – oder eben „Acker“. Und diese beiden Worte werden ja nicht nur in der Landwirtschaft synonym verwandt, sondern eben auch im Fußball, um einen umhegten Platz (*ager/n), genauer: einen umhegten Kampfplatz (gr. ἀγών (agón)) zu beschreiben.
Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei dem gestrigen Spielfeld um ein solches Areal gehandelt hat, war daran zu erkennen, dass es diesmal nicht die Blinden waren, deren Treiben dort besonders auffällig war, sondern die Tauben. Die Beschaffenheit des Bodens schien ihnen gefallen zu haben und ihrem Vorhaben des Sammelns entgegenkommen zu sein. Für unser Spiel war der Acker Gift.
Man konnte das sehr gut an den Quer- und Rückpässen beim Spielaufbau sehen, wo der Ball stets und ständig hoppelte. Und wenn das kugelförmige Spielgerät – nicht einmal figurativ gemeint – nicht rund läuft, wie soll es dann das Spiel tun?
Insbesondere unser technisch anspruchsvolles Spiel leidet unter diesen agrarökonomisch elementaren Bedingungen, was man sehr gut an dem erkennen konnte, was Schulz, Kaderabek, Grillitsch, Rupp und Geiger im Mittelfeld zustande brachten. Mit ihrer Physis taugt keiner von ihnen (außer vielleicht Kaderabek) als Pflug. So war es wenig überraschend nicht schön anzusehen und wenig ertragreich, was sie da taten, aber ihnen gerade deshalb hoch anzurechnen, wie sie ackerten.
Ein Beleg dafür ist die Laufleistung, denn vier der genannten Spieler nahmen in Sachen Laufleistung die Plätze 1-4 aller Spieler in dieser Begegnung ein: Kaderabek (12,25 km), Geiger (12,24 km), Schulz (12,09 km) sowie Grillitsch (12,00). Selbst der nach rund einer Stunde ausgewechselte Rupp kam auf beeindruckende 9,11 km.
Der Heidelberger war zudem der vielleicht auffälligste Spieler in unseren Reihen, weil ihm doch leider sehr viel misslang, insbesondere seine 99,8%-ige Torchance kurz nach der 1:0-Führung zu verwandeln. Zu seiner Ehrenrettung muss man aber auch sagen, dass der Torhüter der Fuggerstädter den Ball noch abwehrte (und sich dabei, wie es anfangs schien, seine Hand gebrochen zu haben, was aber zum Glück nicht der Fall war).
Und es war für uns auch etwas verschmerzbar, denn kurz zuvor erzielte Kramaric durch einen schön platzierten Kopfball die auch da schon hochverdiente Führung für unsere TSG. Allerdings: So verdient sie auch war, so plötzlich kam sie, denn selbst eine Sekunde zuvor hätte niemand damit gerechnet. Hübners Flanke kam so richtig präzise nicht und Kramaric war nur einer in Blau im Strafraum. Aber inzwischen gelingt dem Mann ja wieder mal alles, so auch dieser Treffer, sein sechster im fünften Spiel.
Auch in den Minuten davor war unser Spiel nicht wirklich zwingend, allerdings haben wir das gemacht, was man mit einem Acker macht, wenn man Ertrag erzielen will: beackert (s. o.) und bestellt, was in dem Fall zwar nicht heißt, eine Ware anliefern zu lassen, aber das Ergebnis war dasselbe, wenn man der Werbung glauben darf: ein Schrei vor Glück.
Und dem folgte kurz nach dem Start in die zweiten Hälfte der zweite Treffer, nachdem Kramaric und Gnabry durch eine wunderbare Kombination sich durchs Mittelfeld bis in den Fünfer der Hausherren geackert hatten, und Letzterer, selbstlos von Ersterem bedient, das 2:0 erzielte.
Dabei blieb es denn auch, wenn auch mit Glück, denn spätestens mit Schulz’ missglücktem Rückpass machten wir einen schwachen Gegner grundlos stark. Zwar hielt die Abwehr, aber andererseits brachte unsere Offensive keine wirkliche Entlastung mehr zustande. Die eingewechselten Uth, Amiri und Szalai furchten mehr umher, als dass sie Furcht bei des Gegners Defensive verbreiteten.
Aber was soll’s … Seit langer Zeit mal wieder die maximale Ernte eingefahren, ganz ohne Schädlinge (Gegentore, gesperrte und/oder verletzte Spieler), dafür mit (Schlag-)Kraft. Und wenn wir die sowie die Schlagzahl erhöhen, steigert das nicht nur unsere Punkteausbeute, sondern auch wieder die Freude am Spiel unserer TSG. Und die ist jetzt natürlich schon höher und ebenso gestiegen wie die Vorfreude auf nächsten Samstag, da wir dann nicht nur psychologisch, sondern auch geologisch auf einer viel besseren Grundlage spielen werden.
Nicht ausgeschlossen, dass wir nach dem Sieg so manchen Vogel (zumindest aus der schreibenden Zunft) verscheucht haben. Und je mehr dieser und anderer Geier sich vom Acker machen, desto besser lassen sich Feld und Fans für mehr Ertrag auf Märkten und Plätzen bestellen.
Der Countdown läuft … vielleicht sogar doch noch der der UEFA Champions League, denn bedenke, geneigte/r Leser/in:
9. waren wir. Und nach dem Sieg gegen den
8. sind wir
7. mit vier Punkten Abstand zu Platz
6. Aber bei noch
5 Heimspielen ist Platz
4 möglich. Die
3 Punkte waren ein guter Anfang.
2 Tore auch, wenn wir maximal
1 nur kriegen – oder noch besser:
0.
So schnell wendet sich das im Fußball. Gestern waren alle noch besorgt und bestenfalls graues Mittelmaß, heute sind wir erntenah an den „europäischen Plätzen“, wenn wir uns das Nötige (Punkte) besorgen. Also einfach weiter säen, weiter sehen, weiter siegen, weiterkommen.
Vielleicht ganz interessant in dem Zusammenhang und passend zum guten Schluss:
Das Indogermanische „*kʷel-“ bedeutet „drehen, besorgen“. Es ist zudem der Ursprung des Wortes „Held“.
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