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1899 Hoffenheim vs. Schalke 04

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Der TSG-Mentalist

Warum nicht auch mal von einer Weisheit profitieren …

„Gegen Mönchengladbach haben wir es sehr gut gemacht – und 0:3 verloren. Heute haben wir es nicht so gut gemacht – und 2:0 gewonnen. So ist Fußball. Defensive gehört halt auch dazu.“

Mehr als das, was unser Trainer auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte, gibt es zu dem Spiel eigentlich auch nicht zu sagen. Und so langsam scheint es auch den Fans einzuleuchten, dass das Spiel namens Fußball nicht nur aus Systemen wie Harakiri oder Tiki-Taka besteht.

Das, was Schreuder spielen lässt, ist in der Tat weniger offensiv als jene Konzepte, aber offensiver als die „kontrollierte Offensive“ und definitiv nicht so destruktiv wie Catenaccio bzw. „Die Null muss stehen“ aka „Hinten dicht und vorne hilft der liebe Gott“.

War unter seinem Vorgänger noch sehr viel von Technik die Rede, also im Sinne technischer Hilfsmittel, wenn es um Taktiken und Aufstellungen ging, verdient auch Schreuder, dass man davon spricht, allerdings von der Technik, wie sie von Magiern und Therapeuten ein- und im entscheidenden Moment absolut konsequent durchgesetzt wird.

Wer sich darunter nichts vorstellen kann, der möge einfach die TV-Sendungen wie „The Mentalist“ und „The A-Team“ miteinander verbinden. Wem das immer noch nichts sagt, der möge sich vor seinem inneren Auge die Partien gegen Bayer 04 Leverkusen, den FC Bayern München und eben diese Partie gegen den – und auch da hatte Schreuder absolut Recht – „besten Gegner der bisherigen Saison“ abrufen – und er meinte das nicht nur rhetorisch zur Selbsterhöhung, sondern demütig, faktisch anerkennend, was und wie Schalke gestern gekickt hat.

Dabei hat Schreuder auch zu Recht nicht mit Kritik am eigenen Team gespart. Was wir da in Sachen Spielaufbau versucht haben, war teilweise jämmerlich. Das Passspiel war, wenn nicht Selbiges, so doch oftmals hochgradig unglücklich und auch das Zweikampfverhalten ließ umso mehr zu wünschen übrig, je weiter wir vom eigenen Sechzehner entfernt waren.

Das alles war schle…nicht so gut, aber der Plan stimmte.

Die wenigsten hätten wohl Kramaric von Anfang an gebracht. Er aber setzte ihn neben Adamyan. Klar, dass er spielen würde. Er hatte noch Rückenwind von seiner letzten Ligabegegnung. Aber Kramaric? Der über ein Vierteljahr nicht mehr mit dem Team in einer Partie, in der es um was ging, spielte? Also ohne Spielpraxis, ohne Bindung zum Spiel, zu den Mitspielern?

Das war nicht nur mutig, das war vor allem psychologisch clever. Er ist jetzt nicht wirklich Ronaldo von seiner Strahlkraft, aber wenn er auf dem Platz steht, schafft das doch etwas mehr Sicherheit im eigenen und Unsicherheit beim gegnerischen Team. Außerdem fühlt der Spieler dann Vertrauen, das er nicht enttäuschen will. Außerdem brauchte es gegen diesen Gegner einen Spieler, der auch mal einen Ball vorne halten kann. Eine Anforderung, die auf Bebou beim besten Willen nicht zutrifft.

Im Mittelfeld fiel Grillitsch aus, was eine Änderung des bisherigen Aufstellungskern mit Rudy und Geiger zur Folge hatte. Dafür kehrte Vogt nicht nur ins Team, sondern auch auf seinen ursprüngliche Position aus seinem früheren Fußballerleben zurück. Seinen Platz in der zentralen Defensive neben Hübner nahm Akpoguma ein. Was für eine clevere Idee, da er so absolute Ruhe in den Abläufen zwischen Dreier- im Offensiv- und Viererkette im Defensivmodus hatte.

An der Aufstellung war also schon zu erkennen, dass er selbst gewillt war, auch offensiv Akzente zu setzen – mit Kaderabek und Skov auf den Flügeln, allein es kam kaum dazu, denn die Schalker spielten einfach einen tollen Ball.

Ihre Anlage folgte auch einem Plan, den sie sehr souverän vortrugen. Die Pässe kamen bei ihnen mit der nötigen Härte und Präzision, die Laufwege stimmten und auch deren Varianz war beeindruckend. Aber bei aller optischen Überlegenheit kam von ihnen exakt nur ein einziger Ball aufs Tor – aus einer Standardsituation. Zugegeben, das war einer mehr als von uns, die wir erst nach über einer halben Stunde das erste Mal den Ball gefährlicher in Richtung Schalker Tor brachten, aber es zeigte, dass wir defensiv wussten, was wir taten, und dass das gut war, denn die Angriffsbemühungen der Gäste landeten meist ungefährlich jenseits des Aluminiums oder verpufften im Strafraum.

Das hatte allerdings zur Folge, dass Baumann sehr oft am Ball war. Gewiss wurden Abschläge und Abstöße als Möglichkeiten des Spielaufbaus trainiert, aber was da kam, kam frisch kompensierten Panikattacken gleich. Nur ganz selten gelang es unseren Spielern den Ball von da aus überhaupt mal über die Mittellinie zu bringen, von geordnet und strukturiert soll hier gar nicht die Rede sein. Insbesondere Skov machte da oftmals eine mehr als unglückliche Figur. Dabei hatte er als Anspielpartner eben Kramaric, weshalb man die Missverständnisse nachvollziehen kann – und nach dem Sieg dann auch verzeihen.

Auch wenn man Alfred Schreuder phänotypisch oft mit dem Hauptdarsteller des Actionfilms „The Transporter“, Jason Statham in Verbindung bringt, …

Schreuder_Double

… zeigte er in der Halbzeitpause, dass es viel richtiger wäre, in ihm den Hauptcharakter aus der US-Serie „The Mentalist“, Patrick Jane, zu sehen – auch ein gutaussehender Mann …

TSG-S04_2019

Er, Schreuder, sah, was er sah, und sah, dass das nicht gut aussah. Also änderte er das Grundgerüst und ging im Grunde auf eine Fünferkette. Damit überließ er den Gästen zwar im Mittelfeld noch mehr Raum, aber gleichzeitig sie ihrem Schicksal, denn der Raum des einen ist auch der Freiraum des anderen. Geiger machte Bebou Platz – denn schließlich ist Letzteres genau das, was Letzterer braucht, um seine Stärken (sowie Gegenspieler) auszuspielen.

Als um die 70. Minute rum die Gebete der TSG für ein Gegentor – exemplarisch hierfür seien Skovs Rückpass von der Mittellinie zur Ecke sowie Baumanns Faustabwehr zum eigenen Tor hin erwähnt – immer lauter wurden, wurde es im trotz tollen Gegners und hervorragendem Resultat zuletzt nicht ausverkauften Stadion immer stiller. Zwar hatte Schalke trotz großer Dominanz keinen einzigen Schuss aufs Tor gebracht, weil wir wirklich sehr gut verteidigten, aber vielen schien es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Tor fallen würde – und es fiel dann … weil: So ist Fußball …

„Wenn du sie vorne nicht machst, kriegst du sie hinten.“

Diesmal waren wir die Profiteure dieser alten Fußball-Weisheit: Akpogumas Befreiungskick landete bei Bebou, der Platz hatte, Raum hatte und Spaß hatte, seinen Gegenspieler auszutanzen und dann auch gleich abzuziehen. Der Ball wurde sogar noch gefährlicher abgefälscht, aber der Gästekeeper konnte den Ball mit einem Riesenreflex, den muss man nach 75 Minuten Ruhe erstmal hinbekommen, sogar noch parieren, aber halt nur in die Mitte, wo Akpoguma, der seinem Ball hinterher rannte, direkt darauf zulief. Der allerdings sah von der Seite Kramaric heraneilen und hielt sich dankenswerterweise zurück, was ja in einem solchen Moment ebenso keine Selbstverständlichkeit ist wie Kramarics Seitfallschuss in die Maschen. (Wir/Er hatte/n schon mit weitaus mehr Spielpraxis wesentlich bessere Chancen versemmelt.)

Was nun kommen würde, war klar. Die Schalker sahen sich um den Lohn ihrer Arbeit gebracht, trugen ihre Angriffe weiter wuchtig vor, sogar noch wuchtiger als zuvor, was zu Lasten der Präzision – und des Nervenkostüms ging.

Es ist nur eine Drehung, die es braucht, um aus „Mut“ „Wut“ zu machen – oder eben umgekehrt. Und während die Gäste so nach und nach Wutspieler wurden …

… haute Hübner einen raus. Der Ball landete an Mann und noch einem vorbei. Auch der vorletzte Schalker Verteidiger grätschte um Millimeter an dem Ball vorbei, der schlussendlich bei Bebou landete, so dass dieser wieder Platz hatte, Raum hatte und Spaß hatte, seinen Gegenspieler auszutanzen – und dann den Adamyan machte: nach innen ziehen, warten, bis der Gegenspieler einen großen Ausfallschritt (Man könnte auch sagen: Sané machte den Boateng) und dann kurzen Prozess machte: den Ball zwischen des Verteidigers Beine ins kurze Eck.

Zwei null Feierabend.

Verrückte Liga: Hätte der Gegner gewonnen, wäre er in der Tabelle von Platz 6 auf Platz 1 geklettert. Wir hingegen verbesserten uns durch die drei Punkte gerade mal um einen Platz auf Platz 11.

Nächste Woche geht es gegen den Tabellennachbarn – und selbst wenn wir da gewännen, könnten wir uns (realistische Spielausgänge vorausgesetzt) um nur um einen Platz verbessern. Zehnter. 1. der unteren Tabellenhälfte. Klingt nach „grauer Maus“. Aber, Sieg vorausgesetzt, schlimmstenfalls 5 Punkte hinter Platz 1 des oberen Tableaus. Wie klingt das?

Richtig gut, gell?

Der Schreuder macht schon verdammt viel richtig … und er macht es verdammt clever. Dabei hat er noch nicht mal alle Spieler zur Verfügung … für die perfekte Aufstellung. Aber dafür haben die, die er hat, das, was viel wichtiger ist: die richtige Einstellung. Da gehört Defensive halt auch dazu wie eben die richtige Mentalität, die er ja auch nach dem Spiel herausstellte.

Kein Wunder, das mit der Mentalität, denn trainiert werden sie von einem Mann mit kühlem Kopf, Hirn und Witz, den vieles auszeichnet: Team(weiterentwicklungs)fähigkeit, Sachlichkeit, Ganzheitlichkeit: Alfred Schreuder, den TSG-Mentalist.

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